„Wo Träume wahr werden“, Liahona, Juli 2022
Nur online: Gelebter Glaube
Wo Träume wahr werden
Mein Vater drohte, mich aus dem Haus zu werfen, falls ich mich der Kirche anschlösse, aber nach meiner Taufe erlebte ich lauter große Segnungen
Aus irgendeinem Grund beschloss ein nettes Mädchen aus meiner 10. Klasse, mir ein Buch Mormon auf Englisch zu schenken. Ich wusste nicht, was für ein Buch das war. Als ich klein war, hatte mir mein Vater in Hindi ein Buch mit biblischen Geschichten in gekürzter Form geschenkt. Als ich nun versuchte, ein paar Seiten im Buch Mormon zu lesen, und den Namen Jesus Christus entdeckte, dachte ich: „Das sieht aus wie die Bibel.“
Ich behielt das Buch, las es aber nicht. Ich konnte kein Englisch, obwohl ich es eigentlich in der Schule lernte. Ungefähr zur gleichen Zeit bereitete ich mich mit der Freundin, die mir das Buch Mormon geschenkt hatte, auf einige Prüfungen vor. Ich war in allen Fächern gut – außer in einem.
„Ich mache mir große Sorgen wegen der Englischprüfungen“, sagte ich zu meiner Freundin. „Ich fürchte, ich falle durch.“
Sie antwortete: „Ich habe ein paar Freunde, die dir beim Englischlernen helfen können.“
Diese Freunde waren Missionare der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. Schon bald kamen sie zu mir nach Hause und gaben mir Grammatikunterricht. Nach ein paar Wochen begannen sie, mir das Evangelium nahezubringen.
Als ich mich mit der Kirche befasste, erklärten mir die Missionare, worin die Frucht des Geistes besteht (siehe Galater 5:22,23) und wie der Geist zu uns spricht. Sie sagten mir auch, ich solle den Vater im Himmel fragen, ob ihre Botschaft wahr sei. Als ich betete, erwartete ich keine Antwort wie jene, die Joseph Smith erhalten hatte. Aber ich wünschte mir, dass die Antwort so ausfiel, dass ich sicher sein konnte, die richtige Entscheidung zu treffen.
Die Antwort auf mein Gebet kam eines Nachts auf eine Weise, die ich nicht leugnen kann. Es war eine Antwort voller Licht und Frieden. Sie machte mir Mut und ich fühlte mich wie neugeboren. Ich hatte das Gefühl, ich wollte der netteste Mensch der Welt sein. Gott wusste, wie er mir antworten musste, und ich wusste, was ich danach tun sollte. Tatsächlich hatte ich Angst davor, was mit mir geschehen würde, wenn ich mich nicht taufen ließe.
Als ich es meinen Eltern erzählte, war mein Vater dagegen – nicht, weil er kein netter Mensch ist, sondern wegen des kulturellen Drucks. Er war sich nicht sicher, wie unser Umfeld meine Taufe aufnehmen würde.
„Wenn du dich taufen lässt, werfe ich dich aus dem Haus“, drohte er mir.
Unter Tränen berichtete ich meiner Mutter davon: „Ich möchte mich wirklich taufen lassen, aber das hat Papa wörtlich so gesagt.“
Sie erwiderte: „Mach du nur. Wir werden dann schon sehen.“
Also ließ ich mich taufen – und blickte dann nie zurück, denn ich erlebte lauter große Segnungen.
Mein Vater warf mich nicht aus dem Haus, aber ein, zwei Jahre lang verlief das Leben daheim nicht so ganz reibungslos. Jedes Mal, wenn in unserer Familie Schwierigkeiten auftraten, nahmen ein paar Verwandte an, das sei die Rache der Götter, die ich verraten hatte, als ich das Evangelium angenommen hatte. Aber als meine Eltern positive Veränderungen an mir sahen, änderte sich auch zuhause etwas. Zwei Jahre nachdem ich mich der Kirche angeschlossen hatte, taufte ich meine beiden jüngeren Schwestern. Später ließ sich auch meine dritte Schwester taufen.
Eine Verheißung geht in Erfüllung
Als mich die Missionare im Evangelium unterwiesen, sicherte mir die Freundin, die mir das Buch Mormon geschenkt hatte, zu: Wenn ich das gesamte Buch auf Englisch durchlese, verbessern sich meine Englischkenntnisse bestimmt. Ich nahm diese Verheißung ernst und fing an, es zu lesen, obwohl ich anfangs nicht viel verstand. Ich las und forschte jeden Tag und jeden Abend im Buch Mormon. Ich legte es sogar unter mein Kissen, damit ich, wenn ich zwischendurch aufwachte, weiterlesen konnte.
Innerhalb eines Jahres war mein Englisch so gut, dass ich in einem englischsprachigen Callcenter arbeiten konnte. Nachdem ich Geld gespart hatte, wurde ich in die Indien-Mission Bangalore berufen.
Auf Mission machte ich mir große Sorgen, weil ja noch nicht meine gesamte Familie der Kirche angehörte. Eines Tages las ich diesen Vers: „Siehe, deiner Familie wegen hast du viele Bedrängnisse gehabt, doch ich werde dich und deine Familie … segnen; und der Tag kommt, da sie glauben und die Wahrheit erkennen und mit dir in meiner Kirche eins sein werden.“ (Lehre und Bündnisse 31:2.)
Ich spürte den Geist so stark, dass ich wusste, dass dieser Vers direkt an mich gerichtet war. Es dauerte 14 Jahre, und dann wurde diese Verheißung wahr. Vor drei Jahren taufte ich meine Eltern. Bis auf einen meiner Brüder gehören wir jetzt alle der Kirche an.
Ich sage oft: „Die Kirche ist der Ort, wo Träume wahr werden.“ Dank der Kirche habe ich das, was ich mir am meisten gewünscht habe. Ich lernte Englisch. Ich erfüllte eine Mission, auf der ich zahlreiche Wunder erlebte. Nach meiner Mission lernte ich Radhika kennen, meine wunderbare Frau, und wir wurden im Bern-Tempel in der Schweiz aneinander gesiegelt. Wir haben einen vierjährigen Sohn. Meine Familie ist mit mir in der Kirche. All meine Träume sind wahr geworden.