In Treue altern
Mein treuer Ratgeber
Wenn es ums Dienen ging, sah Larry sein Alter nie als Hindernis an.
Als ich mit meiner Familie zurück in die Stadt zog, in der ich aufgewachsen war, stellten wir fest, dass sich dort vieles im Wandel befand. Einst bekannt als Wohnort für junge Familien, wohnten dort nun viele Witwen und Witwer, Eltern, deren Kinder erwachsen geworden und weggezogen waren, und eine kleine, aber steigende Anzahl junger Familien, die in freiwerdende Häuser einzogen.
Aufgrund der demografischen Veränderungen wurden die Gemeindegrenzen neu festgelegt. Teile von drei Gemeinden wurden zu einer einzigen Gemeinde zusammengefasst – und ich wurde zum Bischof berufen. Ich hatte ein paar Tage Zeit, mir Gedanken über meine Ratgeber zu machen. Schnell kam mir der erste Name in den Sinn, und der Geist bestätigte ihn. Aber ich war mir nicht gleich sicher, wer denn der andere Ratgeber sein sollte.
Ich zog mehrere jüngere Männer aus der Gemeinde in Betracht, aber ich kannte sie nicht gut genug. Vermutlich würden wir sie auch eher bei den Jungen Männern brauchen.
Ich kannte jemanden, der älter war und schon lange in der Gegend wohnte: Larry Morgan. In meiner Teenagerzeit war er Führungsverantwortlicher bei den Jugendlichen gewesen. Inzwischen war er 76 Jahre alt. Ich hatte das Gefühl, ich solle mit ihm sprechen. „Vielleicht hilft er mir, Gemeindemitglieder, die mir noch fremd sind, besser kennenzulernen“, dachte ich.
Larry stand in der Einfahrt, als ich bei ihm zuhause ankam. Noch bevor ein Wort gewechselt worden war, wusste ich, dass er mein anderer Ratgeber sein sollte. Wir unterhielten uns kurz, dann ging ich nach Hause und rief den Pfahlpräsidenten an. An Sonntag darauf wurde die Bischofschaft bestätigt, mit Larry als Zweitem Ratgeber.
Larry war sanft und bedächtig, aber wenn er sprach, hörten ihm die Leute zu. Er besaß auch einen unerschütterlichen Glauben an den Herrn. Ich lernte schnell, dass ich mich auf seinen Rat verlassen konnte.
„Wir werden sie besuchen“
Die Heimlehrer (heute sind das die betreuenden Brüder) leisteten gute Arbeit. Sie besuchten die Witwen und Witwer und informierten die Bischofschaft über den Stand der Dinge. Heute liegt ein Großteil der Verantwortung für deren Wohlergehen beim Ältestenkollegium und bei der FHV. Aber damals fühlte ich mich verpflichtet, die Mitglieder ebenfalls zu besuchen. Also versuchte ich, ein, zwei Besuche pro Woche zu machen. Bei diesem Tempo hätte es allerdings fast ein Jahr gedauert, bis ich bei jedem gewesen wäre. Außerdem fühlte ich mich überlastet, denn auch meine Frau und unsere kleinen Kinder brauchten mich ja.
In unserer Bischofschaftssitzung kam ich auf das Thema zu sprechen. Larry hatte eine Idee.
„Meine Frau und ich könnten doch mithelfen“, meinte er. „Wir haben tagsüber jede Menge Zeit für Besuche. Sie können sich ohnehin auf die Heimlehrer verlassen, aber schicken Sie Elizabeth und mich zu denjenigen, die ein wenig zusätzliche Aufmerksamkeit brauchen. Wir werden ihnen ausrichten, dass Sie an sie denken.“
Gesagt, getan. Mein treuer Ratgeber und seine Frau machten viele Besuche und munterten viele auf. Sie nahmen mir eine große Last von den Schultern.
„Wie alt ist der Prophet?“
Unsere Gemeinde benötigte damals auch einen Lehrer für die Evangeliumslehreklasse in der Sonntagsschule. In der Bischofschaft besprachen wir mehrere Kandidaten mit dem Sonntagsschulleiter und beteten. Aber wir bekamen für keinen von ihnen eine Bestätigung. Wieder einmal hatte Larry eine Idee. „Was ist mit Ila Gibb?“ Ila war schon jenseits der 70, aber wir waren alle fest davon überzeugt, dass sie eine gute Lehrerin sein werde. Der Sonntagsschulleiter stimmte zu.
Schwester Gibb lachte, als Larry und ich die Berufung aussprachen. „Ich bin alt“, sagte sie. „Ich gehöre doch schon längst zum alten Eisen!“
Als Larry ansetzte: „Schwester Gibb, wie alt …“, dachte ich, er wolle sich selbst als Beispiel anführen. Doch das tat er nicht. Warmherzig fragte er: „Wie alt ist der Prophet?“ Damals war Präsident Gordon B. Hinckley (1910–2008) gerade Präsident der Kirche geworden – im Alter von 84 Jahren!
„Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen“, antwortete Ila. „Zum Dienen ist man wohl nie zu alt.“ In den nächsten drei Jahren unterrichtete sie die Evangeliumslehreklasse. Sie war fabelhaft.
Heute bin ich 69, und ich denke oft an Larry und den Glauben, den er bewies, als er mit 76 Jahren die Berufung zum Ratgeber des Bischofs angenommen hat. Wenn ich darüber nachdenke, wie er sich für andere eingesetzt hat, bin ich zuversichtlich, selbst noch viel anpacken zu können. Viele von uns können noch manches tun – auch wenn wir über 60, 70 oder gar 80 sind –, um das Reich Gottes weiter aufzubauen.