Kapitel 47
4 Nephi
Einleitung
Im vierten Buch Nephi wird der Zeitraum von fast zweihundert Jahren beschrieben, der auf das Erscheinen Jesu Christi auf dem amerikanischen Kontinent folgte und der von Einigkeit und Frieden geprägt war. „Alles Volk [war] zum Herrn bekehrt“ (4 Nephi 1:2), sodass die Gesellschaft in einem Zustand war, von dem man seit Menschengedenken träumt. Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel hat über die Zeit nach dem Erscheinen Christi gesagt: „Seine erhabenen Lehren und sein edelmachender Geist [haben] zu der glücklichsten aller Zeiten geführt, von der es heißt: ,Und es gab keine Streitigkeiten und Auseinandersetzungen unter ihnen, und jedermann handelte gerecht, einer mit dem anderen. Und sie hatten alles unter sich gemeinsam; darum gab es keine Reichen und Armen, Geknechteten und Freien, sondern sie waren alle frei geworden und hatten teil an der himmlischen Gabe.‘ [4 Nephi 1:2,3.] Meiner Meinung nach wurde dieser gesegnete Zustand nur noch bei einer anderen Gelegenheit erreicht, und zwar in der Stadt Henochs, ,weil sie eines Herzens und eines Sinnes waren und in Rechtschaffenheit lebten; und es gab keine Armen unter ihnen.‘ [Mose 7:18.]“ (Der Stern, Juli 1996, Seite 29.)
Tragischerweise offenbart die zweite Hälfte vom 4 Nephi, wie diese rechtschaffenen und glücklichen Menschen zuließen, dass Stolz unter ihnen aufkam und sie dadurch vom Glauben abfielen, was schließlich zum Untergang ihrer Gesellschaft führte. Wenn Sie dieses Buch heiliger Schrift studieren, versuchen Sie zu verstehen, was der nephitischen Gesellschaft ihr Glück bescherte und welche Umstände andererseits Elend und Vernichtung über sie brachten.
Kommentar
4 Nephi 1:2. Alles Volk wurde zum Herrn bekehrt
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Präsident Marion G. Romney (1897–1988) von der Ersten Präsidentschaft hat folgendermaßen erklärt, was unter wahrer Bekehrung zu verstehen ist:
„Im Webster [einem Wörterbuch] wird das Verb ,sich bekehren‘ so definiert: ,sich von einem Glauben oder Weg einem anderen zuwenden‘. Eine solche ,Bekehrung‘ ist eine geistige und moralische Wandlung. … ,Bekehrt‘ zu sein, wie der Begriff in den heiligen Schriften verwendet wird, bedeutet nicht nur, dass man Jesus und seine Lehren mit dem Verstand annimmt, sondern dass man auch an ihn und an sein Evangelium glaubt und sich davon motivieren lässt. Solcher Glaube bewirkt eine Wandlung, eine tatsächliche Veränderung der Art, wie man den Sinn des Lebens sieht und wie man Gott in den Interessen, in den Gedanken und im Verhalten treu ist. …
Wer sich wirklich und vollständig bekehrt hat, kennt kein Verlangen mehr nach dem, was dem Evangelium Jesu Christi widerspricht. Vielmehr liebt er Gott und ist fest und unerschütterlich entschlossen, seine Gebote zu halten. …
Es scheint fast so, als sei es nicht unbedingt gleichbedeutend, der Kirche anzugehören und bekehrt zu sein. Bekehrt sein … und ein Zeugnis haben, ist ebenfalls nicht unbedingt dasselbe. Ein Zeugnis erlangt man, wenn der Heilige Geist dem aufrichtig Suchenden die Wahrheit bezeugt. Ein bewegendes Zeugnis belebt den Glauben, das heißt: Es ruft Umkehr und Gehorsam gegenüber den Geboten hervor. Bekehrung andererseits ist die Frucht oder der Lohn für Umkehr und Gehorsam.“ (Herbst-Generalkonferenz 1963.)
4 Nephi 1:2. „Es gab keine Streitigkeiten und Auseinandersetzungen unter ihnen“
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Der Herr hat offenbart, wie die Mitglieder der Kirche einander behandeln sollen: „Ein jeder soll auf das Wohl seines Nächsten bedacht sein und bei allem, was er tut, das Auge nur auf die Herrlichkeit Gottes richten.“ (LuB 82:19.)
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Was bräuchten wir in der heutigen Welt, um eine Gesellschaft aufzubauen, in der es weder Streit noch Auseinandersetzungen gibt? Präsident Spencer W. Kimball (1895–1985) hat aufgezeigt, wie dieses Ziel erreicht werden kann:
„Als Erstes müssen wir unseren Hang zum Egoismus ablegen, der die Seele gefangenhält, der Großherzigkeit entgegenwirkt und den Verstand verfinstert. …
Zweitens müssen wir uneingeschränkt und einträchtig zusammenarbeiten. …
Drittens müssen wir alles auf den Altar legen und opfern, was der Herr verlangt. Wir geben ihm zuerst ein ,reuiges Herz und einen zerknirschten Geist‘ [3 Nephi 9:20].“ (Herbst-Generalkonferenz 1978.)
4 Nephi 1:2. „Jedermann handelte gerecht“
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Elder Sheldon F. Child von den Siebzigern hat erklärt, was es bedeutet, einer mit dem anderen gerecht zu handeln, als er über Ehrlichkeit und Integrität sprach:
„Wenn wir etwas versprechen, halten wir es auch.
Wenn wir uns verpflichten, stehen wir dazu.
Wenn wir eine Berufung erhalten, efüllen wir sie.
Wenn wir uns etwas ausleihen, geben wir es auch zurück.
Wenn wir finanzielle Verpflichtungen eingehen, bezahlen wir auch.
Wenn wir eine Vereinbarung treffen, halten wir sie ein.“ (Der Stern, Juli 1997, Seite 28.)
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Präsident N. Eldon Tanner (1898–1982) von der Ersten Präsidentschaft hat beleuchtet, wie wichtig es ist, dass einer mit dem anderen gerecht handelt:
„Vor kurzem kam ein junger Mann zu mir und sagte: ,Ich habe mit einem Mann eine Vereinbarung getroffen, durch die ich verpflichtet bin, ihm jedes Jahr eine bestimmte Summe zu zahlen. Ich bin im Rückstand und kann den Betrag nicht zahlen, denn sonst würde ich mein Haus verlieren. Was soll ich tun?‘
Ich sah ihn an und sagte: ,Halten Sie sich an die Abmachung.‘
,Selbst, wenn mich das mein Haus kostet?‘
Ich sagte: ,Ich spreche nicht von Ihrem Haus. Ich spreche von Ihrer Vereinbarung. Ich denke, dass Ihre Frau lieber einen Mann hat, der sein Wort hält und seinen Verpflichtungen nachkommt … und zur Miete wohnen muss, als ein Eigenheim und einen Mann zu haben, der sich nicht an seine Bündnisse und Versprechen hält.‘“ (Herbst-Generalkonferenz 1966.)
4 Nephi 1:3. „Sie hatten alles unter sich gemeinsam“
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Ein Merkmal der Nephiten war, dass sie als Volk „alles unter sich gemeinsam“ hatten (4 Nephi 1:3). Präsident Marion G. Romney hat erklärt, was das bedeutet und wie es funktionierte:
„Bei diesem Verfahren [der Vereinigten Ordnung] blieb jedem Menschen das Recht auf Privateigentum gewahrt und darauf, sein Eigentum auch zu verwalten. … Jedem Menschen gehörte sein Anteil, den er nach seinem Belieben veräußern, behalten und bearbeiten oder anderweitig als sein eigen behandeln konnte. …
Er weihte der Kirche den Überschuss, den er über die Bedürfnisse und Wünsche seiner eigenen Familie hinaus erwirtschaftete. Dieser Überschuss ging einem Vorratshaus zu, aus dem heraus Treuhandschaften an andere ausgegeben wurden und für die Bedürfnisse der Armen gesorgt wurde.“ (Frühjahrs-Generalkonferenz 1977.)
Präsident Romney erklärte auch, wie es dazu kommt, dass Menschen so leben wollen: „Wenn man dahin gelangt ist, dass man die reine Christusliebe hat, wünscht man sich so sehr, anderen zu dienen, dass man ganz und gar nach dem Gesetz der Weihung lebt. Nach dem Gesetz der Weihung zu leben, erhöht den Armen und macht den Reichen demütig. Dabei werden beide geheiligt. Von der Knechtschaft und den erniedrigenden Fesseln der Armut befreit, kann der Arme als freier Mensch sein volles Potenzial entfalten, in zeitlicher wie auch in geistiger Hinsicht. Der Reiche, der seinen Überschuss zum Wohl der Armen weiht und abgibt, nicht gezwungenermaßen, sondern als freiwillige Handlung, beweist jene Nächstenliebe für seine Mitmenschen, die Mormon ,die reine Christusliebe‘ nennt (Moroni 7:47). Dadurch gelangen derjenige, der gibt, wie auch derjenige, der empfängt, auf eine gemeinsame Grundlage, wo der Heilige Geist mit ihnen in Verbindung treten kann.“ (Herbst-Generalkonferenz 1981.)
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Elder Robert D. Hales vom Kollegium der Zwölf Apos-tel hat erklärt, inwiefern wir uns darauf vorbereiten, nach dem Gesetz der Weihung zu leben: „Das Gesetz des Zehnten bereitet uns darauf vor, nach dem höheren Gesetz der Weihung zu leben – all unsere Zeit, unsere Talente und Mittel dem Werk des Herrn zu weihen. Bis von uns verlangt wird, nach diesem höheren Gesetz zu leben, ist uns geboten, nach dem Gesetz des Zehnten zu leben, das heißt, wir sollen bereitwillig jährlich ein Zehntel unseres Einkommens spenden.“ (Liahona, November 2002, Seite 27.)
4 Nephi 1:5. Wunder „im Namen Jesu“
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Präsident Spencer W. Kimball hat bekräftigt, dass Wunder heute genauso zur Kirche gehören, wie das in früheren Zeiten der Fall war:
„Es geschehen heutzutage Wunder – wie wir es uns nicht vorstellen können! Wenn alle Wunder, die sich während unseres Lebens zugetragen haben, aufgeschrieben würden, würde das viele Bücherregale füllen.
Was für Wunder geschehen unter uns? Alle Formen: Offenbarungen, Visionen, Zungenreden, Heilungen, besondere Führung und Weisung, das Austreiben böser Geister. Wo sind sie aufgezeichnet? In den Unterlagen der Kirche, in Tagebüchern, in Zeitungen und Zeitschriften und im Sinn und der Erinnerung vieler Menschen.“ (The Teachings of Spencer W. Kimball, Hg. Edward L. Kimball, 1982, Seite 499.)
4 Nephi 1:13,15,16. „Es gab unter allem Volk … keinen Streit“
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Elder Russell M. Nelson vom Kollegium der Zwölf Apostel hat dargelegt, woher der wunderbare Friede kommt, der im 4 Nephi beschrieben wird:
„Inneren Frieden erlangt man, wenn man Gott wahrhaft liebt, demütig und ergeben. Nehmen Sie sich diese Schriftstelle zu Herzen:
,Wegen der Gottesliebe, die dem Volk im Herzen wohnte, gab es im Land keinen Streit.‘ (4 Nephi 1:15; Hervorhebung hinzugefügt; siehe auch 1:2.)
Es muss uns also darum gehen, Gott zu lieben. Das ist das erste Gebot, die Grundlage des Glaubens. Wenn Gott und Christus lieben lernen, sind die Liebe zur Familie und zum Nächsten die natürliche Folge. Dann eifern wir Jesus mit aller Kraft nach. Er hat geheilt. Er hat getröstet. Er hat gelehrt: „Gesegnet sind alle Friedensstifter, denn sie werden die Kinder Gottes heißen.“ (3 Nephi 12:9; siehe auch Matthäus 5:9.)
Durch die Gottesliebe wird der Schmerz, den das brennende Geschwür des Streits verursacht, aus der Seele ausgelöscht. Diese Heilung beginnt, wenn man gelobt: ,Möge auf Erden Friede sein, und bei mir soll er beginnen.‘ (Sy Miller und Jill Jackson, ,Let There Be Peace on Earth‘, Beverly Hills, Kalifornien: Jan-Lee Music, 1972.) Diese Selbstverpflichtung springt auf Familie und Freunde über und stiftet in der Nachbarschaft und im Land Frieden.
Vermeiden Sie Streit. Streben Sie nach Göttlichkeit. Lassen Sie sich von ewiger Wahrheit erleuchten. Seien Sie in Liebe und Glauben eins mit dem Herrn. ,Und der Friede Gottes, der alles Verstehen übersteigt‘ (Philipper 4:7), gehört Ihnen und bringt Ihnen und Ihren Nachkommen noch in künftigen Generationen Segen.“ (Frühjahrs-Generalkonferenz 1989.)
4 Nephi 1:15-17. Eine Zionsgesellschaft
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Elder Dallin H. Oaks vom Kollegium der Zwölf Apostel hat die Verhältnisse, die in 4 Nephi 1:15-17 beschrieben werden, als Zionsgesellschaft bezeichnet. Danach sollten wir heutzutage streben: „In den großartigen Generationen, die auf das Erscheinen des auferstandenen Christus in der Neuen Welt folgten, gab es ,keine Streitigkeiten und Auseinandersetzungen‘ unter [dem Volk] ,und jedermann handelte gerecht, einer mit dem anderen‘ (4 Nephi 1:2). Im vierten Buch Nephi steht: ,Gewiss konnte es kein glücklicheres Volk unter allem Volk geben, das von der Hand Gottes erschaffen worden war.‘ (1:16.) Wir müssen danach streben, diesen Zustand wiederzuerlangen. In neuzeitlicher Offenbarung heißt es: ,Zion muss zunehmen an Schönheit und an Heiligkeit.‘ (LuB 82:14.)“ (Herbst-Generalkonferenz 1986.) (Näheres über Zion in den Letzten Tagen finden Sie im Kommentar zu 3 Nephi 20:21,22; 21:23-29 auf Seite 356.)
4 Nephi 1:16,17. Es gab keinerlei „-iten“
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Weil im Land Einigkeit und Friede herrschten, legten alle Gruppierungen der damaligen Zeit – wie die Nephiten und die Lamaniten, die vorher voneinander getrennt gewesen waren – ihre weltlichen Traditionen ab und lebten vor allem anderen nach der Lehre, eins zu sein, als „Kinder Christi und Erben des Reiches Gottes“ (4 Nephi 1:17). Da sich das Evangelium in jeder Nation, jedem Geschlecht, jeder Sprache und jedem Volk verbreitet (siehe Mosia 16:1), steht die Kirche unter anderem vor der Herausforderung, „eins“ zu sein, also Einigkeit unter den Mitgliedern zu erreichen. Wenn Menschen so vielfältiger ethnischer und kultureller Herkunft und mit so unterschiedlichem Brauchtum zusammengebracht werden, ist das eine große Aufgabe.
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Präsident James E. Faust (1920–2007) von der Ersten Präsidentschaft hat gesagt, dass man Einigkeit trotz Unterschieden in Abstammung, Kultur und Bräuchen entwickeln kann:
„Ich habe die guten Menschen aus jeder Rasse, jedem Kulturkreis und jedem Land, das ich besuchen durfte, bewundern, achten und lieben gelernt. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass keine Rasse einer anderen in geistiger Gesinnung und Glaubenstreue überlegen ist. Im Gleichnis vom Sämann erwähnte der Herr auch Menschen, denen – unabhängig von Rasse oder Nationalität – nicht viel an Geistigem liegt; er sprach nämlich von denen, die ,in den Sorgen, dem Reichtum und den Genüssen des Lebens ersticken, deren Frucht also nicht reift‘ [Lukas 8:14]. …
Wir kommen in immer mehr Länder der Welt und erleben dadurch in der Kirche eine immer größere kulturelle Vielfalt. Und doch können wir überall zur ,Einheit im Glauben‘ gelangen [Epheser 4:13]. Jede Gruppe bringt ihre besonderen Gaben und Talente an den Tisch des Herrn mit. Wir können alle viel Wertvolles vonein-ander lernen. Aber jeder muss auch von sich aus bemüht sein, alle einigenden und errettenden Bündnisse, heiligen Handlungen und Lehren des Evangeliums des Herrn Jesus Christus in sein Leben aufzunehmen.
Bei aller Vielfalt der Völker, Kulturen und Lebensumstände dürfen wir nicht vergessen, dass wir alle vor dem Herrn gleich sind.“ (Der Stern, Juli 1995, Seite 55f.)
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Elder Richard G. Scott vom Kollegium der Zwölf Apostel hat uns aufgefordert, Traditionen jeglicher Herkunft, die nicht mit den Lehren Jesu Christi vereinbar sind, beiseite zu legen, da solche Traditionen den großen Plan des Glücklichseins untergraben:
„Der himmlische Vater hat dafür gesorgt, dass Sie in eine bestimmte Familie geboren wurden, durch die Sie hinsichtlich Ihrer Rasse, Kultur und Traditionen Ihr Erbe mitbekommen haben. Diese Abstammung kann ein reiches Erbe und große Freude mit sich bringen. Trotzdem ist es an Ihnen, zu bestimmen, ob ein Teil dieses Erbes aufgegeben werden muss, weil es sich gegen den Plan des Glücklichseins des Herrn auswirkt. …
Ich bezeuge Ihnen, dass Sie das, was Sie am Glück hindert, abbauen und größeren Frieden finden werden, wenn Sie in erster Linie Ihrer Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi treu sind und seine Lehren zur Grundlage Ihres Lebens machen. Wo die Traditionen der Familie oder des Landes, Bräuche oder gesellschaftliche Trends mit den Lehren Gottes im Widerstreit stehen, geben Sie sie auf. Wo Traditionen und Bräuche mit seinen Lehren im Einklang sind, hegen und pflegen Sie sie, um Ihre Kultur und Ihr Erbe zu bewahren. Es gibt ein Erbe, das Sie niemals aufgeben müssen. Es ist das Erbe, das daher rührt, dass Sie eine Tochter oder ein Sohn des Vaters im Himmel sind. Wenn Sie glücklich sein wollen, lassen Sie dieses Erbe Ihr Leben lenken.“ (Frühjahrs-Generalkonferenz 1998.)
4 Nephi 1:20. Es fing wieder an, Lamaniten zu geben
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Entzweiung folgt aus unrechtem Handeln. In dem folgenden Kommentar wird erklärt, dass Spaltungen immer infolge von Stolz zustandekommen und dass dieser auch der Grund dafür ist, dass einige sich gegen die Kirche auflehnten und den Namen Lamaniten auf sich nahmen (siehe 4 Nephi 1:20). „Ist es denn wichtig für ein Volk, wie es sich nennt? Warum war es den Lamaniten so wichtig, diesen Namen zu tragen? Warum gibt eine Gruppe von Menschen die großartigen Vorzüge der Einigkeit auf, um mit diesem oder jenem Namen bezeichnet zu werden? Die Antwort ist einfach: Sie sind stolz. Sie wollen anders sein. Sie sehnen sich nach Anerkennung. Sie fürchten, übersehen zu werden. Sie verlangen nach öffentlicher Aufmerksamkeit. Wer rechtschaffen ist, verspürt weder den Drang nach Aufmerksamkeit noch nach Lob und auch keine Neigung, Anerkennung zu fordern. Wer stolz ist, fordert sein Recht ein, selbst dann, wenn er im Unrecht ist. Wer stolz ist, glaubt, dass er auf seine Weise vorgehen muss, selbst wenn das die falsche Weise ist. Wer stolz ist, besteht darauf, seinen eigenen Weg zu gehen, sogar dann, wenn der Weg, den er nimmt, breit ist und zur Vernichtung führt.“ (Joseph Fielding McConkie, Robert L. Millet und Brent L. Top, Doctrinal Commentary on the Book of Mormon, 4 Bände, 1987–1992, 4:204f.)
4 Nephi 1:24. „Im Stolz überheblich“
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In der Geschichte des Buches Mormon durchlaufen die Menschen wiederholt einen Kreislauf, in dem auf Rechtschaffenheit Wohlstand, Reichtum, Stolz, Schlechtigkeit und Vernichtung folgen und darauf dann Demut und erneut Rechtschaffenheit. Näheres darüber und ein Diagramm zum Kreislauf des Stolzes finden Sie unter dem Titel „Der Kreislauf von Rechtschaffenheit und Schlechtigkeit“ im Anhang (Seite 452).
Lesen Sie den Kommentar zu Helaman 3:33,34,36; 4:12 (Seite 289) und den Kommentar zu Helaman 12:5,6 (Seite 303).
4 Nephi 1:36. Sie glaubten wahrhaftig an Christus
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Elder Neal A. Maxwell (1926–2004) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat die Eigenschaften genannt, die diejenigen aufweisen, die wahrhaftig an den Erlöser glauben:
„Wer wahrhaftig glaubt, ist in seiner Einstellung zu Christus gefestigt. Trotz seiner Schwächen richtet er seine geistige Gesinnung auf den Erretter und betrachtet alles andere aus diesem herrlichen Blickwinkel.
Wer wahrhaftig glaubt, erfüllt seine Aufgaben im Gottesreich voller Freude. Diese Aufgaben sind im Großen und Ganzen klar umrissen. Er nimmt würdig vom Abendmahl, leistet christlichen Dienst, studiert in der heiligen Schrift, betet, fastet, empfängt die heiligen Handlungen, erfüllt seine Pflichten zu Hause, zahlt den Zehnten und die übrigen Spenden. …
Wer wahrhaftig glaubt, ist demütig. Er ist ,sanftmütig und von Herzen demütig‘ [Moroni 7:43]. … Er ist nicht leicht zu kränken und weigert sich nicht, Rat anzunehmen. …
Wer wahrhaftig glaubt, ist auch bereit, das zu tun, was Christus von ihm wünscht. … Sind wir bereit, uns vom Herrn zu weiterer Entwicklung führen zu lassen? Oder schrecken wir davor zurück? Alles, was uns die Seele erweitern kann, setzt voraus, dass wir vorher über uns selbst hinauswachsen.
Wer wahrhaftig glaubt, ist ausgeglichen. Er findet den Mittelweg zwischen zu großer Zufriedenheit und dem Wunsch, eine wichtigere Rolle zu spielen. …
Wer wahrhaftig glaubt, betet auch wahrhaftig. Seine Gebete sind aufrichtig. … Die Gebete eines Menschen, der wahrhaftig glaubt, sind zumindest teilweise inspiriert.
Wer wahrhaftig glaubt, verhält sich richtig, und zwar aus den richtigen Beweggründen. Er ist in seiner Beziehung zum Herrn so sehr gefestigt, dass er auch dann gutes Verhalten an den Tag legt, wenn ihn niemand beobachtet. …
Wer wahrhaftig glaubt, freut sich am Erfolg anderer. … Er sieht seine Kollegen nicht als Konkurrenten an.
Wer wahrhaftig glaubt, ist darauf bedacht, dass Vergessen zur Vergebung dazugehört. Er folgt dem Beispiel des Herrn: ,Ich denke nicht mehr an [ihre Sünden].‘ (LuB 58:42.) …
Wer wahrhaftig glaubt, macht sich keiner Sünde schuldig, ist aber dennoch nicht einfältig. Er ist freundlich, aber geradeheraus. Er liebt seine Mitmenschen. …
Wer wahrhaftig glaubt, ist glücklich. Er macht kein wehleidiges Gesicht, sondern ist diszipliniert und begeistert dabei, Rechtschaffenheit zu bewirken. Er macht sich Gedanken über sein Leben, ist aber dennoch guten Mutes.“ („True Believers“, New Era, April 1994, Seite 20–24.)
4 Nephi 1:38,39. „Sie lehrten ihre Kinder, sie sollten nicht glauben“
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Elder Russell M. Nelson hat den Eltern geraten, Etikettierungen zu vermeiden, die polarisieren oder dazu führen, dass ihre Kinder Vorurteile entwickeln:
„Als die Nephiten wahrhaft rechtschaffen waren, gaben sie ihr vorheriges Verhaltensmuster auf, nämlich zu polarisieren. ,Wegen der Gottesliebe, die dem Volk im Herzen wohnte, gab es im Land keinen Streit.‘ …
Leider geht die Geschichte aber nicht glücklich aus. Dieser schöne Zustand hielt an, bis ,einige wenige im Volk‘ sich auflehnten und den Namen Lamaniten auf sich nahmen [4 Nephi 1:20]. Sie holten alte Vorurteile hervor und lehrten ihre Kinder wieder zu hassen, ,ja wie es den Lamaniten von Anfang an beigebracht worden war, die Kinder Nephi zu hassen‘ [4 Nephi 1:39]. So begannen sie von neuem zu polarisieren.
Ich hoffe, dass wir daraus diese wichtige Lehre ziehen: Streichen wir Namen, die trennend wirken, aus unserem Vokabular. Der Apostel Paulus hat gesagt: ,Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau, denn ihr alle seid „einer“ in Christus Jesus.‘ [Galater 3:28; siehe auch Kolosser 3:11.]
Der Heiland lädt uns ein, ,zu ihm zu kommen und an seiner Güte teilzuhaben; und er weist niemanden ab, der zu ihm kommt; schwarz und weiß, geknechtet und frei, männlich und weiblich; … alle sind vor Gott gleich.‘ [2 Nephi 26:33].“ („A More Excellent Hope“, Ensign, Februar 1997, Seite 63.)
4 Nephi 1:42-46. Geheime Eide und Verbindungen
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Näheres über Streit und geheime Werke finden Sie im Kommentar zu Helaman 1:1-21 (Seite 286) und zu Helaman 1 und 2 (Seite 286).
4 Nephi 1:46. Niemand außer den Jüngern Jesu war rechtschaffen
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Wenn man 4 Nephi 1:46 liest, könnte man meinen, dass die zwölf Jünger Jesu und die drei Nephiten die einzigen rechtschaffenen Menschen waren, die es unter den Nephiten noch gab. Jedoch hat Mormon dazu in Alma 45:13,14 etwas Wichtiges klargestellt. Aus diesen Versen geht nämlich hervor, dass am Ende des Buches Mormon „die friedlichen Nachfolger Christi“ (Moroni 7:3) auch als Jünger Jesu bezeichnet wurden.
Zum Nachdenken
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Was wäre in Ihrem Leben anders, wenn Sie in einer Gesellschaft leben würden, wie sie in der ersten Hälfte vom 4 Nephi beschrieben wird? Wie können Sie dafür sorgen, dass in Ihrer Familie und Ihrem Zuhause eine derartige Harmonie und solcher Friede zunehmen?
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In der zweiten Hälfte von 4 Nephi verfielen die Menschen in ein Verhaltensmuster mit zwei Merkmalen, das zur Vernichtung führte. Erstens: Stolz (4 Nephi 1:24-43; siehe auch 3 Nephi 6:28,29) und zweitens: geheime Verbindungen (4 Nephi 1:42-46; siehe auch 3 Nephi 6:28,29). Von demselben Verhaltensmuster wird auch im Buch Ether berichtet (Stolz in Ether 11:12-14 und geheime Verbindungen in Ether 13:15). Wie können Sie es vermeiden, dieselben Fehler zu begehen, wie die Nephiten sie nach 200 Jahren des Friedens und des Wohlstands machten?
Vorschläge für Aufgaben
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In 4 Nephi geht es vor allem um Streit und darum, dass wir ihn unbedingt ausmerzen müssen. Überlegen Sie, wodurch Sie selbst in Streit geraten, und entwerfen Sie eine Strategie, wie Sie Streit aus Ihrem Leben verbannen oder auf ein Minimum reduzieren können.