2022
Der erste einheimische Zweigpräsident in São Paulo
Januar 2022


Geschichten aus der Reihe Heilige, Band 3

Der erste einheimische Zweigpräsident in São Paulo

two men standing in front of a group of people with their hands raised

Anmerkungen

Schon bald nach der Taufe von Claudio und Mary dos Santos in São Paulo kam der Missionspräsident, William Seegmiller, auf Claudio zu und fragte ihn, ob er Ältester werden wolle. Claudio war zwar überrascht, sagte aber: „Ja.“ Er ging erst seit wenigen Monaten in die Kirche und wusste nicht so recht, was der Begriff Ältester eigentlich bedeutete. Allerdings wusste er, dass alle Missionare mit dem Titel „Elder“ (Englisch für Ältester) angesprochen wurden. Alle waren sie bemerkenswerte junge Männer, die ihr Leben Gott geweiht hatten. Wenn das gleichbedeutend damit war, Ältester zu sein, war es genau das, was er werden wollte.1

Am darauffolgenden Sonntagmorgen ordinierte ihn Präsident Seegmiller kurz vor der Sonntagsschule zum Amt eines Ältesten im Melchisedekischen Priestertum. Als er fertig war, meinte er: „Jetzt bereiten wir das Abendmahl vor und richten alles für die Sonntagsschule her.“

Claudio war ein wenig verwirrt. Es geschah alles so schnell, und er wusste nicht ganz, was er da eigentlich tat. Aber er hielt sich an die Anweisungen des Präsidenten und kam somit zum ersten Mal einer Priestertumspflicht nach.

Am Abend fand dann die Abendmahlsversammlung des Zweigs statt, und Präsident Seegmiller beanspruchte Claudios Hilfe erneut. Diesmal sollte Claudio für ihn dolmetschen, denn der Missionspräsident wandte sich auf Englisch an die Versammelten. Claudio lernte zwar gerade Englisch, hatte jedoch noch nie gedolmetscht. Er willigte aber ein, es dennoch zu versuchen.2

Zu Beginn der Versammlung bat Präsident Seegmiller die Anwesenden, die Ordinierung Claudios zum Ältesten zu bestätigen. Claudio war überrascht, dass er klar und deutlich verstand, was Präsident Seegmiller sagte, und er übertrug dessen Worte mühelos ins Portugiesische.

Präsident Seegmiller erzählte dann, er habe ein Jahr zuvor der Ersten Präsidentschaft geschrieben, es gebe in Brasilien nicht genug portugiesischsprachige Priestertumsträger zur Unterstützung der Zweige. Er schäme sich nun, einen solchen Brief geschrieben zu haben. Männer wie Claudio hätten ihm das Gegenteil bewiesen. „Jetzt“, versprach er, „muss ich der Ersten Präsidentschaft ein weiteres Mal schreiben.“

Präsident Seegmiller fuhr fort: „Heute wurde Bruder Claudio zum Ältesten ordiniert. Ich lege ihn Ihnen nun als ersten einheimischen Zweigpräsidenten von São Paulo vor. Können Sie ihn in dieser Berufung unterstützen und bestätigen?“

Claudio dolmetschte, was er hörte, aber er war völlig perplex. Er dachte daran, wie unerfahren er doch noch sei. „Was weiß ich denn schon?“, fragte er sich. Er kannte zwar die Geschichte von Joseph Smith, hatte aber das Buch Mormon noch nie gelesen. Das Einzige, was er zu geben hatte, war seine Begeisterung für das wiederhergestellte Evangelium. Vielleicht war das ja alles, was der Herr von ihm brauchte.

Er blickte auf die Gemeinde und sah, wie zur Bestätigung seiner Berufung alle die Hand hoben. Er fühlte sich geehrt. Er mochte zwar nicht viel wissen, aber er war bereit zu arbeiten.3

man playing a piano

Claudio stellte sich sofort seinen Pflichten. Er übernahm die Leitung der Versammlungen am Sonntag und segnete das Abendmahl. Ein Missionar hatte Claudio das Notenlesen beigebracht. Bald schon hatte er sich ein Repertoire von rund zwanzig Kirchenliedern erarbeitet, die er auf der Orgel spielen konnte, um den Gesang der Mitglieder in São Paulo begleiten zu können. Anfangs stand ihm nur ein Ratgeber zur Seite, doch die beiden Männer taten ihr Bestes, um Erwerbstätigkeit und familiäre Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen und zugleich für die über die riesige Stadt verstreuten Mitglieder der Kirche da zu sein.

Trotz seiner Unerfahrenheit ging Claudio davon aus, dass Gott etwas damit bezweckte, ihm die Leitung des Zweiges anzuvertrauen. „Wenn dies die wahre Kirche ist und wenn es einen Gott gibt, der am Ruder steht“, sagte er sich, „dann hat er jemanden auswählen müssen. Jemanden mit Begeisterung, der Vollmacht empfangen hat und die Arbeit erledigen kann.“4

  1. Santos, Memories of Claudio M. dos Santos, Seite 2; Woodworth, „Claudio Martins dos Santos“, Seite 2; Santos, Interview, Seite 2

  2. Woodworth, „Claudio Martins dos Santos“, Seite 2; Santos, Memories of Claudio M. dos Santos, Seite 2; Santos, Interview, Seite 2; Claudio Martins dos Santos, Ordinierungsurkunde, 30. Januar 1944

  3. Woodworth, „Claudio Martins dos Santos“, Seite 2; Santos, Memories of Claudio M. dos Santos, Seite 2f.; Santos, Interview, Seite 2 und 5; Brief von William W. Seegmiller an die Erste Präsidentschaft, 11. Januar 1943, Brasilianische Mission, Schriftverkehr, HAK

  4. Santos, Memories of Claudio M. dos Santos, Seite 3f.; Woodworth, „Claudio Martins dos Santos“, Seite 2f.; Santos, Interview, Seite 2f. und 5