Ein Raubüberfall, ein Buch und ein Zeugnis
Ich bin in Chile zu Hause und bin Mitglied der Kirche, seit ich acht war. Ich hatte immer gewusst, dass ich der wahren Kirche angehöre, und meinte auch ein Zeugnis vom Buch Mormon zu haben. Aber dieses Zeugnis war nur geborgt. Obwohl ich den Wunsch dazu hatte, hatte ich das Buch Mormon nie ganz durchgelesen. Ich war nie über das 1. Buch Nephi hinausgekommen.
Am Abend des 4. Juli 2002 ging ich mit einer Freundin zum Institut, wo wir das Buch Mormon behandelten. Nach dem Unterricht blieben wir noch da und unterhielten uns, bis wir bemerkten, dass es spät geworden war. Gegen 22.15 Uhr machten wir uns auf den Heimweg. Als wir an die Stelle kamen, wo sich unsere Wege trennten, blieben wir stehen und sprachen weiter.
Zwei Männer, die vorbeikamen, fragten uns, wie spät es sei, aber wir waren so ins Gespräch vertieft, dass wir sie kaum hörten. Plötzlich kamen sie zurück. Einer der beiden packte mich mit den Armen und hielt mir ein Messer an den Hals. Dann ließ er mich los und bedrohte meine Freundin. Der andere Mann fragte uns, ob wir Geld dabei hätten. Wir verneinten das, und die Männer waren außer sich vor Wut. Sie verlangten unsere Jacken und unsere Rucksäcke.
Ich hatte mir die Jacke, die ich trug, lange Zeit gewünscht und hatte sie mir einen Monat zuvor endlich kaufen können. Ich hing auch an meinem Rucksack, den ich von meinem älteren Bruder geschenkt bekommen hatte. Meine Freundin hatte Hausaufgaben im Rucksack, die sie abgeben musste. Ich hatte wirklich Angst; ich konnte mich kaum rühren. Das war das erste Mal, dass man mich ausraubte.
Ohne zu zögern gaben wir den Männern unsere Sachen. Doch plötzlich sagte ich: „Warten Sie! Bitte lassen Sie mich mein Buch Mormon herausnehmen. Es ist das einzig Wertvolle, was ich habe!“ Der Räuber schaute mich erstaunt an und ließ mich das Buch herausnehmen. Dann flohen die beiden Männer.
Ich drückte das Buch an mich und vergaß alles andere. Ich verspürte Frieden, weil ich das kostbare Buch vor zwei Kriminellen gerettet hatte.
An diesem Abend beschloss ich, diesen Schatz, den ich da hatte, und all die Opfer, die die Menschen bringen mussten, die ihn ans Licht gebracht haben, mehr zu schätzen. Ich begann das Buch zu lesen und spürte unbeschreiblichen Frieden und außergewöhnliche Freude. Auf einmal bedeutete es mir so viel mehr. Ich las es innerhalb von zwei Monaten durch und erlangte schließlich für mich selbst ein Zeugnis davon.
Ich weiß zwar immer noch nicht, woher ich den Mut nahm, mein Buch zurückzuverlangen, aber ich werde nie bereuen, dass ich es getan habe. Ich hege keine schlechten Gefühle gegen die Räuber, denn dank dieses Erlebnisses habe ich das Zeugnis erlangt, das ich mir gewünscht hatte.
Dieses Zeugnis hat mich auch dazu motiviert, eine Mission zu erfüllen. Ich habe in Argentinien gedient, wo ich den Menschen vom Buch Mormon berichten und ihnen sagen konnte, wie wunderbar dieses Werk wirklich ist.