Gegenseitige Erbauung und gemeinsame Freude
Bitte denken Sie einmal über die folgenden Fragen und die entsprechenden Antworten aus den heiligen Schriften nach:
Wodurch wurden die Gadiantonräuber vernichtet?
„Und es begab sich: Die Lamaniten hetzten die Räuberbande Gadiantons; und sie predigten das Wort Gottes unter dem schlechteren Teil von ihnen, sodass diese Räuberbande unter den Lamaniten völlig vernichtet wurde.“ (Helaman 6:37.)
Was kann uns vor Versuchung und den feurigen Pfeilen des Widersachers schützen?
„Wer auf das Wort Gottes [hört] und daran [festhält], der [wird] niemals zugrunde gehen; auch [können] die Versuchungen und die feurigen Pfeile des Widersachers sie nicht mit Blindheit schlagen, um sie weg ins Verderben zu führen.“ (1 Nephi 15:24.)
Was beeinflusst unser Denken mehr als drohender Tod oder Krieg?
„Und nun, da das Predigen des Wortes sehr dazu führte, dass das Volk das tat, was gerecht war – ja, es hatte eine mächtigere Wirkung auf den Sinn des Volkes gehabt als das Schwert oder sonst etwas, was ihnen zugestoßen war –, darum dachte Alma, es sei ratsam, dass sie die Kraft des Gotteswortes erprobten.“ (Alma 31:5.)
Was bringt uns dazu, uns miteinander zu freuen?
„Darum verstehen der, der predigt, und der, der empfängt, einander, und beide werden erbaut und freuen sich miteinander.“ (LuB 50:22.)
Interessanterweise fällt die Antwort auf all diese Fragen gleich aus: die Macht des Gotteswortes! Das ist es, was uns in die Lage versetzt, unsere Kinder zu schützen und die großen Herausforderungen der Letzten Tage zu meistern, sei es in unserem eigenen Leben, in der Familie oder in der Welt.
Wie erlangen wir also die Segnungen, die uns dank der Macht des Gotteswortes offenstehen? Gewiss ist es entscheidend, dass man sich selbst intensiv damit befasst. Doch große Macht wird uns auch zuteil, wenn wir lernen, das Wort durch den Geist zu lehren und zu empfangen. Auf diese Weise „werden [wir] erbaut und freuen [uns] miteinander“.
Wie man das Wort durch den Geist empfängt
Der Aufgabe des Lehrers im Evangeliumsunterricht wird große Aufmerksamkeit geschenkt, und das ist auch richtig so. Aber wir müssen uns ebenso gründlich mit unserer Rolle als Lernende befassen.
An einem Sonntag vor einigen Jahren, als ich Gebiets-Siebziger war, war ich mit dem örtlichen Missionspräsidenten unterwegs, um Versammlungen mit verschiedenen Gruppen abzuhalten. Vor der letzten Versammlung waren wir beide erschöpft. Wir hatten über 480 Kilometer zurückgelegt und mehrere Male gesprochen. Wir begannen die Versammlung und hielten uns an dieselbe Agenda wie in den vorangegangenen Versammlungen.
Doch als wir sprachen, geschah etwas Wunderbares. Der Geist war deutlicher zu spüren und die Unterweisung und das Lernen erreichten ein neues Niveau, das die ganze Versammlung über beibehalten wurde. Später sagten wir zueinander: „Das war wunderbar. Das war die beste Versammlung des Tages!“
Was war anders gewesen? Es hatte nicht an uns gelegen. Wir waren nicht von einem Moment zum anderen brillanter, redegewandter oder geistiger geworden. Wir waren höchstens von den Strapazen des Tages ausgelaugt gewesen. Wir hatten dieselben Themen behandelt wie in den anderen Versammlungen.
Als wir uns darüber unterhielten, kamen wir zu dem Schluss, dass die Menschen, die an der letzten Versammlung teilgenommen hatten, demütiger und geistig besser vorbereitet gewesen waren. Deshalb waren sie offener gewesen und hatten nach dem Wort gehungert, und so konnten wir ein besseres Werkzeug in der Hand des Herrn sein, um sie zu segnen. Sie hatten viel mehr als wir den Ausschlag dafür gegeben, dass die Versammlung ein Erfolg war.
Ich habe seither viele Beispiele dafür entdeckt, wie dieser Grundsatz in der Praxis funktioniert. Nirgendwo wird er eindrucksvoller vermittelt als im irdischen Wirken des Herrn selbst. Im Matthäus-Evangelium lesen wir, dass der Erretter, als er in seine Heimatstadt kam, „wegen ihres Unglaubens … dort nur wenige Wunder [tat]“ (Matthäus 13:54,58). Da hat man das Gefühl, man könne hören, wie Moroni im Hintergrund verkündet: „[Ich] möchte … euch ermahnen, die Macht Gottes nicht zu leugnen; denn er wirkt durch Macht gemäß dem Glauben der Menschenkinder, heute und morgen und immerdar gleich.“ (Moroni 10:7; Hervorhebung hinzugefügt.)
Nun möchte ich Sie bitten, darüber nachzudenken, was dieser Grundsatz mit Ihrer Fähigkeit zu tun hat, in einer Klasse oder in einer Abendmahlsversammlung am Sonntag schöne geistige Erlebnisse zu haben. Welche Aufgabe haben Sie dabei, eine Atmosphäre zu schaffen, in der der Geist Sie das lehren kann, was Sie wissen müssen? Wenn Sie sich in einem Unterricht in der Kirche oder in einer Abendmahlsversammlung langweilen, liegt das dann mehr am Lehrer oder mehr an Ihnen selbst?
Denken Sie darüber nach, was Präsident Spencer W. Kimball (1895–1985) antwortete, als ihn jemand fragte: „Was tun Sie, wenn Sie merken, dass Sie in einer langweiligen Abendmahlsversammlung sitzen?“ Präsident Kimball dachte einen Moment nach und erwiderte: „Ich weiß nicht, ich war noch nie in einer.“1 Präsident Kimball hatte lange Jahre Erfahrung in der Kirche und war ganz gewiss in vielen Versammlungen gewesen, in denen Mitglieder ihre Ansprache abgelesen, mit monotoner Stimme gesprochen oder, statt das Evangelium zu lehren, einen Reisebericht gegeben haben. Höchstwahrscheinlich wollte er damit deutlich machen, dass er nicht zur Abendmahlsversammlung ging, um sich unterhalten zu lassen, sondern um den Herrn zu verehren, seine Bündnisse zu erneuern und aus der Höhe belehrt zu werden. Wenn er mit einem offenen Herzen sowie dem Wunsch, „durch das gute Wort Gottes genährt“ zu werden (Moroni 6:4), hinging und für die Sprecher betete, statt sie zu kritisieren, tat ihm der Geist kund, was er tun musste, um ein besserer und treuerer Jünger zu sein. Präsident Kimball vermittelte, dass man durch den Geist lernen muss.
Im Buch Lehre und Bündnisse belehrt uns der Herr über das Lehren und auch das Lernen durch den Geist:
„Wahrlich, ich sage euch: Wer von mir ordiniert und ausgesandt ist, das Wort der Wahrheit durch den Tröster zu predigen, im Geist der Wahrheit, predigt er es durch den Geist der Wahrheit oder auf eine andere Weise?
Und wenn es auf eine andere Weise geschieht, ist es nicht von Gott.
Und weiter: Wer das Wort der Wahrheit empfängt, empfängt er es durch den Geist der Wahrheit oder auf eine andere Weise?
Wenn es auf eine andere Weise geschieht, ist es nicht von Gott.
Wie kommt es also, dass ihr nicht verstehen und erkennen könnt, dass der, der das Wort durch den Geist der Wahrheit empfängt, es so empfängt, wie es durch den Geist der Wahrheit gepredigt wird?
Darum verstehen der, der predigt, und der, der empfängt, einander, und beide werden erbaut und freuen sich miteinander.“ (LuB 50:17-22.)
Beachten Sie: Er sagt, wenn wir auf eine andere Weise lehren oder empfangen als durch den Geist, ist es nicht von Gott. Allein der Geist weiß alles, was wir denken, was wir spüren und was wir brauchen. Nur er kann jedem von uns dank der vollkommenen Weisheit Gottes konkret und persönlich mitteilen, was er wissen muss.
Als Lernende können wir nicht erwarten, dass man uns ständig unterhält, immer wieder unser Gefühl anspricht oder uns das Mitdenken erspart. Wir müssen selbst die Initiative ergreifen und uns gebeterfüllt für konkrete Inspiration des Geistes bereitmachen, die uns hilft, uns den ganz eigenen Herausforderungen unseres Lebens zu stellen, und nach ihr trachten. Wie gut wir lernen, darf nicht davon abhängen, ob der Unterricht von einem Institutslehrer mit 20 Jahren Erfahrung oder einem neu bekehrten Klempner, der noch nie vor einer Klasse gestanden hat, gehalten wird. Petrus war Fischer, und Joseph Smith hatte nicht mehr Schulbildung als jemand in der 3. Klasse. Wir sollen uns vom Geist unterrichten lassen, und wie fähig wir sind, ihn zu empfangen, ist allein unsere Sache.
Wir müssen suchen und bitten
Wie können wir das Wort nun durch den Geist empfangen? Ich schlage zweierlei vor: die Verantwortung für unser Lernen übernehmen und gläubig Fragen stellen.
Die erste Anregung stammt von Alma: „Wenn ihr eure Geisteskraft weckt und aufrüttelt, um mit meinen Worten auch nur einen Versuch zu machen, und zu einem kleinen Teil Glauben ausübt, ja, selbst wenn ihr nicht mehr könnt, als dass ihr den Wunsch habt zu glauben, dann lasst diesen Wunsch in euch wirken, ja, bis ihr auf eine Weise glaubt, sodass ihr einem Teil meiner Worte Raum geben könnt.“ (Alma 32:27.)
Wir können nicht leichtfertig mit Evangeliumswissen umgehen und dann erwarten, die Kraft des Wortes zu erlangen. Wir müssen unsere Geisteskraft „wecken“ und „aufrütteln“. Wir müssen mit den Worten des Herrn „einen Versuch machen“. Wir müssen Glauben ausüben. Wir müssen den Wunsch haben, zu glauben. Wir müssen diesen Wunsch „in uns wirken lassen“ und „einem Teil der Worte des Herrn Raum geben“. Sie erkennen sicher, dass Alma nicht davon spricht, sich am Sonntag sehen zu lassen und darauf zu warten, dass einen der Lehrer unterhält. Er lehrt uns, dass wir selbst die Verantwortung dafür übernehmen müssen, wie wir lernen, und uns gläubig darum bemühen müssen, die Macht des Wortes zu erlangen.
Die zweite Anregung stammt von Jakobus, aus den heiligen Worten, die Joseph Smith dazu veranlasst haben, in den heiligen Hain zu gehen:
„Fehlt es aber einem von euch an Weisheit, dann soll er sie von Gott erbitten; Gott wird sie ihm geben, denn er gibt allen gern und macht niemand einen Vorwurf.
Wer bittet, soll aber voll Glauben bitten und nicht zweifeln; denn wer zweifelt, ist wie eine Welle, die vom Wind im Meer hin und her getrieben wird.“ (Jakobus 1:5,6.)
Der Herr legt uns immer wieder nahe, zu bitten, zu suchen und anzuklopfen. Dabei verheißt er uns, dass wir empfangen und finden und dass uns Türen der Offenbarung geöffnet werden. Der Herr hat es so vorgesehen, dass wir den Geist einladen, uns zu führen, indem wir gläubig Fragen stellen. Denken Sie nur an einige der vielen Fragen, die Joseph Smith durch den Kopf gingen, als er die Worte des Jakobus las:
„Inmitten dieses Wortkriegs und Tumults der Meinungen sagte ich mir oft: Was ist da zu tun? Welche von allen diesen Parteien hat Recht, oder haben sie allesamt Unrecht? Falls eine von ihnen Recht hat, welche ist es, und wie soll ich sie erkennen?“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:10.)
Die Worte des Jakobus drangen Joseph „mit … Macht ins Herz“ (Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:12), weil er sich mit Fragen auseinandersetzte.
Was für Fragen können wir also stellen? Nehmen wir einmal an, Sie sollen eine Sonntagsschulklasse besuchen, in der diese Verse aus dem Jakobusbrief behandelt werden. Während Sie sich auf den Unterricht vorbereiten – oder vielleicht auch, wenn Sie in der Klasse über diese Verse nachdenken –, können Sie sich zum Beispiel über folgende Fragen Gedanken machen:
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Wer war Jakobus? Welche Fragen oder Umstände haben ihn zu dieser besonderen Aussage bewogen?
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Was ist Weisheit?
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Was bedeutet es, „voll Glauben [zu] bitten“?
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Kann ich Fragen über etwas stellen, was ich nicht verstehe, und dennoch bitten, ohne zu zweifeln? Wann und warum habe ich Zweifel? Welche Entscheidungen kann ich treffen, die mir helfen, nicht zu zweifeln?
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Unter welchen Umständen hatte ich schon einmal das Gefühl, „vom Wind … hin und her getrieben“ zu werden? Was kann ich daraus lernen, was mir dabei hilft, voll Glauben zu bitten?
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Welche Lehren oder Grundsätze werden in diesen Versen vermittelt? Wo werden diese Grundsätze in den heiligen Schriften noch angesprochen?
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Welchen Bezug haben diese Grundsätze zum Leben und zur Mission des Erretters? Wie können sie mir helfen, ihm näherzukommen?
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Wie können diese Grundsätze mir oder jemandem, der mir nahe steht, helfen, mit konkreten Herausforderungen und Möglichkeiten umzugehen?
Wenn wir unseren Teil tun, inspirierte Fragen stellen und aufrichtig nach Führung trachten, laden wir den Geist ein, uns durch die Macht des Wortes zu unterweisen.
Durch den Geist lehren
Der Herr hat gesagt, dass wir das Wort nicht nur durch den Geist empfangen sollen, sondern dass wir auch durch den Geist lehren sollen. Was bedeutet das?
Vielleicht haben Sie schon einmal jemanden im Gang auf dem Weg zum Unterricht gesehen (oder waren schon einmal selbst so ein Lehrer), der einen flüchtigen Blick in den Leitfaden wirft und sagt: „Ich hatte keine Zeit, mich vorzubereiten, ich muss eben durch den Geist lehren.“ Oder Sie haben schon einmal jemanden gesehen (oder haben es selbst so gehalten), der über Wochen eine abgerundete Lektion mit ausführlichen Handzetteln, zahlreichen visuellen Hilfsmitteln und einem genauen Text vorbereitet hat, anhand dessen er „durch den Geist lehren“ wollte.
Ich meine, keine dieser beiden Vorgehensweisen ist das, was der Herr möchte.
Der Maßstab für guten Unterricht in der Kirche ist in den heiligen Schriften festgesetzt und in der Anleitung Verkündet mein Evangelium! erneut unterstrichen worden. Wir sind aufgefordert, „zuerst danach [zu trachten], das … Wort [des Herrn] zu erlangen“ (LuB 11:21), wir sollen uns also gründlich vorbereiten, indem wir studieren, bitten, nach Antworten auf gläubig vorgetragene Fragen suchen und Unterrichtskonzepte erstellen. Dann müssen wir uns im eigentlichen Unterricht ganz dem Geist öffnen, damit er uns leiten kann, was wir sagen und tun sollen.
Präsident Gordon B. Hinckley hat vor einiger Zeit in einer weltweiten Führerschaftsschulung den folgenden Vers aus dem Buch Lehre und Bündnisse zitiert:
„Sorgt euch auch nicht im Voraus, was ihr sagen sollt; sondern häuft in eurem Sinn beständig die Worte des Lebens auf wie einen Schatz, dann wird euch zur selben Stunde das Maß eingegeben werden, das einem jeden zugemessen werden soll.“ (LuB 84:85.)
Dann sagte er: „Das ist der Rat des Herrn. Man kann ihn nicht ungestraft abtun.“2
Wir müssen in unserem Sinn „beständig die Worte des Lebens [aufhäufen] wie einen Schatz“ – also lesen, studieren, den Herrn befragen und uns vorbereiten – und darauf vertrauen, dass der Geist uns „zur selben Stunde das Maß [eingeben wird], das einem jeden zugemessen werden soll“. Das ist immer gültig, ob wir nun eine Klasse unterrichten oder in der Abendmahlsversammlung oder bei einer Pfahlkonferenz eine Ansprache halten. Einen wesentlichen Unterschied gibt es allerdings: Ein Lehrer hält in der Klasse nur selten einen Vortrag, und ein Redner leitet in der Abendmahlsversammlung oder in der Sonntagsversammlung der Pfahl- oder Distriktskonferenz kein Unterrichtsgespräch.
Im Unterricht bedeutet Lehren durch den Geist in erster Linie, dass man eine Atmosphäre schafft, in der der Geist zugegen sein kann, und dass man inspirierte Fragen stellt, damit wir „einander die Lehre des Reiches … lehren“ können (LuB 88:77).
Elder Richard G. Scott vom Kollegium der Zwölf Apostel hat über den Unterricht in der Klasse gesagt: „Geben Sie niemals – ich wiederhole: niemals – eine Lektion, an der die Schüler sich nicht beteiligen können. Ein Redemarathon ist die schwächste Form des Unterrichts. … Sorgen Sie dafür, dass rege Beteiligung zustande kommt, denn wenn ein Schüler seine Handlungsfreiheit so ausübt, kann der Heilige Geist ihn direkt unterweisen. Außerdem hilft es dem Schüler, Ihre Botschaft nicht zu vergessen. Wenn er Wahrheiten ausspricht, werden ihm diese in der Seele bestätigt. Sein Zeugnis wird dadurch gestärkt.“3
Auch zu Hause soll durch den Geist gelehrt werden. Es gibt zwar einige regelmäßige Zeiten, zu denen wir strukturiert lehren, beispielsweise das gemeinsame Schriftstudium oder den Familienabend, doch am meisten lehren wir bei unerwarteten Gelegenheiten und durch unser Beispiel. Auch hier gilt der Grundsatz: Die Eltern sollen „beständig die Worte des Lebens [aufhäufen] wie einen Schatz“, damit sie bereit und empfänglich für den Geist sind, wenn sich die Gelegenheit ergibt, zu lehren.
Wenn wir dem Plan des Herrn folgen und das Wort durch den Geist lehren und empfangen, werden wir wahrlich erbaut und freuen uns miteinander – in unserer eigenen Familie und in der größeren Familie Gottes.