2004
Es war kein Opfer
März 2004


Es war kein Opfer

Als ich jung war, drehte sich meine Welt um meine Familie und meine Freunde. Doch als ich das Evangelium Jesu Christi annahm, änderte sich vieles. Freunde machten sich über mich lustig, weil ich nach dem Wort der Weisheit lebte, den Sabbat heilig hielt und mich bemühte, die Gebote zu halten. Einige Schulkameraden wollten nichts mehr mit mir zu tun haben. Meine Eltern wollten mir zunächst nicht erlauben, mich taufen zu lassen, und mein Vater sprach nicht einmal mehr mit mir. Man könnte glauben, dass solche Verluste ein großes Opfer für ein junges Mädchen darstellen. Doch Gott wusste, dass diese „Opfer“ um seiner Kirche und seines Reiches willen in Wirklichkeit keinen Verlust, sondern Gewinn bringen würden.

Der Herr hat gelehrt: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren bis ins ewige Leben.“ (Johannes 12:24,25.) Gewöhnlich definieren wir das, was wir verlieren, als Opfer und das, was wir dazubekommen, als Gewinn. Doch oftmals schaffen unsere Verluste die Grundlage für eine reiche Ernte in der Zukunft.

Einmal besuchte ein berühmter Arzt eine niedergeschlagene und mutlose alte Dame. Er stellte fest, dass sie einerseits einsam und von der Welt abgeschieden war, aber andererseits auch ein herrliches Gewächshaus hatte, in dem sie Usambaraveilchen züchtete. Der Arzt verschrieb dieser Frau ein besonderes „Medikament“: Sie sollte das Informationsblatt ihrer Kirche abonnieren und immer, wenn es eine Taufe oder Trauung gab oder wenn jemand krank war oder starb, ein Usambaraveilchen schicken. Die Frau befolgte den Rat ihres Arztes und verschenkte hunderte Topfpflanzen. Als sie starb, titelte die Zeitung: „Die Königin der Usambaraveilchen ist von uns gegangen und wird von Tausenden betrauert.“ Wie wurde aus dieser niedergeschlagenen alten Frau jemand, der von so vielen geliebt wurde? Indem sie für andere etwas aufgab und das, was sie hatte, nicht für sich behielt.

Manchmal ist es aber kein Besitz, den wir aufgeben müssen, sondern ein Lebenstraum. Ich bin in Taiwan aufgewachsen und hatte immer den Traum, einmal in England zur Schule zu gehen. Nachdem ich einen Universitätsabschluss erworben und in den USA studiert hatte, kehrte ich nach Hause zurück, um mich auf ein weiterführendes Studium in England vorzubereiten. Zur selben Zeit erhielt ich eine Berufung in der FHV. Zunächst wollte ich die Berufung nur für eine kurze Zeit ausüben – bis zum Zeitpunkt meiner Abreise nach England. Doch nach reiflicher Überlegung entschied ich, mein Auslandsstudium ein Jahr zu verschieben.

In dem Jahr, als ich mein Studium in England „opferte“, wurde ich sehr gesegnet. Eines Tages ging ich am schwarzen Brett in der Kirche vorbei und sah eine Mitteilung, dass die Übersetzungsabteilung der Kirche einen Leiter für das chinesische Übersetzungsbüro suchte. Der Heilige Geist drängte mich, mich zu bewerben, doch ich zögerte. Das Jahr war fast vorüber und es war an der Zeit, nach England zu gehen. Doch der Geist gab nicht nach, und so bewarb ich mich und wurde eingestellt. Für mich ist die Tätigkeit als Leiterin eines Übersetzungsbüros der Kirche mehr als nur ein Arbeitsplatz. Es ist ein großer Vorzug und ein Segen. Doch ich wäre nie in den Genuss dieses Segens gekommen, wäre ich nicht bereit gewesen, meinen Traum, in England zu studieren, aufzugeben.

Halten wir manchmal an dem einen Weizenkorn fest und wollen es nicht aufgeben, und am Ende bleibt uns nur ein einziges Korn? Oder vertrauen wir darauf, dass dieses einzelne Korn, wenn es einmal gepflanzt ist und umhegt wird, Frucht bringt? Es kann gewiss eine Prüfung sein, Freunde, Besitztümer oder Träume aufzugeben. Doch ich habe gelernt, dass wir mit Glauben an den Plan, den Gott für uns aufgestellt hat, vertrauensvoll unser Weizenkorn pflanzen können und uns einer reichen Ernte sicher sein können.

Cassandra Lin Tsai gehört zur Gemeinde Taipeh 2 im Pfahl Taipeh Mitte, Taiwan.