Stimmen von Heiligen der Letzten Tage
Die Segnungen des Nähens
Annaberg-Buchholz (JW): Nach meiner Schulzeit erlernte ich in der damaligen DDR den Beruf einer Industrieschneiderin. Meine Kinder und mich kleidete ich mit selbst genähten Sachen hübsch ein, nähte aber auch für Freunde und Nachbarn. So konnte ich in meinen jungen Jahren mein Haushaltsgeld ein bisschen aufbessern. Ich arbeitete in einer großen Konfektionsabteilung an einem Fließband. Ich liebte meine Arbeit. Eines Tages stand die Leiterin der Musterabteilung neben mir und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, in diese Abteilung zu kommen. Diese Entscheidung konnte ich nicht sofort treffen, doch schon am nächsten Tag hatte ich mich entschieden, diesen Arbeitsplatz anzunehmen. Mit Herzklopfen begann ich unter Anleitung die Arbeit. Es folgten Lehrgänge sowie Modeeinweisungen in anderen Städten. Schnell arbeitete ich mich ein und meine Chefin lobte mich für die gute geleistete Arbeit. Das Arbeitsgebiet war groß, aber auch abwechslungsreich und interessant, und die Schönheit der Mode faszinierte mich. In den fast 30 Jahren, die ich diese Arbeit ausübte, habe ich sehr viel dazugelernt. Ich habe vorher gar nicht gewusst, wie viel Kreativität in mir steckt.
Anfang der 90er Jahre sah ich, dass ein neuer Handarbeitsladen in meinem Wohnort eröffnet wurde. Dort wurden zweimal in der Woche Patchworklehrgänge angeboten. Sofort meldete ich mich an und besuchte ein Jahr lang so einen Lehrgang, um diese Technik zu erlernen. Diese Art des Nähens hatte mich schon immer fasziniert und ich wunderte mich immer, wie die schweren Muster so sauber genäht werden konnten. Schon nach dem Lehrgang war ich in der Lage, die in Fachzeitschriften abgebildeten Entwürfe nachzuarbeiten. Ich konnte Quilts anfertigen und auch viele andere Kleinigkeiten zum Verschenken. Im Rahmen der Dienstprojekte, die wir im Gemeindehaus der Kirche durchführten, richteten wir jeden Monat einen Tag zum Nähen ein. Jeder konnte kommen, wie er Zeit hatte. Es gab Frauen, die nicht nähen konnten, aber sie wurden durch die Begeisterung der Schwestern motiviert, sodass sie sich ebenfalls eine Nähmaschine kauften und somit auch das Patchen lernten. Es waren sehr schöne Zeiten. Wir nähten viele schöne kleine Dinge, besonders zur Weihnachtszeit. Dieser Workshop wurde viele Jahre durchgeführt, die Schwestern und Freundinnen haben viel gelernt und es entwickelten sich richtige Künstlerinnen.
Alles, was wir nähten, wurde auf Märkten verkauft und der erzielte Erlös krebskranken Kindern gespendet. Es war für mich eine große Freude, bei der Übergabe des Geldes mit dabei zu sein. Auch in unserem örtlichen Gemeinwesen konnte ich vielen Frauen einmal im Monat das Patchen beibringen. Auch da konnten wir unsere kleinen Schätze auf dem Weihnachtsmarkt verkaufen. Sie wurden gut angenommen! Der Erlös ging an den örtlichen Kindergarten. Einmal fertigten wir Baumbehang an und schmückten damit einen Weihnachtsbaum für ein Behindertenheim, um den Bewohnern dieses Heimes eine Freude zu bereiten, weil in dem Jahr im Heim keiner zur Verfügung stand.
Ich entschloss mich, mir eine kostbare gute Nähmaschine mit vielen Raffinessen zu kaufen, und fuhr daher in einen Nachbarort, wo es solche Maschinen gab. In dem Geschäft kam mir eine große Frau entgegen, stellte sich vor und sagte, dass sie aus der Ukraine komme. In ihrem Heimatland hatte sie die Berufe Damenschneiderin und Mechanikerin erlernt. Ihr deutscher Ehemann war schon vor vielen Jahren verstorben. Ich sagte zu ihr: „Weißt du, dass du deinen Mann einmal wiedersehen wirst?“ Sie verneinte. Darauf gab ich ihr mein Zeugnis vom Wunder der Auferstehung. So begann ein Gespräch über Jesus Christus, sein Leben, den Sinn und Zweck unseres Erdendaseins und noch vieles mehr, was in der Kirche gelehrt wird.
Oft erzählte ich ihr von meinem Glauben. Eines Tages sagte sie mir, dass sie unsere Kirche kenne, auch die Lehre gut und richtig finde. Erstaunt fragte ich sie, woher sie die Kirche kenne. Sie erzählte mir daraufhin: „Meine beste Freundin in der Ukraine hat einen Mann, der jeden Tag sehr viel Alkohol trank, sodass die Ehe zu zerbrechen drohte. Da kamen eines Tages zwei Missionare in ihr Haus und brachten diesem Ehepaar die Evangeliumsbotschaft. Sie nahmen das Evangelium an und ließen sich taufen. Der Mann trank keinen Alkohol mehr und die Ehe ist wieder in Ordnung. Als es noch keinen Tempel in der Ukraine gab, fuhren sie in einem Bus zum Tempel nach Freiberg und ließen sich aneinander siegeln. Sie fuhren oft nach Freiberg, um in den Tempel zu gehen.“ Die Ladenbesitzerin, die mir die Nähmaschine verkaufte, ist dann jedes Mal nach Freiberg gefahren, um ihre Freundin zu treffen.
Bevor ich wieder einmal meine Freundin besuchte, fuhr ich zum Geldautomaten, um für mich Geld abzuheben. Ich hatte mehr Geld abgehoben, als ich an dem Tag benötigte, und fühlte mich reich. Bei ihr angekommen, setzten wir uns an den Tisch, schauten uns die neuesten Fachzeitschriften an und plauderten wie immer. Sie zeigte mir die aktuellen Stoffe und beschenkte mich wieder mit vielen Kleinigkeiten. Sie sagte, sie wüsste, dass ich alles für einen guten Zweck verwenden würde. Wie Recht sie doch hatte! Ich überlegte, womit ich ihr einmal eine Freude bereiten könnte. Eine leise Stimme sagte mir, dass ich ihr 50 Euro schenken solle. Doch ich konnte mich nicht dazu entschließen. Wieder hörte ich die Stimme: „Schenke ihr das Geld!“ Ich habe es richtig laut und deutlich vernommen. Ich nahm 50 Euro in die Hand und sagte: „Heute möchte ich dir etwas schenken, und das nimmst du.“ Ich legte das Geld auf den Ladentisch. Sie staunte und erwiderte, dass sie es nicht annehmen wolle. Es ging noch eine Weile hin und her, aber dann nahm sie es doch. Danach fühlte ich mich in meinem Herzen gut. Als Larissa mich wie immer zur Tür begleitete, sagte sie zu mir: „Karin, das Geld kam zum richtigen Zeitpunkt!“ Da wusste ich, dass der Heilige Geist mich zweimal geführt hatte. Ich sollte an dem Tag das Geld zu meiner Freundin mitnehmen und es ihr geben. Ich bin dankbar, dass der Heilige Geist uns führt und leitet, wenn wir auf ihn hören. Ich fuhr glücklich nach Hause und fühlte mich nun wirklich reich.