2013
Wir sind Töchter unseres himmlischen Vaters
Mai 2013


Wir sind Töchter unseres himmlischen Vaters

Als Töchter Gottes sind wir alle einzigartig und unterscheiden uns hinsichtlich unserer Lebensumstände und Erfahrungen. Doch unsere Rolle ist wichtig – weil wir wichtig sind.

Jede Woche sagen Junge Damen auf der ganzen Welt den Leitgedanken der Jungen Damen auf. In welcher Sprache ich diese Worte auch höre – „Wir sind Töchter unseres himmlischen Vaters, der uns liebt und den wir lieben“1 –, jedes Mal bestätigt der Geist meiner Seele, dass sie wahr sind. Das ist nicht nur eine Bestätigung unserer Identität – wer wir sind –, sondern auch eine Bestätigung dafür, wem wir gehören. Wir sind Töchter eines erhöhten Wesens!

In jedem Land und auf jedem Kontinent begegne ich selbstsicheren, wortgewandten Jungen Damen, die von Licht erfüllt sind, durch harte Arbeit und Prüfungen geläutert wurden und die reinen und schlichten Glauben besitzen. Sie sind tugendhaft. Sie halten Bündnisse und treten damit „allzeit und in allem und überall … als Zeugen Gottes [auf]“2. Sie wissen, wer sie sind, und sie spielen eine bedeutende Rolle dabei, das Reich Gottes zu errichten.

Während meines Studiums war ich Mitglied der „International Folk Dancers“, eines Folklore-Tanzensembles der BYU. Eines Sommers wurde unserer Gruppe die besondere Ehre zuteil, die Missionen in Europa zu bereisen. Dieser Sommer war für mich sehr schwierig, weil einige Monate zuvor mein Vater unerwartet verstorben war. Als wir in Schottland waren, fühlte ich mich besonders allein, und Niedergeschlagenheit überkam mich. An diesem Abend traten wir in einem Gemeindehaus auf und gingen nach der Vorstellung zum Missionsheim direkt nebenan. Als ich den Weg zum Hauseingang emporging, fiel mein Blick auf einen Stein, der neben dem Tor in einem gut gepflegten Garten aufgestellt war. Darauf stand die Inschrift: „Welche Rolle du auch spielst – sieh zu, dass du sie gut erfüllst.“ In dem Moment drangen mir diese Worte tief ins Herz und ich spürte, dass die Mächte des Himmels sich meiner annahmen und mir etwas mitteilten. Ich wusste, dass ein liebevoller Vater im Himmel mich kannte. Ich spürte, dass ich nicht allein war. Ich stand dort im Garten und hatte Tränen in den Augen. „Welche Rolle du auch spielst – sieh zu, dass du sie gut erfüllst.“ Dieser einfache Spruch führte mir erneut vor Augen, dass der Vater im Himmel mich kannte und einen Plan für mein Leben hatte, und der Geist, den ich dabei verspürte, ließ mich erkennen, dass ich keine unwichtige Rolle darin spielte.

Später erfuhr ich, dass dieser Spruch einst auch den Propheten David O. McKay motiviert hatte, als er als junger Missionar in Schottland diente. Er hatte ihn in einer bedrückenden Phase seines Lebens und seiner Mission auf einem Stein an einem Gebäude entdeckt, und die Worte richteten ihn wieder auf. Als das Gebäude Jahre später abgerissen wurde, sorgte er dafür, dass der Stein angekauft und im Garten des Missionsheims aufgestellt wurde.3

Als Töchter Gottes sind wir alle einzigartig und unterscheiden uns hinsichtlich unserer Lebensumstände und Erfahrungen. Doch unsere Rolle ist wichtig – weil wir wichtig sind. Was wir täglich dazu beitragen, andere zu versorgen, ihnen etwas beizubringen und uns ihrer anzunehmen, mag mitunter banal, geringfügig, schwierig oder gar erniedrigend erscheinen, doch wenn wir an die erste Zeile des Wahlspruchs der Jungen Damen denken – „Wir sind Töchter des himmlischen Vaters, der uns liebt“ –, ändern sich unsere Beziehungen und unsere Einstellung völlig.

Vor kurzem verstarb meine wunderbare Mutter mit 92 Jahren. Sie verließ dieses Erdenleben so, wie sie immer gelebt hatte: ganz still. Ihr Leben verlief nicht so, wie sie es geplant hatte. Ihr Ehemann, mein Vater, verstarb mit 45 Jahren und ließ sie mit drei Kindern zurück: meinen zwei Brüdern und mir. Sie war 47 Jahre lang Witwe. Sie sorgte für den Unterhalt unserer Familie, indem sie tagsüber als Lehrerin in der Schule arbeitete und abends Klavierunterricht gab. Sie kümmerte sich auch um ihren Vater, meinen Großvater, als dieser älter wurde. Er wohnte nebenan. Sie sorgte dafür, dass wir alle eine Hochschulausbildung erhielten. Darauf hatte sie bestanden, damit wir eines Tages „unseren Beitrag leisten“ könnten. Und sie beklagte sich nie. Sie hielt ihre Bündnisse, und damit rief sie die Mächte des Himmels herab, die unsere Familie segneten und Wunder wirkten. Sie verließ sich auf die Macht des Gebets, das Priestertum und die Verheißungen, die auf Bündnissen beruhen. Sie diente treu dem Herrn. Ihre unerschütterliche Hingabe gab uns, ihren Kindern, Halt. Sie zitierte oft diese Schriftstelle: „Ich, der Herr, bin verpflichtet, wenn ihr tut, was ich sage; tut ihr aber nicht, was ich sage, so habt ihr keine Verheißung.“4 Das war ihr Wahlspruch, und sie wusste, dass er stimmt. Sie wusste, was es bedeutet, Bündnisse zu halten. Sie wurde von der Welt nie beachtet. Sie wollte das auch gar nicht. Sie wusste genau, wer sie war und wem sie gehörte – eine Tochter Gottes. Man kann über unsere Mutter wahrhaftig sagen, dass sie ihre Rolle gut erfüllt hat.

Über Frauen und Mütter hat Präsident Gordon B. Hinckley einmal gesagt:

„Wir dürfen … nie aus dem Auge verlieren, wie stark die Frau ist. … Die Mutter ist es, die ganz unmittelbar Einfluss auf ihre Kinder ausübt. … Die Mutter ist es, die sie auf die Weise des Herrn hegt und großzieht. In erster Linie ist sie es, die Einfluss ausübt. …

[Die Mütter] erschaffen Leben. Sie hegen die Kinder. Sie unterweisen die Jungen Damen. Sie sind uns als Gefährtinnen unentbehrlich. Sie sind unsere Mitarbeiterinnen beim Aufbau des Gottesreichs. Wie großartig ist doch ihre Rolle, wie wunderbar, was sie leisten.“5

Wie also pflanzen eine Mutter und ein Vater ihrer Tochter die erhebende und ewige Wahrheit ins Herz, dass sie eine Tochter Gottes ist? Wie helfen wir ihr, aus der Welt herauszutreten und das Reich Gottes zu betreten?

In einer Welt, die auf das sittliche Empfinden abstumpfend wirkt, brauchen Junge Damen Frauen und Männer, die „allzeit und in allem und überall … als Zeugen Gottes [auftreten]“. Noch nie war das so wichtig wie heute. Junge Damen brauchen Mütter und Betreuerinnen, die vorbildlich darin sind, wie man als Frau tugendhaft lebt. Mütter, Ihre Beziehung zu Ihrer Tochter ist von höchster Bedeutung, und ebenso wichtig ist Ihr Beispiel. Die Art und Weise, wie Sie ihrem Vater, seinem Priestertum und seiner gottgegebenen Aufgabe Liebe und Achtung entgegenbringen, wird sich in der Einstellung und dem Verhalten Ihrer Tochter widerspiegeln, vielleicht sogar in verstärktem Maße.

Worin besteht die Rolle, die wir alle gut erfüllen müssen? In der Proklamation zur Familie heißt es unmissverständlich:

„Gott hat es so vorgesehen, dass der Vater in Liebe und Rechtschaffenheit über die Familie präsidiert und dass er die Pflicht hat, dafür zu sorgen, dass die Familie alles hat, was sie zum Leben und für ihren Schutz braucht. Die Mutter ist in erster Linie für das Umsorgen und die Erziehung der Kinder zuständig. Vater und Mutter müssen einander in diesen heiligen Aufgaben als gleichwertige Partner zur Seite stehen. …

Wir weisen warnend darauf hin, dass jemand, der die Bündnisse der Keuschheit verletzt, der seinen Ehepartner oder seine Nachkommen misshandelt oder missbraucht oder seinen familiären Verpflichtungen nicht nachkommt, eines Tages vor Gott Rechenschaft ablegen muss.“6

Mormon beklagte in der dekadenten Gesellschaft seiner Zeit, dass die Frauen dessen beraubt wurden, was vor allem anderen höchst teuer und kostbar ist, nämlich ihrer Keuschheit und Tugend.7

Noch einmal rufe ich dazu auf, zur Tugend zurückzukehren. Tugendhaftigkeit ist die Kraft und Stärke der Töchter Gottes. Wie würde die Welt wohl aussehen, wenn man der Tugendhaftigkeit – also einer Denk- und Verhaltensweise, die auf hohen moralischen Grundsätzen beruht8 – in unserer Gesellschaft wieder einen hohen Stellenwert einräumte? Wenn Unsittlichkeit, Pornografie und Missbrauch zurückgingen, gäbe es dann vielleicht weniger gescheiterte Ehen, zerstörte Existenzen und gebrochene Herzen? Würden die Medien Gottes kostbare Töchter dann wohl erheben und stärken, anstatt sie zu verdinglichen und herabzuwürdigen? Wenn die gesamte Menschheit die Bedeutung der Aussage „Wir sind Töchter des himmlischen Vaters“ wirklich erfassen würde, wie würde man Frauen dann wohl betrachten und behandeln?

Als vor etlichen Jahren dieses Konferenzzentrum erbaut wurde und kurz vor der Fertigstellung stand, betrat ich dieses heilige Gebäude auf der Balkon-Ebene mit Schutzhelm und Schutzbrille, weil ich den Teppichboden saugen wollte, den zu verlegen mein Mann half. Dort, wo sich jetzt das Podium befindet, schob damals ein Schaufellader Bauschutt zusammen. Das wirbelte viel Staub im Gebäude auf. Dieser setzte sich auf dem neuen Teppichboden ab. Meine Rolle war es, Staub zu saugen. Und so saugte und saugte und saugte ich. Nach drei Tagen gab mein kleiner Staubsauger den Geist auf!

Am Nachmittag vor der ersten Generalkonferenz in diesem schönen Gebäude rief mich mein Mann an. Er ging gerade daran, das letzte Stück Teppichboden zu verlegen, und zwar unter diesem historischen Rednerpult.

Er fragte mich: „Welche Schriftstelle soll ich denn auf die Rückseite dieses Teppichstücks schreiben?“

Und ich antwortete: „Mosia 18:9: ‚[Tretet] allzeit und in allem und überall … als Zeugen Gottes auf.‘“

In dieser Welt mit ihren außerordentlichen Herausforderungen ist es genau das, was ich bei den Jungen Damen und allen Frauen dieser Kirche beobachten kann. Sie bewirken Gutes. Sie sind tugendhaft und vorbildlich, intelligent und fleißig. Sie verändern diese Welt, denn sie sind anders. Sie erfüllen ihre Rolle gut.

Als ich vor Jahren diesen Teppichboden saugte und mich dabei bemühte, meine kleine Rolle gut auszufüllen, ahnte ich noch nicht, dass ich eines Tages mit meinen Füßen auf dem Teppich, der unter diesem Pult liegt, stehen würde.

Heute gebe ich als Tochter Gottes Zeugnis, dass Gott lebt. Jesus ist der Messias. Er ist unser Erlöser. Dank seines unbegrenzten Sühnopfers werde ich eines Tages zu ihm zurückkehren und bei ihm leben – bewährt, rein und an eine ewige Familie gesiegelt. Ich werde den Herrn auf ewig dafür preisen, dass ich Frau, Ehefrau und Mutter sein darf. Ich bezeuge, dass wir von einem Propheten Gottes, Präsident Thomas S. Monson, geführt werden, und bin dankbar für rechtschaffene Männer, deren Priestertumsmacht in meinem Leben ein Segen ist. Und ich werde immer für die Kraft dankbar sein, die ich durch die helfende Macht, die dem unbegrenzten Sühnopfer des Erretters entspringt, empfange, solange ich mich bemühe, meine Rolle gut zu erfüllen. Im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. Mein Fortschritt, Broschüre für Junge Damen, 2009, Seite 3

  2. Mosia 18:9

  3. Siehe Matthew O. Richardson, „‚What E‘er Thou Art, Act Well Thy Part‘: John Allan’s Albany Crescent Stone“, Journal of Mormon History, 33. Jahrgang, Herbst 2007, Seite 31–61; Francis M. Gibbons, David O. McKay: Apostle to the World, Prophet of God, 1986, Seite 45

  4. Lehre und Bündnisse 82:10

  5. Gordon B. Hinckley, „Ein fester und unerschütterlicher Stand“, Weltweite Führerschaftsschulung, 10. Januar 2004, Seite 21

  6. „Die Familie – eine Proklamation an die Welt“, Liahona, November 2010, Umschlagrückseite

  7. Siehe Moroni 9:9

  8. Siehe Mein Fortschritt, Seite 70