Freut euch!
Freude kommt, wenn wir den Geist mit uns haben (siehe Alma 22:15). Wenn wir den Geist mit uns haben, freuen wir uns über das, was der Erretter für uns getan hat.
Meine lieben Brüder und Schwestern, dies ist meine erste Gelegenheit, nach meiner Berufung zu dieser neuen Aufgabe zu Ihnen zu sprechen. Ich kann weder das Bewußtsein der Verantwortung noch das Gefühl der Unzulänglichkeit beschreiben, die ich empfinde, aber ich möchte Ihnen sagen, wie dankbar ich bin, daß ich dem Herrn dienen darf.
Der Text eines meiner Lieblingslieder ist dem Brief des Paulus an die Philipper entnommen: „Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!” (Philipper 4:4.)
Solche Freude empfinden wir, wenn wir den Erlösungsplan kennen. Im Johannesevangelium lesen wir, wie Jesus sich den letzten Stunden seines Erdenlebens näherte, wo er die Sünden der Welt auf sich nehmen sollte. Als er seine Jünger auf das vorbereitete, was kommen sollte, sagte er: „Noch kurze Zeit, dann seht ihr mich nicht mehr, und wieder kurze Zeit, dann werdet ihr mich sehen.” (Johannes 16:16.) Sie konnten die Auferstehung noch nicht begreifen. Statt dessen erklärte er ihnen, daß er sie verlassen und später zurückkehren werde, und sagte ihnen auch, was sie empfinden würden: Trauer über sein Fortgehen. „Aber ich werde euch wiedersehen; dann wird euer Herz sich freuen, und niemand nimmt euch eure Freude.” (Johannes 16:22.)
So wie der Tod des Erretters Trauer brachte, können und werden die Wechselfälle des Lebens wie Tod, Krankheit, Armut und Unrecht uns traurig machen. Wenn wir von denen, die wir lieben, getrennt sind, bringt uns das immer Kummer. Das Leben ist nicht leicht, aber es wäre nicht richtig, die Prüfungen und die Drangsal, die die meisten von uns erleben, zu verringern.
Die Auferstehung und das Sühnopfer des Erretters und die Verheißung des ewigen Lebens mit unseren Lieben sind jedoch von so überwältigender Bedeutung, daß wir die Gabe des Erretters wohl nicht zu schätzen wüßten, wenn wir uns nicht freuen würden.
Freude kommt, wenn wir den Geist mit uns haben (siehe Alma 22:15). Wenn wir den Geist mit uns haben, freuen wir uns über das, was der Erretter für uns getan hat.
Was müssen wir tun, um solche Freude zu erfahren? Wir müssen die errettenden heiligen Handlungen an uns vollziehen lassen und dem lebenden Propheten folgen. Wir müssen nach bestimmten geistigen Grundsätzen leben wie Beten, Schriftstudium, rechtschaffenes Leben und Dienst am Nächsten. Es ist klar, daß wir umkehren müssen, wenn wir gesündigt haben. Ich möchte noch drei weitere Bereiche oder Ablenkungsmöglichkeiten nennen, vor denen wir uns hüten müssen, damit wir uns wirklich über das Geschenk des Erretters freuen können:
1) Ablenkungen meiden, die uns davon abhalten, das zu tun, was wir tun sollen.
2) Uns davor hüten, kleine Unvollkommenheiten über zubewerten, und 3) Vergleiche mit anderen, die uns schlecht aussehen lassen, vermeiden.
Wir sind uns der Ablenkung durch materielle Belange, die uns daran hindern, Christus in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen, oft gar nicht bewußt.
Das heißt, wir lassen uns durch terrestriale Dinge von unseren celestialen Zielen ablenken. Meine Familie nennt das die „Zeichentrickfilme am Samstagmorgen”. Ich will Ihnen das erklären.
Als unsere Kinder noch klein waren, beschlossen meine Frau Mary und ich, eine Tradition weiterzuführen, die mein Vater mich als Kind gelehrt hatte. Er sprach immer mit jedem von uns einzeln und half uns, in verschiedenen Lebensbereichen Ziele zu setzen. Dann zeigte er uns, wie Kirche, Schule und andere Aktivitäten uns helfen konnten, diese Ziele zu erreichen. Er hatte drei Regeln:
-
Es mußten sinnvolle Ziele sein.
-
Wir konnten unsere Ziele jederzeit ändern.
-
Wir mußten auf jedes Ziel, das wir uns setzten, eifrig hinarbeiten.
Weil ich aus dieser Tradition viel Nutzen gezogen hatte, wollte ich sie auch für meine Kinder einführen. Als unser Sohn Larry fünf Jahre alt war, fragte ich ihn, was er werden wolle, wenn er groß sei. Er wollte Arzt werden wie Onkel Joe. Larry hatte eine schwere Operation hinter sich und hatte seitdem großen Respekt vor Ärzten, besonders vor seinem Onkel Joe. Dann erzählte ich Larry, wie alles, was er Nützliches tat, ihn darauf vorbereiten konnte, Arzt zu werden.
Einige Monate später fragte ich ihn wieder, was er werden wolle. Diesmal wollte er Pilot werden. Ich hatte nichts dagegen, daß er sich ein anderes Ziel setzte, und erklärte ihm, wie seine Aktivitäten ihm helfen konnten, das neue Ziel zu erreichen. Dann fragte ich noch: „Larry, beim letzten Mal wolltest du Arzt werden. Warum hast du es dir anders überlegt?” Er antwortete: „Ich möchte immer noch gern Arzt werden, aber Onkel Joe arbeitet am Samstagmorgen, und ich möchte auf keinen Fall die Zeichentrickfilme am Samstagmorgen verpassen.”
Seitdem nennt unsere Familie alle Ablenkungen von einem lohnenden Ziel „Zeichentrickfilme am Samstagmorgen”.
Was für Zeichentrickfilme am Samstagmorgen gibt es, die uns davon abhalten, die Freude zu erfahren, die wir uns wünschen? Einige möchten im Tempel heiraten, gehen aber nur mit Freunden aus, die keinen Tempelschein bekommen können. Andere möchten gute Heimlehrer oder Besuchslehrerinnen sein, lassen sich aber von Fernsehen, Katalogen und anderen Dingen ablenken, so daß sie keine Zeit haben, denen zu dienen, die ihnen zugeteilt worden sind. Wieder andere wünschen sich das Familiengebet, lassen es aber zu, daß durch Kleinigkeiten Uneinigkeit entsteht, die es der Familie erschwert, gemeinsam niederzuknien. Wenn wir überlegen, warum wir das, was wir tun sollen, nicht tun, stellen wir fest, daß es eine fast endlose Liste von Zeichentrickfilmen am Samstagmorgen gibt.
Der Herr sagt von denen, die kein Reich der Herrlichkeit ererben werden: „Denn was nützt es dem Menschen, wenn ihm eine Gabe gewährt wird, und er empfängt sie nicht? Siehe, er freut sich nicht über das, was ihm gegeben wird, noch freut sich der über ihn, der die Gabe gibt.”
(LuB 88:33.) Die größte aller Gaben für die Menschheit ist das Sühnopfer Jesu Christi. Wenn wir uns über diese Gabe freuen wollen, müssen wir die Zeichentrickfilme des Lebens meiden, die uns vom Erretter und von dem celestialen Ziel, nach dem wir streben, ablenken.
Eine zweite Gruppe, die die Freude nicht findet, läßt sich dadurch ablenken, daß sie kleine Bereiche der Unvollkommenheit überbewertet, so daß sie die Freude vertreibt. Manche sehen sich deswegen nicht so, wie sie wirklich sind. Jemand, der sie betrachtet, würde denken, daß sie Freude empfinden sollten. Aber sie spüren keine Freude. Sie sind wie das Paar, das in einen schönen Garten eingeladen wurde. Anstatt sich daran zu erfreuen, sahen sie nur die wenigen verwelkten Blumen, das Unkraut und die verhältnismäßig kleinen Stellen, die nicht schön waren. Der Garten entsprach nicht ihren Erwartungen. Genauso sind sie sich selbst und anderen gegenüber übertrieben kritisch. Sie haben sich daran gewöhnt, kleine Unvollkommenheiten zu übertreiben und große Segnungen zu gering zu bewerten. So haben sie die Fähigkeit verloren, sich zu freuen.
Im Evangelium nach Lukas warnte der Erretter Marta sanft vor dieser Gewohnheit, als sie sich darüber beklagte, daß ihre Schwester Maria zu viel Zeit darauf verwende, ihm zuzuhören, anstatt für die materiellen Belange zu sorgen. Er sagte: „Marta, Marta, du machst dir viele Sorgen und Mühen.” (Lukas 10:41.) Dann wies er darauf hin, daß Maria sich auf das konzentrierte, was wirklich wichtig war.
Eine dritte Möglichkeit, wie wir unsere Freude zerstören können, besteht darin, daß wir unsere Talente und Segnungen mit denen anderer vergleichen. Am Wachstum unserer Talente können wir unseren Fortschritt am besten messen. In den letzten Jahren wird überall empfohlen, daß man das Beste geben soll, das man persönlich erreichen kann. Das ist sehr nützlich. Im allgemeinen beurteilen wir andere nach ihrer Bestform und uns selbst in unserem schlechtesten Zustand. Im Gleichnis von den Talenten lobt der Herr die Diener, die fünf und zwei Talente erhalten haben, weil sie mehr Talente hinzugewonnen haben, und sagt zu ihnen: „Nimm teil an der Freude deines Herrn.” Er tadelt aber den Diener, der das Talent, das ihm gegeben worden ist, vergraben hat (siehe Matthäus 25:14-30). Wenn wir Segnungen miteinander vergleichen, ist es fast sicher, daß wir die Freude vertreiben. Wir können nicht gleichzeitig dankbar und neidisch sein. Wenn wir wirklich den Geist des Herrn mit uns haben und Freude und Glück erleben wollen, müssen wir uns über unsere Segnungen freuen und dankbar sein. Wir müssen uns besonders über die Segnungen freuen, die wir im Tempel erhalten können.
Am 3. April 1836 waren der Prophet Joseph Smith und Oliver Cowdery im Tempel in Kirtland in Anbetung versunken. Nach einem feierlichen stillen Gebet erschien ihnen der Herr und nahm den Tempel als sein Haus an.
Die wunderbare Beschreibung des Erretters und des Erscheinens von Propheten aus alter Zeit, die wesentliche Schlüsselvollmachten wiederhergestellt haben, machen den hundertzehnten Abschnitt von Lehre und Bündnisse zu einer der heiligsten und erhabensten aller Mitteilungen, die der Herr uns gemacht hat.
Einige der schönsten Worte, die wir jemals zu hören hoffen können, stehen in diesem Abschnitt in Vers 5 und 6: „Siehe, eure Sünden sind euch vergeben; ihr seid rein vor mir; darum hebt das Haupt und freut euch. Laßt eure Brüder sich von Herzen freuen, und laßt all mein Volk sich von Herzen freuen, das mit seiner ganzen Kraft meinem Namen dieses Haus gebaut hat.”
Brüder und Schwestern, meiden wir doch die Zeichentrickfilme am Samstagmorgen, besonders diejenigen, die uns vom Tempel abhalten. Freuen wir uns an der Verheißung, die wir durch das Sühnopfer des Erretters haben, und halten wir uns durch ein christliches Leben an den Rat des Psalmisten: „Dies ist der Tag, den der Herr gemacht hat; wir wollen jubeln und uns an ihm freuen.” (Psalm 118:24.) Daß jeder von uns dies tun möge, erflehe ich im Namen Jesu Christi, amen.