Jesus, wenn ich nur denk an dich
Mögen wir doch alle mehr tun, um seinen heiligen Namen zu achten und zu ehren, und andere behutsam und höflich dazu anhalten, das gleiche zu tun.
Heute ist der Tag, der in der christlichen Welt traditionell als Palmsonntag begangen wird. Es ist der Jahrestag jenes bedeutenden Ereignisses vor fast zweitausend Jahren, als Jesus von Nazaret, der Sohn Gottes in Person, die entscheidende Verkündigung seiner göttlichen Natur einleitete und als der verheißene Messias, der er ja war, in die heilige Stadt Jerusalem einzog.
In Erfüllung der Prophezeiung Sacharjas aus alter Zeit ritt er auf einem Eselsjungen (siehe Sacharja 9:9) und näherte sich dem Tempel auf einem Weg, den die jubelnde Menge mit Palmblättern, blühenden Zweigen und ihren Gewändern geschmückt hatte, so daß der Weg wirklich für den Vorbeizug eines Königs zurechtgemacht war. Er war ja auch ihr König; sie waren seine Untertanen. „Hosanna dem Sohn Davids!” riefen sie. „Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!” (Matthäus 21:9.)
Natürlich führte der Weg, der so liebevoll geschmückt worden war, dann auch bald in einen Raum im Obergeschoß und nach Getsemani. Mit Unterbrechungen im Haus des Hannas, im Hof des Kajaphas und im römischen Hauptquartier des Pilatus führte er weiter bis zum Kalvarienberg. Aber dort sollte er nicht enden. Der Weg führte zum Felsengrab und zur Stunde des Triumphes der Auferstehung, die wir jedes Jahr am Ostersonntag, in einer Woche, feiern.
In dieser herrlichen Frühlingszeit, diesem alljährlichen Erwachen, wenn auf der nördlichen Halbkugel die Natur sich erneuert und blüht und wieder grün und voller Leben wird, wenden wir ganz von selbst die Gedanken Jesus Christus, dem Erretter der Welt, dem Erlöser der Menschheit, der Quelle des Lichts, des Lebens und der Liebe, zu.
Weil jetzt Palmsonntag und Osterzeit ist, habe ich mir als kurzen Text für den heutigen Morgen die Worte eines alten und heiligen Kirchenliedes gewählt, das Bernhard von Clairvaux zugeschrieben wird und das wohl fast neunhundert Jahre alt ist. Gemeinsam mit der übrigen Christenheit singen die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage andächtig:
Jesus, wenn ich nur denk an dich, füllt sich mein Herz mit Freud! Wie schön einst Äug in Äug zu sehn dich in der Herrlichkeit! (Gesangbuch, Nr. 84.)
Am Palmsonntag und nächste Woche, am Ostersonntag, wenden sich unsere Gedanken von gelbst dem Nachsinnen über Jesus zu. Ostern und vielleicht noch Weihnachten ist ja auch der einzige Tag im ganzen Jahr, an dem manche unserer Brüder und Schwestern aus der Herde Christi den Weg zur Kirche finden. Das ist bewundernswert, aber wir fragen uns doch, ob wir nicht viel häufiger und viel beständiger zu allen Zeiten und Jahreszeiten an Jesus denken sollten, so daß sich unser Herz mit Freude füllt. Wie oft denken wir an Jesus Christus? Wie tief und wie dankbar sinnen wir über sein Leben nach? Wie sehr verehren wir ihn? Wie nahe ist er dem Mittelpunkt unseres Lebens?
Wieviel Zeit widmen wir Jesus beispielsweise an einem normalen Tag, in einer Arbeitswoche oder einem flüchtigen Monat? Manch einer vielleicht nicht genug.
Das Leben wäre doch gewiß friedlicher, die Ehen und Familien wären stärker, die Gemeinwesen und Länder wären sicherer und freundlicher und konstruktiver, wenn das Evangelium Jesu Christi uns wirklich das Herz erfüllen würde.
Ich möchte wissen, welche Hoffnung wir darauf haben, jene größere Freude, jenen höheren Preis zu erlangen, ihn nämlich „einst Äug in Äug zu sehn”, wenn wir nicht mehr auf die Gedanken unseres Herzens achtgeben.
Jeden Tag in unserem Leben und zu jeder Jahreszeit (nicht nur zu Ostern) fragt Jesus einen jeden von uns, genauso wie vor vielen Jahren nach seinem triumphalen Einzug in Jerusalem: „Was denkt ihr über den Messias? Wessen Sohn ist er?” (Matthäus 22:42.)
Wir verkünden, daß er der Sohn Gottes ist, und daß das wirklich wahr ist, muß uns viel tiefer und häufiger ins Herz dringen. Ich bete darum, daß das zu dieser Osterzeit und immer so sein möge.
Kein Lied vermag zu loben dich, kein Herz erfaßt dich ganz, du schöner Name Jesus Christ mit deinem Himmelsglanz.
Wir bezeugen wie die Propheten und Apostel in alter Zeit, daß der Name Christi der einzige Name unter dem Himmel ist, durch den ein Mann, eine Frau, ein Kind errettet werden kann. Es ist ein gesegneter Name, ein gnadenreicher Name, ein heiliger Name. Gewiß: „Kein Lied vermag zu loben dich, kein Herz erfaßt dich ganz, du schöner Name Jesus Christ.”
Nun sollen wir zwar häufiger an den Namen Christi denken und ihn weiser und besser gebrauchen, aber wie traurig und zutiefst schmerzlich ist es doch auch, daß der Name des Erretters der Menschheit in unserem Land zu einem der häufigsten und am meisten mißbrauchten Fluchwörter geworden ist.
Jetzt, zur Osterzeit - wenn wir noch einmal an alles erinnert werden, was Christus für uns getan hat, und daran, wie sehr wir von seiner erlösenden Gnade und seiner Auferstehung abhängen und welch einzigartige Macht sein Name hat, das Böse und den Tod zu vertreiben und die Menschenseele zu erretten - mögen wir doch alle mehr tun, um seinen heiligen Namen zu achten und zu ehren, und andere behutsam und höflich dazu anhalten, das gleiche zu tun. Möge uns dieses schöne Lied als Erinnerung dienen, und mögen wir dem Namen der Gottheit den heiligen, hohen Platz ein-
räumen, den er verdient und der uns auch zum Gebot gemacht worden ist.
Wie in alter Zeit hat Christus auch in unserer Zeit verkündet: „Darum sollen alle Menschen sich in acht nehmen, wie sie meinen Namen in den Mund nehmen.
Denkt daran: Was von oben kommt, ist heilig und muß mit Sorgfalt und unter dem Drängen des Geistes gesprochen werden.” (LuB 63:61,64.)
Wir lieben den Namen unseres Erlösers. Mögen wir ihn vom Mißbrauch erlösen und ihm die erhabene Stellung einräumen, die ihm gebührt.
Du bist die Hoffnung für mein Herz, der Armen Freud und Glück, du führest bald aus aller Not zum Vater uns zurück.
Welch wunderschöner Text und welch hoffnungsfrohe, im Evangelium Christi verankerte Aussage! Gibt es unter uns jemanden, welche Stellung er auch einnehmen möge, der keine Hoffnung braucht und der nicht nach größerer Freude trachtet? Alle Menschen sehnen sich aus tiefstem Herzen danach, und es ist das, was Christus seinen Anhängern verheißen hat. Hoffnung gibt es für jeden zerknirschten Geist und Freude für jedes sanftmütige Herz.
Zerknirschung kostet uns einiges - unseren Stolz und unsere Gefühllosigkeit, aber vor allem kostet sie uns unsere Sünden. Denn, wie König Lamonis Vater schon vor zweitausend Jahren erkannte, das ist der Preis der wahren Hoffnung. „O Gott”, rief er, „wollest du dich mir kundtun, und ich will alle meine Sünden ablegen, um dich zu erkennen und zu wissen, daß ich von den Toten auferweckt und am letzten Tag errettet werde.” (Alma 22:18.) Wenn auch wir bereit sind, alle unsere Sünden abzulegen, um ihn zu erkennen und ihm nachzufolgen, dann werden auch wir von der Freude des ewigen Lebens erfüllt.
Und was ist mit den Sanftmütigen? In unserer Welt, in der es zu sehr darum geht, durch Einschüchterung zu gewinnen und die Nummer Eins zu sein, bilden sich keine langen Schlangen von Menschen, die Bücher kaufen wollen, die zu bloßer Sanftmut aufrufen. Aber die Sanftmütigen werden die Erde ererben, was eine ziemlich eindrucksvolle Geschäftsübernahme ist - und das ohne Einschüchterung! Früher oder später, und wir beten darum, daß es früher sein möge, wird jeder eingestehen, daß der Weg Christi nicht nur der richtige Weg ist, sondern letztlich der einzige Weg zu Hoffnung und Freude. Jedes Knie wird sich beugen und jede Zunge bekennen, daß Freundlichkeit besser ist als Brutalität, Güte besser als Zwang, daß eine sanfte Antwort die Erregung dämpft. Am Ende oder früher, wann
immer das möglich ist, müssen wir ihm ähnlicher werden. „Du führest bald aus aller Not zum Vater uns zurück.”
Ich möchte meine Ausführungen so beschließen wie der Verfasser dieses alten Liedes:
Erlöser du der ganzen Welt, du Trost in allem Leid, dir dienen wir und preisen dich jetzt und in Ewigkeit.
Darum bete ich heute morgen und wünsche es aller Welt. Ich bezeuge, daß Jesus die einzige Quelle dauerhafter Freude ist, daß wir nur in ihm auf Dauer Frieden finden können. Ich wünsche mir, daß wir ihn jetzt preisen, daß er jetzt unsere Herrlichkeit ist, die Herrlichkeit, nach der wir uns alle sehnen. Er allein kann uns jetzt und in Ewigkeit Hoffnung schenken. Alle andere Hoffnung schlägt fehl. Alle andere Herrlichkeit vergeht mit der Zeit. Am Ende werden wir, so wie in dieser Pessachwoche, keine wahre Freude kennen außer in Christus.
Mögen wir zu dieser heiligen Jahreszeit von der Verheißung des sich erneuernden Lebens erfüllt sein, mögen wir engagiertere und diszipliniertere Anhänger Christi sein. Mögen wir ihn in Gedanken in Ehren halten und seinen Namen nur liebevoll aussprechen. Mögen wir sanftmütig und barmherzig vor ihm knien. Mögen wir unseren Mitmenschen ein Segen sein und ihnen dienen, damit sie das gleiche tun.
Erlöser du der ganzen Welt, du Trost in allem Leid, dir dienen wir und preisen dich jetzt und in Ewigkeit.
Im Namen Jesu Christi. Amen.