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Sechs Anregungen, wie man mit Kindern über emotionale Widerstandskraft sprechen kann
Juli 2024


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Sechs Anregungen, wie man mit Kindern über emotionale Widerstandskraft sprechen kann

Sich in emotionaler Widerstandskraft zu üben, kann in Ihrer Familie in den Alltag integriert werden

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Eine Familie mit zwei kleinen Kindern spielt zusammen

Emotionale Widerstandskraft bedeutet, dass man „fähig ist, sich seelischen Problemen mutig und mit einem auf Jesus Christus ausgerichteten Glauben zu stellen“.

Emotionale Widerstandskraft entspringt unseren gottgegebenen inneren Stärken, die mit unserer Lebenserfahrung wachsen und sich aus der Beziehung zum Herrn entwickeln. In Bezug auf emotionale Widerstandskraft hat die Erste Präsidentschaft dazu aufgefordert, „sich gründlich mit diesen Grundsätze zu befassen, sie anzuwenden und sie Ihren Angehörigen nahezubringen“, und uns verheißen: „Wenn man diese Grundsätze [emotionaler Widerstandskraft] annimmt und sie lebt, ist man besser dazu imstande, die Stärke zu erlangen, die der Herr verheißen hat.“

Wie man ins Gespräch einsteigt

Wer dieser Aufforderung nachkommen und seinen Angehörigen emotionale Widerstandskraft vermitteln will, weiß manchmal gar nicht, wo er anfangen soll. Hier sind ein paar Möglichkeiten zum Einstieg in solche Gespräche im Alltag:

1. Gehen Sie mit gutem Beispiel voran

Wir sind angehalten, Gott um alles anzurufen, was wir brauchen (siehe Alma 37:36). Wir können unseren Kindern vorleben, wie man mit Sorgen und Nöten zum Vater im Himmel geht und wie man durch dessen Liebe und Führung zu Gelassenheit und innerer Stärke findet. Wir können um Kraft und jenen Frieden beten, der uns dank des Sühnopfers durch die helfende Macht Jesu Christi zuteilwird. Wenn unsere Kinder hören, wie wir im Gebet Zuversicht und Gelassenheit ausdrücken, wenden auch sie sich eher vertrauensvoll und getrost ihm zu.

So wie wir uns an den Vater im Himmel wenden, um Gedanken und Gefühle zu äußern und ihn um Hilfe und Führung zu bitten, können auch wir seine Liebe weiterreichen und für unsere Kinder ein sicherer Hafen sein – jemand, bei dem sie sich sicher fühlen und an den sie sich wenden können, was auch immer sie bewegen mag. Zeigen Sie Ihren Kindern, wie sie in der liebevollen Beziehung zu Ihnen mit ihren Gefühlen umgehen, und beten Sie bei Bedarf mit Ihren Kindern um Führung und Kraft vom Vater im Himmel, wenn sie in emotioneller Hinsicht Hilfe brauchen.

2. Seien Sie für Ihr Kind da und hören Sie zu

„Die Zeit zum Zuhören ist dann da, wenn jemand einen Zuhörer braucht“, erklärt Präsident Russell M. Nelson. Weiter führt er aus:

„Ein Kind erzählt von Natur aus bereitwillig von seinen Erlebnissen – von Triumph und Freude und von Prüfungen und Kummer. Hören wir genauso bereitwillig zu? Wenn unser Kind von seinen Nöten erzählt, können wir uns dann ein schockierendes Erlebnis mit offenem Herzen anhören, ohne selbst schockiert zu sein? Können wir zuhören, ohne zu unterbrechen und ohne übereilte Beurteilungen abzugeben, die jedes offene Gespräch unmöglich machen? Ein solches Gespräch ist nur möglich, wenn wir die tröstliche Gewissheit vermitteln, dass wir an unser Kind glauben und seine Gefühle verstehen. Ein Erwachsener darf nicht so tun, als sei etwas gar nicht geschehen, nur weil er es sich so wünscht. …

Die Eltern von Jugendlichen machen oft die Erfahrung, dass ihre Kinder, wenn sie sich einsam fühlen oder durcheinander sind, oft gerade dann einen Zuhörer brauchen, wenn es denn Eltern gar nicht passt. Und wenn sie Zuwendung am wenigsten zu verdienen scheinen, brauchen sie vielleicht am allermeisten.“

Auch Schwester Joy D. Jones, ehemalige Präsidentin der Primarvereinigung der Kirche, hat uns geraten, nicht zuzulassen, dass elektronische Geräte den Kontakt zwischen uns und unseren Kindern behindern: „Lassen wir nicht zu, dass die bequemen technischen Geräte uns davon abhalten, unsere Kinder zu unterweisen, ihnen zuzuhören und in die Augen zu blicken.“

3. Bringen Sie Vertrauen in das Kind zum Ausdruck

„Trotz der Herausforderungen der heutigen Zeit können unsere Kinder im Leben vorankommen“, hat Elder Lynn G. Robbins gesagt, als er Mitglied der Siebziger war.

Wir zeigen unseren Kindern, dass wir an sie glauben, wenn wir so etwas sagen wie: „Das ist echt schwer. Du machst es richtig gut. Und mit etwas Übung wirst du sogar noch besser.“

4. Halten Sie den Familienrat ab und hören Sie sich die Sichtweise Ihres Kindes an

Präsident M. Russell Ballard (1928–2023) hat über den Familienrat gesagt: „Kinder brauchen unbedingt Eltern, die bereit sind, ihnen zuhören.“ Außerdem sagte er: „Wenn die Eltern vorbereitet sind und die Kinder zuhören und sich am Gespräch beteiligen, gelingt der Familienrat.“

Bitten Sie Ihre Kinder um Rat, wie Sie selbst mit einer schwierigen Situation umgehen sollen. Sie freuen sich bestimmt, wenn ihre Meinung wertgeschätzt wird.

5. Geben Sie Zeugnis für die Liebe und Kraft, die Sie vom Vater im Himmel und von Jesus Christus erhalten

Präsident Dallin H. Oaks, Erster Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, hat gesagt: „Unsere Kinder sollen uns häufig Zeugnis geben hören“, denn so können wir „unsere Kinder auch dadurch stärken, dass wir sie ermutigen, sich selbst über ihr wachsendes Zeugnis zu definieren“.

6. Motivieren Sie die Kinder, das Verarbeiten ihrer Gefühle ruhig und entspannt anzugehen

Wir können unseren Kindern zeigen, dass Gefühle zum normalen Leben gehören. Beispielsweise können wir auch selber sagen: „Aus diesem oder jenem Grund fühle ich mich gerade so und so.“ Wenn Ihre Kinder von Gefühlen übermannt werden oder mit sehr belastenden Gefühlen ringen, merken Sie womöglich, wie auch Ihre eigenen Emotionen zu brodeln beginnen, und spüren angesichts dessen vielleicht sogar eine gewisse Überforderung. Anstatt Ihren Emotionen freien Lauf zu lassen, bleiben Sie ruhig und zeigen Sie, dass Gefühle normal sind und auf zuträgliche Weise zum Ausdruck gebracht werden können.

Bringen Sie gelegentlich Ihre eigene Schwäche zum Ausdruck. Als Mutter oder Vater können Sie vielleicht sagen: „Ich war auch einmal zehn. Ich habe in der Schule auch mal einen Wutanfall bekommen, genau wie jetzt du. Was mir geholfen hat, mich abzureagieren, war …“ Wir können unsere Kinder wissen lassen, dass wir ihre Erfahrungen nachvollziehen können. Wenn wir liebevoll und gelassen reagieren, spüren sie, dass sie nicht allein sind.

Wir sollten unseren Kindern vermitteln, wie wichtig es ist, sich bei starken Emotionen zu beruhigen und auch zu verstehen, wie sich bestimmte Gefühle auf unsere geistige Gesundheit auswirken. Elder Dale G. Renlund vom Kollegium der Zwölf Apostel hat das so beschrieben: „Dem Geist kommt eine zentrale Rolle dabei zu, uns Gottes Liebe zu vermitteln [siehe Galater 5:22]. Allerdings kann der Einfluss des Heiligen Geistes ,durch starke Gefühle wie Zorn, Hass [oder] Furcht … verdeckt werden. [Es ist], als würde man versuchen, eine leckere Weintraube zu genießen, während man auf einer scharfen Peperoni kaut. [Der eine Geschmack] überdeckt [den anderen] vollständig.‘“

Beim Verarbeiten der eigenen Emotionen und ebenso der unserer Kinder können wir uns bewusstmachen, dass Emotionen oft ein Gradmesser dafür sind, wie wohltuend oder wie bedrohlich uns etwas vorkommt. Wir können also zunächst einmal gelassen beurteilen, wie sehr die Emotion überhaupt zutrifft, und dann üben, mit passenderer Intensität zu reagieren.

Zum Beispiel könnte ein Erwachsener ein wütendes Kind zur Seite nehmen und sagen: „Nichts ist passiert. Ich bin nicht wütend. Ich mache mir aber Sorgen, dass du in deiner Aggression jemanden verletzt oder Leute von dir wegstößt. Wie ist dir denn jetzt gerade zumute? Deine Gefühle sind verständlich. Wie kannst du damit umgehen?“ Und wenn sich ein Kind aufregt, könnten Sie fragen: „Alles in Ordnung? Was ist denn los?“

Elder Robert D. Hales (1932–2017) hat uns geraten, unseren Kindern liebevoll zuzuhören und sie nicht zu unterbrechen. Vermitteln Sie den Kindern Geborgenheit, wenn sie über ihre Gefühle sprechen, und vergessen Sie nicht, sich auch an ihren positiven Erfahrungen und Emotionen zu erfreuen. Wenn ein Kind beispielsweise in der Schule eine gute Note bekommt, könnten die Eltern sagen: „Das ist ja super! Ich freue mich, dass du dich darüber freust, wie gut du in der Schule bist. Warum ist es wohl schön, wenn man gut in der Schule ist? Was hat dir denn geholfen, so eine gute Note zu bekommen?“

Ein guter Zeitpunkt fürs Gespräch

Es ist zwar wichtig, Ihrem Kind dann zu zeigen, wie es mit Emotionen umgeht, wenn es gerade emotionell belastet ist, doch das ist nicht die einzige Gelegenheit für solche Gespräche. Sie können Ihren Kindern in Alltagssituationen Fähigkeiten beibringen, die zu emotionaler Belastbarkeit führen. Die hier besprochenen Gespräche und Fertigkeiten stärken das Kind in Momenten, wo es von Gefühlen übermannt wird.

Einige gut geeignete Zeitpunkte für ein Gespräch über emotionale Resilienz sind etwa

  • der Familienabend

  • das monatliche Vier-Augen-Gespräch mit jedem Kind

  • das gemeinsame Essen mit der Familie: Hier könnten Sie etwa erzählen, wie Verwandte mit einer schwierigen Situation klargekommen sind. Sie könnten besprechen, welche Stärken wohl dazu beigetragen haben, dass sie diese schwierige Phase durchstehen. Sie könnten auch jedes Familienmitglied über einen Höhepunkt und eine Herausforderung des Tages erzählen lassen. Der Betreffende kann schildern, wie er damit umgegangen ist. Im Sinne von Zusammenarbeit und kreativer Problemlösung könnten Sie gemeinsam überlegen, wie man mit solch schwierigen Situationen noch umgehen könnte.

  • Schriftstudium mit der Familie oder Gespräche im Rahmen des Lehrplans Komm und folge mir nach!: Achten Sie darauf, welche Konzepte emotionaler Widerstandsfähigkeit sich in Erzählungen aus den heiligen Schriften finden.

  • Lesezeit: Mithilfe von Büchern lässt sich wunderbar über Gefühle sprechen. Mit den Kleineren könnten Sie Bücher lesen, in denen es um Emotionen geht. Sprechen Sie darüber, inwiefern die Figuren Widerstandskraft bewiesen haben. Mit den Älteren könnten Sie als Familie etwa eine Lesegruppe bilden, in der jeder das gleiche Buch liest. Einmal pro Woche kommen Sie dann zusammen und besprechen, welche Vorgehensweisen in Bezug auf Resilienz Sie dem Buch entnehmen.

  • familiäre Zusammenkünfte: Nehmen Sie über mehrere Wochen gemeinsam den Kurs Im Herrn Kraft finden: Emotionale Widerstandskraft durch. Passen Sie das Material dem Alter der Kinder an. Oder vielleicht wollen Sie den Kurs zunächst einmal selbst absolvieren.

Klein anfangen

Sich in emotionaler Widerstandskraft zu üben, kann in Ihrer Familie durchaus in den Alltag integriert werden. Beginnen Sie mit kurzen Gesprächen und ermuntern Sie Ihre Kinder, für sich Methoden zu erschließen, wie sie gelassener bleiben und ihr Verhalten unter Kontrolle haben. Dies sollten wir unser Leben lang immer wieder praktizieren.

Schwester Jones hat darüber gesprochen, wie man Kindern geistige Widerstandskraft vermittelt, und dieses Prinzip lässt sich auch auf emotionale Widerstandskraft übertragen: „Es muss nichts Kompliziertes oder Zeitaufwendiges sein. … Liebevolle Gespräche, die sich Tag für Tag ganz natürlich ergeben, können zu einem größeren Verständnis und zu Antworten führen.“

Der Herr wird unsere Bemühungen segnen, in der Familie emotionale Widerstandskraft zu entwickeln.

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