Bekehrungsgeschichte
„Das ist eine sehr gute Sache!“
Hannover (MS): In den Fünfzigerjahren, als ich noch im Jugendalter war, stand eines Tages ein älteres amerikanisches Ehepaar vor unserer Wohnungstür. Nachdem ich geöffnet hatte, fragten sie nach meiner Mutter, die gerade dazukam. Das Ehepaar stellte sich als Missionare der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage vor, von der wir zuvor noch nie etwas gehört hatten. Sie wollten uns den wahren Glauben näherbringen. Meine Mutter reagierte, wie wohl viele Menschen, die von den Missionaren angesprochen werden, indem sie sagte, wir gehörten bereits einer Kirche an und bräuchten keine weitere. Darauf stellte der Missionar die Frage, ob unsere Kirche auch die Vollmacht hätte, hier auf Erden zu amtieren. Diese Frage brachte meine Mutter aus dem Konzept, denn ihr war bislang noch nie in den Sinn gekommen, über die Frage nach der Vollmacht unserer evangelischen Kirche hier auf der Erde nachzudenken. Sie bat das Ehepaar herein, woraufhin wir über die Wiederherstellung der Kirche Jesu Christi aufgeklärt wurden. Zum Schluss wurden wir eingeladen, am nächsten Sonntag die Versammlungen zu besuchen und uns dort mit dem Evangelium bekanntzumachen, wie es vom Priestertum praktiziert wird. Halbherzig sagte meine Mutter zu, und das Ehepaar verabschiedete sich erfreut. In der darauffolgenden Woche kamen die beiden jedoch wieder und gaben ihrer Enttäuschung über unser Fernbleiben Ausdruck. Sie unternahmen einen weiteren Anlauf, meiner Mutter eine Zusage zum Versammlungsbesuch am nächsten Sonntag zu entlocken, dem sie wieder halbherzig zustimmte.
In dieser Woche hatte meine Mutter eines Nachts einen eigenartigen Traum: Sie traf in einer großen Halle mit hohen bunten Glasfenstern ihren Bruder, meinen Onkel. Nach ein paar Begrüßungsworten erzählte sie ihm von der für sie merkwürdigen Begegnung mit den „Mormonen“ und von deren Bemühungen, sie unbedingt in ihre Versammlungen zu locken. Die Reaktion meines Onkels verwunderte sie sehr. Er klopfte ihr auf die Schulter und sagte zu ihr: „Das mach unbedingt, das ist eine sehr gute Sache!“ Damit war die Begegnung vorbei und meine Mutter wachte auf. Weil ihr dieser Traum eigenartig vorkam, ging sie sofort die Treppe hinunter, um nachzusehen, ob vielleicht ein Brief von ihrem Bruder im Briefkasten steckte, den sie bislang übersehen hatte. Dort fand sie ein Telegramm vor, das, weil wir den ganzen Tag nicht zu Hause gewesen waren, in unserem Briefkasten gelandet war und das eine Mitteilung über das plötzliche Ableben dieses Onkels enthielt. Panisch stürzte sie in die Zimmer von uns Kindern – damals war sie bereits verwitwet – und berichtete uns mitten in der Nacht von dem unerwarteten Tod ihres noch relativ jungen Bruders. Bei dessen Trauerfeier in der Trauerhalle des Ohlsdorfer Friedhofs in Hamburg erkannte sie auch die große Halle mit den hohen bunten Glasfenstern wieder, in der sie ihrem Bruder im Traum begegnet war.
Durch diesen Traum motiviert, besuchte meine Mutter am folgenden Sonntag die Versammlungen der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage und kam im Laufe der Zeit zu der Überzeugung, dass es gut wäre, sich dieser Kirche anzuschließen. Einige Monate später wurde sie zusammen mit meinem jüngsten Bruder getauft. Einige Wochen später schloss sich auch mein anderer Bruder der Kirche an. Meine Taufe erfolgte etliche Zeit später, weil ich mich in Vorbereitung auf meine Konfirmation in der evangelischen Kirche befand und diese nicht abbrechen wollte, zumal wir in unserer Konfirmandengruppe zusammen sehr viel Spaß hatten und ich diese nette Zeit mit der Feier der Konfirmation auslaufen lassen wollte.
So empfinde ich meine Bekehrung und anschließende Taufe im Jahr 1957 als eine durch zwei Dimensionen bewirkte, nämlich die irdische und die jenseitige.