„Eine Gelegenheit, gemeinsam zu lernen und Fortschritt zu machen“, Für eine starke Jugend, April 2022
Hilfe fürs Leben
Eine Gelegenheit, gemeinsam zu lernen und Fortschritt zu machen
Wir können viel von Jugendlichen lernen, die in der Familie ein Geschwisterkind mit einer Behinderung haben
Nach einem harten Schultag kam Lucy S. (13, aus Utah) endlich nach Hause. Ihr Bruder David (12) bemerkte, dass sie aufgebracht war.
„Was ist denn los?“, fragte David. „Ist alles in Ordnung?“
Davids Anteilnahme freute Lucy wirklich. „Ich fühlte mich gleich viel besser“, erzählt sie. „David hat Autismus und lebt oft sehr in seiner eigenen Welt, aber wenn jemand traurig oder einsam ist, merkte er das und geht auf ihn zu. Er achtet viel auf andere. Das macht ihn einfach aus. Er ist ein lieber, aufrichtiger und ehrlicher Mensch.“
Wer wie Lucy mit einem Bruder oder einer Schwester mit einer Behinderung aufwächst, der weiß genau, wie schwierig das sein kann – aber auch, wie schön. Und welche Segnungen sich einstellen können. Von diesen Geschwistern können sie jede Menge lernen. Im Folgenden erfährst du einiges von dem, was diese Jugendlichen gelernt haben und was vielleicht ja auch dir eine Hilfe sein könnte.
Lerne deinen Bruder oder deine Schwester immer besser verstehen
Anela (14), Chiyo (11) und Daniel (10) von den Philippinen haben einen Bruder namens Bien (12), der an Zerebralparese leidet. Sie sehen in ihm einen ganz besonderen Menschen mit seinen ureigensten Stärken. Sie wünschten, andere könnten Bien so erleben, wie sie ihn sehen.
„In der Nähe unseres Hauses gibt es einen steilen Hügel, den meine Geschwister und ich ‚Berg‘ nennen“, erzählt Anela. „Wir fahren gern mit dem Fahrrad den Hügel hinauf und rasen dann hinunter. Bien fällt es schwer, nach oben zu kommen, also helfen wir ihm. Manchmal starren ihn die Leute an. Das stört mich immer. Aber Bien scheint es nichts auszumachen. Er lächelt und winkt ihnen im Vorbeigehen zu.
Ich wünschte, alle würden, wenn sie Bien sehen, merken, wie freundlich er ist und dass er gern mit anderen Menschen zusammen ist. Zuerst ist er schüchtern, aber sobald er sich an jemanden gewöhnt hat, geht er aus sich heraus. Er kann nicht alles machen, was Menschen mit einem gesunden Körper können, aber er lernt gern. Ich habe von Bien gelernt, dass wir nicht so sehr darauf bedacht sein sollen, was andere über uns denken, und außerdem auch, dass wir zu jedem freundlich sein sollen.“
Geduld ist wichtig
„Manchmal ist es schwer, mit David Geduld zu haben, besonders wenn er nicht zuhören will“, sagt Lucy. „Manchmal kann er gar nichts dafür, also will ich nicht wütend werden, aber ich möchte auch, dass er dazulernt und versteht. Es ist wichtig, da die richtige Balance zu finden. Dann weiß ich besser, wie ich meinen Bruder besser unterstützen kann.“
Chiyo hat festgestellt, dass es Bien beim Lernen hilft, wenn sie geduldig bleibt. „Ich bringe meinem Bruder das Alphabet, Farben, Zahlen und Tiere bei“, erzählt Chiyo. „Manchmal fällt es ihm schwer, Tiere zu erkennen. Wenn ich weiter mit ihm übe, bemerke ich aber, dass er sich verbessert. Ich nenne ein Tier und er zeigt auf ein Foto, und ein paar davon kriegt er auch schon richtig hin. Durch Bien weiß ich, dass Lernen Zeit braucht und dass es nicht so einfach ist, etwas Neues zu lernen. Aber wenn man Geduld hat und weiter übt, schafft man es irgendwann.“
Du kannst andere einbeziehen
„Ich finde es schön, dass meine Familie an meinen Bruder denkt, bevor wir eine Aktivität unternehmen, denn wir wollen ja, dass auch er dabei eine schöne Zeit hat“, sagt Anela. „Wir lassen Bien auch im Haushalt mithelfen“, ergänzt Chiyo. „Er kann seine Kleidung falten und den Boden fegen.“
Lucy erlebt auch, wie Lehrer und Freunde in der Kirche David aufnehmen. „Es ist schön, wenn die Leute mehr über Davids Interessen erfahren wollen“, sagt Lucy. „Im Moment mag er Star Wars sehr gerne, also sprechen ihn die Mitglieder darauf an. Sie wissen, dass er gern darüber spricht. Einer seiner Lehrer versucht sogar, Davids Interessen irgendwie in den Unterricht einfließen zu lassen. Dadurch kann David dem Unterricht besser folgen.“
Vielleicht sieht jemand ein wenig anders aus, macht irgendetwas anders oder hat andere Fähigkeiten – aber wir gehören alle dazu. Es gibt viele Möglichkeiten, wie man dazu beitragen kann, dass sich jeder einbezogen und wichtig fühlt. Je mehr wir uns bemühen, andere in unseren Kreis einzuschließen, desto mehr lernen und wachsen wir ja alle.