Liahona
Die Generalkonferenz – für meine gebrochene Seele Balsam aus Gilead
Juni 2024


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Die Generalkonferenz – für meine gebrochene Seele Balsam aus Gilead

Der Verfasser lebt in Colorado.

Als ich die Generalkonferenz besuchte, hatte ich kurz zuvor meine Mutter verloren. Das mir dort entgegengebrachte Wohlwollen, die schöne Musik und die klugen Worte waren für mich ein großer Segen.

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Rabbi Charnes umarmt bei der Generalkonferenz Elder Carpenter

Eine von gegenseitigem Respekt getragene Umarmung: Elder Matthew L. Carpenter von den Siebzigern (rechts) und Rabbi Joe Charnes (links) bei der Herbst-Generalkonferenz 2019

Verwendung des Fotos mit freundlicher Genehmigung von Michael Law

Eineinhalb Wochen vor der Herbst-Generalkonferenz 2019 musste ich mit meinen Angehörigen und Freunden meine liebe Mutter Eudie Charnes zu Grabe tragen. Mein Herz war gebrochen, tief betrübt und fühlte sich völlig leer an. Eudies Schönheit, die Anmut, die sie ausmachte – sie war schlicht und ergreifend nicht mehr da. Ich konnte sie nun nicht mehr halten, umarmen oder umsorgen – ihr nicht mehr beistehen, ihr nichts mehr vorsingen, nicht mehr mit ihr weinen oder beten. Das Leben und das Licht, das mir das Leben geschenkt hatte, war erloschen – das Glück, das sie ausstrahlte, war unwiederbringlich dahin. So starb mit ihr auch ein tief in mir vergrabener Teil meiner selbst und verließ mich für immer. Sie starb – versöhnt mit ihrem Schicksal und umhüllt von Glauben – im engsten Familienkreis in den Armen derer, die sie über alles liebte: meiner Frau Sarah, unserer Tochter Yael und meiner selbst, ihres nunmehr verwaisten Sohnes.

Wir waren alle zusammen und doch vollkommen allein: Jeder betrauerte seinen persönlichen Verlust, doch der gemeinsame Verlust verband uns. Diesem Gefühl zerbrechlicher Zusammengehörigkeit, das wir untereinander empfanden, wurde durch die Herzlichkeit zweier Juwelen unter den Mitgliedern der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage entgegengewirkt – und zuweilen wurden wir sogar von ihnen getragen: von Bruder Mike Law und seiner Gefährtin für die himmlische Ewigkeit, Schwester Debbie Law, beide aus Colorado. Sie waren einfach für uns da. Ihr demütiges Herz ist randvoll von einer Liebe erfüllt, die nur vom Himmel inspiriert sein kann, und wir werden ewig dankbar für ihr Licht sein, das uns den Weg durch die Finsternis und die Verzweiflung des Todes erhellt hat.

In dieser Zeit, nur zwei Tage nach der Beisetzung meiner Mutter, wurde mein verzweifelter Ruf nach den Seligen beantwortet, denn mein lieber Freund, Bruder Mike Law, rief an und sprach eine Einladung aus. Ein weiteres Mal reichte er mir – wie immer – die Hand und zog mich zu sich, um zu sehen, wie es mir auf dieser langen, einsamen und kummervollen Reise erging und wie ich mit dem Verlust zurechtkam.

Im Verlauf des Gesprächs stellte mir Mike eine Frage, wobei mir auffiel, dass er ein klein wenig unsicher klang: „Joe, ich weiß, dass du vermutlich nein sagen wirst, ich möchte dich aber dennoch fragen: Möchtest du gerne zur Generalkonferenz mitkommen, falls ich Karten bekomme?“ Meine Antwort war schlicht, direkt und kam wie aus der Pistole geschossen: „Um ehrlich zu sein, Mike, wäre ich nirgendwo lieber als dort.“

Ja, liebe Freunde, genau so habe ich es gesagt: feierliche Worte wie bei einer Ode an die Trauer. Ich wusste einfach: Die Generalkonferenz sollte zu diesem segensreichen Moment werden, da sich mein Herz wie Phönix aus der Asche wieder erhebt. Ich wusste: Jedes von Mitgliedern der Kirche inspirierte, großzügige Herz würde sich mir bedingungslos – und liebevoll – zuwenden. Diese mir liebevoll zugewandten Herzen würden unweigerlich für mich da sein.

Bei der Generalkonferenz zeigen einfach alle ein von Herzen kommendes Lächeln. Sie grüßen einander von Herzen, und sie leuchten von innen. Die Amtssprache dort bedarf keiner Worte: Es ist die Sprache des Herzens. Jedes Herz sagt: „Hallo!“ Die bloße Anwesenheit eines jeden verkündet schon: „Hallo!“ Einfach nur da zu sein bedeutet, von Liebe umfangen zu sein.

Das war der Balsam, den meine schmerzende Seele brauchte – ein von der Herzlichkeit bei der Generalkonferenz genährter und sich wohltuend über mich ergießender Balsam. Das war der Grund, weshalb die Generalkonferenz für meine notleidende Seele wahrlich wie heilender Balsam aus Gilead wurde.

Grundsätzlich trifft das bei Ihrer beeindruckenden Religion im Ganzen zu. Verständnisvolle, liebevolle und fürsorgliche Freundlichkeit ist der Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage ins Herz geschrieben; sie ist zugleich ihr Markenzeichen und das Vermächtnis Ihres Glaubens. Ein altes Sprichwort besagt: „Die höchste Form der Weisheit ist Freundlichkeit.“ Wenn das zutrifft, zählen die Menschen, die zur Generalkonferenz zusammenkommen, fürwahr zu den Weisesten auf diesem Planeten.

Sie sind den Nationen und meinem Herzen ein Licht. Möge Gott dich segnen, Mike, weil du den Eingebungen deines Herzens gefolgt bist. Weil du mir hingebungsvoll geholfen hast, meinen inneren Frieden wiederzufinden, singt nun der Engelschor in der Höhe: „Sehr gut, du tüchtiger und treuer Diener.“ (Matthäus 25:23.)

Der Glanz der Generalkonferenz spiegelt sich auch in den weisen Strophen der dort gesungenen Lieder. Die Lieder sind nicht einfach nur schön. Wie ich finde, werden sie vor allem von der Weisheit ihrer Texte getragen. Sakrale Lieder sind stets dichterische und melodische Meisterwerke, die – sobald wir sie singen und hören – unsere Seele beflügeln. Solche Lieder sind zugleich jedoch auch äußerst tiefgründige Meditation und erfordern immer, dass wir im Herzen über sie nachdenken und beten. Der Wortlaut ihrer Strophen soll uns Führung geben, uns Weisheit vermitteln – Heiliges und Göttliches. Kommen wir von der Weisheit der Lieder zu dem Glanz, welcher der Weisheit innewohnt, da nun Mitglieder der Kirche – Weise – vor alle hintreten und unser Leben mit einem wahrhaftigen Ruf aus tiefster Seele erleuchten. In einer Abfolge von Darbringungen großer Weisheit – anders lässt es sich nicht bezeichnen – beschenken weise und fromme Männer und Frauen die Menschheit mit einer Panoramatour durch das, was heilig ist, und breiten vor uns ein Universum wahren Lichts aus.

Liebe Freunde, lassen Sie mich zum Schluss noch konkret solch ein Geschenk erwähnen. Es dreht sich dabei um eine fromme Schwester, Studentin an der Brigham-Young-Universität, die mich mit ihren dankbaren Äußerungen aus tiefstem Herzen gesegnet hat. Ich denke oft an ihre Worte und zitiere sie gern.

Am Montag nach der Generalkonferenz – einem herrlichen Tag! – durfte ich dem Kurs von Professor David Seely zum Thema „Das Israel vor alters“ an der Brigham-Young-Universität in Provo beiwohnen. Er begann mit einem Eröffnungsgebet, das uns helfen sollte, unser Herz für Himmlisches zu öffnen – aus der Höhe wie im Inneren. Im Unterricht tauschten wir dann als Erstes unsere Gedanken über die Generalkonferenz aus und erzählten einander, inwiefern uns dieses besondere Geschenk genährt hatte. Nach meiner Schilderung einiger göttlicher Augenblicke, die ich bei der Konferenz erlebt hatte, meldete sich diese fromme Schwester, die Ihrer Kirche angehört, und sagte: „Danke, dass Sie mir in Erinnerung gerufen haben, wie schön mein Glaube ist.“ Ihre Worte klingen bis zum heutigen Tag in mir nach.

Ihnen, liebe Schwester, deren Namen ich leider nicht kenne, und der gesamten Gemeinschaft der Kirche Jesu Christi möchte ich im Gegenzug sagen: Danke Ihnen. Ich danke Ihnen für die Schönheit Ihres Glaubens. Danke, dass Sie mir in Erinnerung rufen: Glaube ist etwas Schönes. Danke, dass Sie mich daran erinnern und mich beflügeln, meinen eigenen Glauben beglückender zu leben und zum Ausdruck zu bringen. Danke, dass Sie mir das großartige Potenzial in Erinnerung rufen, das dem Glauben innewohnt und das sich durch ihn entfaltet. Ihr Glaube ist fürwahr den Nationen ein Licht und meinem Herzen ein hell leuchtender Stern.

Ihre Lebensart ist wie eine Melodie, durchwirkt von Wohlklang und Anmut. Diese Melodie inspiriert diejenigen, die ihr treu folgen, sich liebevoll dem Dienst am Nächsten zu widmen. Das ist Ihre Gabe, das ist Ihr Segen und Ihre Herrlichkeit als Heilige der Letzten Tage.

Jede Generalkonferenz ist Ausdruck dieser Herrlichkeit. Ich segne Sie bei allem, was Sie tun, während Sie „mit Glauben … zu jedem Volk der Erd“ gehen. „Gott sei mit euch bis aufs Wiedersehn.“

Schalom!

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