2022
Das Zeugnis nähren und Zeugnis geben
November 2022


13:15

Das Zeugnis nähren und Zeugnis geben

Bitte halten Sie nach Gelegenheiten Ausschau, in Wort und Tat Zeugnis zu geben

Einleitung

Prägende Momente im Leben kommen häufig und unerwartet – selbst wenn man noch jung ist. Ich möchte von Kevin erzählen, einem Schüler an der Highschool, der dazu auserwählt wurde, an einer Veranstaltung für Schülervertreter in einem anderen Bundesstaat teilzunehmen. Hier seine eigenen Worte:

„Als ich an der Reihe war, fragte die sehr förmlich wirkende Sekretärin bei der Anmeldung nach meinem Namen. Sie sah auf ihre Liste und sagte: ‚Du bist also der junge Mann aus Utah.‘

‚Soll das heißen, ich bin der Einzige aus Utah?‘, fragte ich.

‚Ja, der Einzige.‘ Sie gab mir mein Namensschild, auf dem ‚Utah‘ unter meinem Namen stand. Als ich es ansteckte, fühlte ich mich irgendwie gebrandmarkt.

Ich zwängte mich mit fünf anderen Schülern, die genau so ein Namensschild wie ich trugen, in den Fahrstuhl des Hotels. ‚Du kommst also aus Utah? Bist du etwa Mormone?‘, fragte ein Schüler.

Unter all diesen Schülervertretern aus dem ganzen Land fühlte ich mich fehl am Platz. ‚Ja‘, gestand ich zögerlich.

‚Ihr glaubt doch an diesen Joseph Smith, der behauptet hat, er habe Engel gesehen. Das glaubst du doch nicht wirklich, oder?‘

Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Schüler im Aufzug starrten mich alle an. Ich war gerade erst angekommen, und schon hielten mich alle für eigenartig. Etwas trotzig sagte ich daraufhin: ,Ich weiß, dass Joseph Smith ein Prophet Gottes war.‘

Woher kam das auf einmal? Ich wunderte mich, dass ich das gewagt hatte. Doch die Worte kamen mir richtig vor.

‚Ja, ich hab schon gehört, dass ihr alle religiöse Spinner seid‘, sagte er.

Als sich die Fahrstuhltür öffnete, entstand eine unangenehme Pause. Als wir unser Gepäck nahmen, zog er lachend durch den Flur.

Da hörte ich eine Stimme hinter mir: ‚Haben die Mormonen nicht auch eine andere Bibel?‘

O nein! Nicht das schon wieder. Ich drehte mich um und sah Christopher, einen der Schüler aus dem Aufzug.

‚Ja, das Buch Mormon‘, sagte ich und wollte das Thema damit beenden. Ich nahm meine Koffer und ging durch den Flur weiter.

‚Ist das das Buch, das Joseph Smith übersetzt hat?‘, fragte er.

‚Ja, genau‘, antwortete ich. Ich ging weiter und hoffte, nicht noch mehr in Verlegenheit gebracht zu werden.

‚Weißt du vielleicht, wie ich das Buch bekommen könnte?‘

Auf einmal fiel mir eine Schriftstelle aus dem Seminar wieder ein. ‚Ich schäme mich des Evangeliums nicht.‘1 Als ich daran dachte, schämte ich mich, dass es mir so unangenehm gewesen war.

Diese Schriftstelle ließ mich die ganze Woche lang nicht los. Ich beantwortete so viele Fragen über die Kirche, wie ich nur konnte, und fand viele neue Freunde.

Ich erkannte, dass ich stolz auf meine Religion war.

Ich schenkte Christopher ein Buch Mormon. Später schrieb er mir, er habe die Missionare zu sich nach Hause eingeladen.

Ich habe gelernt, nicht verlegen zu sein, Zeugnis zu geben.“2

Ich finde Kevins Mut, Zeugnis zu geben, inspirierend. Diesen Mut beweisen täglich treue Mitglieder der Kirche in aller Welt. Ich bitte Sie, während meiner weiteren Ausführungen über vier Fragen nachzudenken:

  1. Weiß ich und verstehe ich, was ein Zeugnis ist?

  2. Weiß ich, wie man Zeugnis gibt?

  3. Was hindert mich daran, Zeugnis zu geben?

  4. Wie kann ich mein Zeugnis bewahren?

Weiß ich und verstehe ich, was ein Zeugnis ist?

Das Zeugnis ist ein höchst kostbarer Besitz, der oft mit tiefgehenden geistigen Empfindungen einhergeht. Diese Empfindungen stellen sich meist still und friedlich ein und werden als sanfte, leise Stimme beschrieben.3 Es ist eine Überzeugung oder eine Erkenntnis der Wahrheit, die man als geistiges Zeugnis durch den Einfluss des Heiligen Geistes empfängt. Wenn Sie dieses Zeugnis erlangen, verändert es, was Sie sagen und wie Sie handeln. Zum Kern des Zeugnisses, das der Heilige Geist Ihnen bestätigt, gehört:

  • Gott ist Ihr Vater im Himmel und Sie sind sein Kind. Er liebt Sie.

  • Jesus Christus lebt. Er ist der Sohn des lebendigen Gottes und Ihr Erretter und Erlöser.

  • Joseph Smith ist ein Prophet Gottes, der dazu berufen wurde, die Kirche Jesu Christi wiederherzustellen.

  • Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist die wiederhergestellte Kirche Gottes auf Erden.

  • Die wiederhergestellte Kirche Jesu Christi wird heute von einem lebenden Propheten geführt.

Weiß ich, wie man Zeugnis gibt?

Man gibt Zeugnis, wenn man anderen von geistigen Empfindungen erzählt. Für ein Mitglied der Kirche bieten sich in offiziellen Versammlungen der Kirche sowie in weniger offiziellen Einzelgesprächen mit der Familie, Freunden und anderen Menschen Gelegenheiten, Zeugnis zu geben.

Eine weitere Möglichkeit, Zeugnis zu geben, besteht darin, dass man sich rechtschaffen verhält. Ihr Zeugnis für Jesus Christus ist nicht nur das, was Sie sagen – es ist das, was Sie sind.

Jedes Mal, wenn Sie Zeugnis in Worten geben oder durch Ihr Verhalten zeigen, dass Sie sich verpflichtet haben, Jesus Christus nachzufolgen, laden Sie andere ein, zu Christus zu kommen.4

Die Mitglieder der Kirche treten allzeit und in allem und überall als Zeugen Gottes auf.5 Die Möglichkeiten, eigene inspirierende Inhalte oder von anderen erstellte erbauliche Inhalte weiterzuverbreiten, sind in unserer digitalen Welt schier grenzenlos. Wir geben Zeugnis, wenn wir das Motto „lieben, weitergeben und einladen“ beachten – auch im Internet. Ihre Tweets, privaten Nachrichten und Posts werden einen höheren, heiligeren Zweck erfüllen, wenn Sie soziale Medien auch nutzen, um zu zeigen, was das Evangelium Jesu Christi aus Ihrem Leben macht.

Was hindert mich daran, Zeugnis zu geben?

Zu den Hindernissen, Zeugnis zu geben, gehört vielleicht auch, dass man nicht weiß, was man sagen soll. Matthew Cowley, der vor längerer Zeit Apostel war, berichtete von folgendem Erlebnis, als er mit 17 Jahren für fünf Jahre nach Neuseeland auf Mission ging:

„Ich werde nie die Gebete meines Vaters am Tag meiner Abreise vergessen. Nie zuvor hatte ich in meinem ganzen Leben schönere Segensworte gehört. Seine letzten Worte damals am Bahnhof an mich waren: ‚Mein Junge, du wirst diese Mission antreten. Du wirst viel studieren. Du wirst versuchen, Predigten vorzubereiten, und manchmal, wenn es von dir verlangt wird, wirst du meinen, du seist wunderbar vorbereitet, doch wenn du dann aufstehst, wirst du nicht wissen, was du sagen sollst.‘ Ebendies ist mir mehr als einmal passiert.

Ich fragte: ‚Was tut man, wenn einem überhaupt nichts einfällt?‘

Er antwortete: ‚Du stehst auf und gibst mit aller Leidenschaft deiner Seele Zeugnis, dass Joseph Smith ein Prophet des lebendigen Gottes war, und dann werden dir Gedanken in den Sinn und Worte in den Mund strömen … und allen, die zuhören, ins Herz.‘ Und da mir während meiner [Mission] meistens nichts einfiel, hatte ich Gelegenheit, vom größten Ereignis der Weltgeschichte seit der Kreuzigung des Meisters Zeugnis zu geben. Liebe Freunde – probiert es selbst einmal aus! Wenn ihr nichts anderes zu sagen habt, dann bezeugt, dass Joseph Smith der Prophet Gottes war, und die ganze Geschichte der Kirche wird in eure Gedanken einströmen.“6

Präsident Dallin H. Oaks hat ebenso einmal gesagt: „Manch einer [erlangt] sein Zeugnis eher im Stehen …, während er es gibt, als auf den Knien, während er darum bittet.“7 Der Heilige Geist gibt sowohl dem Sprecher als auch dem Zuhörer Zeugnis.

Ein weiteres Hindernis, das aus Kevins Begebenheit hervorgeht, ist die Furcht. Paulus schrieb Timotheus:

„Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft [und] der Liebe …

Schäme dich also nicht des Zeugnisses für unseren Herrn.“8

Angst kommt nicht vom Herrn, sondern meistens vom Widersacher. Wenn Sie wie Kevin Glauben ausüben, können Sie diese Gefühle überwinden und freimütig darüber sprechen, was Ihr Herz bewegt.

Wie kann ich mein Zeugnis bewahren?

Ich glaube, dass uns ein Zeugnis angeboren ist, dass wir es jedoch mit großer Sorgfalt nähren müssen, wie Alma gesagt hat, um es zu bewahren und weiter reifen zu lassen.9 Wenn wir das tun, wird es „Wurzeln bekommen und heranwachsen und Frucht hervorbringen“10. Andernfalls „wird [es] verdorren“11.

Wir haben von jedem Mitglied der Ersten Präsidentschaft Richtlinien erhalten, wie man ein Zeugnis bewahrt.

Voller Liebe hat Präsident Henry B. Eyring gesagt: „Man muss sich regelmäßig und immer wieder am Gotteswort weiden, von Herzen beten und den Geboten des Herrn gehorchen, wenn das Zeugnis wachsen und gedeihen soll.“12

Präsident Dallin H. Oaks hat uns vor Augen geführt, dass wir, um unser Zeugnis zu bewahren, „jede Woche vom Abendmahl nehmen [müssen], (siehe LuB 59:9), um der kostbaren Verheißung würdig zu sein, dass sein Geist immer mit uns sein wird (siehe LuB 20:77)“13.

Und Präsident Russell M. Nelson gab uns vor kurzem den freundlichen Rat:

„Füttert [euer Zeugnis] mit Wahrheit. …

Labt euch an den Worten der Propheten von einst und von heute. Bittet den Herrn, euch zu zeigen, wie ihr ihn besser hören könnt. Verbringt mehr Zeit im Tempel und mit der familiengeschichtlichen Forschung.

[Rückt] euer Zeugnis ganz in den Vordergrund.“14

Zum Abschluss

Meine lieben Brüder und Schwestern, ich verheiße Ihnen: Wenn Sie besser verstehen, was ein Zeugnis ist, und wenn Sie Zeugnis geben, werden Sie Hindernisse wie Unsicherheit oder Angst überwinden und dadurch diesen kostbarsten Besitz, Ihr Zeugnis, nähren und bewahren können.

Zum Glück kennen wir unzählige Beispiele von Propheten aus alter und neuer Zeit, die unerschrocken Zeugnis gegeben haben.

Nach dem Tod Christi trat Petrus vor und bezeugte:

„So sollt ihr alle … wissen: im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, den ihr gekreuzigt habt und den Gott von den Toten auferweckt hat. Durch ihn steht dieser Mann … vor euch. …

Denn es ist uns Menschen kein anderer Name unter dem Himmel gegeben, durch den wir gerettet werden sollen.“15

Nach Almas Predigt über den Glauben erklärte Amulek eindringlich: „Ich will euch aus mir selbst bezeugen, dass dies alles wahr ist. Siehe, ich sage euch, dass ich wirklich weiß, dass Christus unter die Menschenkinder kommen wird … und dass er für die Sünden der Welt sühnen wird; denn Gott, der Herr, hat es gesagt.“16

Joseph Smith und Sidney Rigdon bezeugten nach einer herrlichen Vision des auferstandenen Erretters:

„Und nun, nach den vielen Zeugnissen, die von ihm gegeben worden sind, ist dies, als letztes von allen, das Zeugnis, das wir von ihm geben: Er lebt!

Denn wir haben ihn gesehen, ja, zur rechten Hand Gottes; und wir haben die Stimme Zeugnis geben hören, dass er der Einziggezeugte des Vaters ist.“17

Brüder und Schwestern, bitte halten Sie nach Gelegenheiten Ausschau, in Wort und Tat Zeugnis zu geben. Solch eine Gelegenheit bot sich mir vor kurzem, als ich am Ende eines Treffens mit dem Bürgermeister einer südamerikanischen Hauptstadt mit einer Reihe hoher Beamter an seinem Arbeitsplatz zusammenkam. Als wir mit herzlichen Gefühlen Abschied nahmen, dachte ich zögerlich, ich solle Zeugnis geben. Ich folgte der Eingebung und bezeugte, dass Jesus Christus der Sohn des lebendigen Gottes und der Erretter der Welt ist. In diesem Augenblick änderte sich alles. Der Heilige Geist im Raum war nicht zu leugnen. Alle wirkten berührt. „Der Tröster … gibt Zeugnis vom Vater und vom Sohn.“18 Ich bin sehr dankbar, dass ich den Mut aufbrachte, Zeugnis zu geben.

Wenn sich solch eine Gelegenheit ergibt, ergreifen Sie sie bereitwillig. Wenn Sie das tun, werden Sie spüren, wie der Tröster Ihnen Wärme schenkt.

Ich gebe Ihnen Zeugnis und bezeuge: Gott ist unser Vater im Himmel, Jesus Christus lebt, und die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ist heute die Kirche Gottes auf Erden und wird von unserem geschätzten Propheten, Präsident Russell M. Nelson, geführt. Im Namen Jesu Christi. Amen.