Unser Wort genügt
Für ein Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gilt:, Nur ehrlich währt ewig.”
Ich bin auf einer kleinen Farm im Norden Utahs aufgewachsen. Wir waren gesegnet, denn wir hatten genug Land - nicht genug, um davon leben zu können, aber doch genug, damit ein Junge Arbeit damit hatte. Meine Eltern waren gute, arbeitsame, fleißige Menschen. Damit wir finanziell über die Runden kamen, ging mein Vater arbeiten. Jeden Morgen stellte er, bevor er das Haus verließ, eine Liste mit all dem zusammen, was ich erledigen mußte, bis er abends heimkam. Ich weiß noch, wie er mir einmal aufgetragen hat, einen Heurechen mit einem abgebrochenen Zinken zum Schmied zu bringen. Dieser Auftrag bereitete mir Kopfzerbrechen, denn mein Vater hatte mir kein Geld dagelassen, und ich wußte nicht, was ich tun sollte. Ich zögerte den Weg hinaus, solange es ging, aber als ich alle anderen Arbeiten erledigt hatte, wußte ich, daß ich gehen mußte. Mein Vater erwartete, daß bei seinem Heimkommen der Heurechen in Ordnung war, also mußte ich dafür sorgen. Ich weiß noch, wie ich mich endlich auf den Weg zum Schmied machte. Ich erinnere mich auch noch daran, wie unbehaglich mir zumute war, während ich ihm beim Schweißen zuschaute. Als er fertig war, gestand ich ihm voll Unruhe, daß ich kein Geld dabei hatte, daß aber mein Vater später zahlen würde. Er hat sicher bemerkt, wie unbehaglich mir zumute war, denn er klopfte mir auf die Schulter und sagte: „Mein Junge, mach dir deswegen doch keine Sorgen, das Wort deines Vaters genügt.” Ich weiß noch, wie ich den ganzen Heimweg gelaufen bin - erleichtert darüber, daß der Heurechen wieder in Ordnung war und daß mein Vater als jemand bekannt war, dessen Wort genügte.
Ich wußte zwar als Kind noch nicht recht, was das bedeutete, aber ich wußte, daß es etwas Gutes und Wünschenswertes war. Erst Jahre später wurde mir klar, daß jemand, dessen Wort genügt, ein redlicher, ehrlicher Mensch ist, dem man vertrauen kann. Heutzutage denkt sich mancher nichts dabei, sein Wort zu brechen, ein Versprechen nicht einzuhalten, einen Bund mit den Menschen und mit Gott zu brechen. Was für ein Segen es doch ist, mit jemand zu tun zu haben, auf den man sich verlassen kann.
Ein eindrucksvolles Beispiel dafür finden wir im Buch Mormon. Sie kennen wohl den Auftrag, den Lehi seinem Sohn Nephi und dessen Brüdern gegeben hatte, nämlich nach Jerusalem zu gehen und von Laban die Messingplatten zu holen. Nach dem ersten fehlgeschlagenen Versuch wollten die Brüder zu ihrem Vater in die Wildnis zurückkehren. Nephi allerdings wußte, daß es hier einen Auftrag zu erfüllen galt. Er erklärte: „Wir werden nicht eher zu unserem Vater in die Wildnis hinabgehen, als bis wir vollbracht haben, was der Herr uns geboten hat/’1 Ihr zweiter Versuch endete wiederum mit einem Fehlschlag. Hierauf schlich Nephi „in die Stadt und ging auf das Haus Labans zu”.2 Dort fand er Laban vom Wein trunken liegen und gehorchte der Stimme des Geistes, die ihm sagte: „Töte ihn, denn der Herr hat ihn in deine Hand gegeben. … Es ist besser, ein einzelner Mensch geht zugrunde, als daß ein ganzes Volk in Unglauben verfällt und zugrunde geht/’3 Hierauf legte Nephi Labans Kleidung an, ging in die Schatzkammer und holte die Platten. Er hatte das getan, wozu er gesandt worden war. Aber auch das eindrucksvolle Beispiel von Zoram, dem Diener Labans, ist erwähnenswert. Nephi gebot ihm mitzukommen, als er die Schatzkammer verließ, und erst als Nephi seine Brüder ansprach, erkannte Zoram, daß es sich um Nephi handelte und nicht um Laban. Wie es in der Schrift heißt, „fing er an zu zittern und wollte … fliehen”.4 Nephi ergriff ihn und redete ihm zu, er solle sich nicht fürchten, sondern er werde ein freier Mann sein, wenn er mit ihnen in die Wildnis hinabging.5 Zoram versprach das. Er gab sein Wort. Und Nephi schreibt: „Als Zoram uns den Eid geschworen hatte, da verließ uns die Furcht, die wir seinetwegen gehabt hatten.”6 Er war verläßlich, sein Eid war bindend, sein Wort genügte.
Ehrlichkeit und Redlichkeit sind keine veralteten Grundsätze, sondern heute genauso wesentlich wie früher. In der Kirche lernen wir:
Wenn wir etwas versprechen, halten wir es auch.
Wenn wir uns verpflichten, stehen wir dazu.
Wenn wir eine Berufung erhalten, erfüllen wir sie.
Wenn wir uns etwas ausleihen, geben wir es auch zurück,
Wenn wir finanzielle Verpflichtungen eingehen, bezahlen wir auch.
Wenn wir eine Vereinbarung treffen, halten wir sie ein.
Präsident N. Eldon Tanner hat folgendes erzählt: „Einmal kam ein junger Mann zu [mir] und sagte:, Ich habe mit einem Mann eine Vereinbarung getroffen, die mich verpflichtet, ihm jedes Jahr eine bestimmte Summe zu zahlen. Ich bin aber mit den Zahlungen in Verzug geraten. Ich kann nicht zahlen, sonst müßte ich mein Haus verkaufen. Was soll ich tun?’ [Ich] sah ihm ins Gesicht und sagte:, Halten Sie die Vereinbarung ein/, Auch dann, wenn ich deshalb mein Haus verkaufen muß?’ fragte der Mann. [Ich] entgegnete:, Ich rede nicht von Ihrem Haus. Ich rede von der Vereinbarung, die Sie getroffen haben, und ich kann mir vorstellen, daß Ihre Frau lieber einen Mann hat, der sein Wort hält, seinen Verpflichtungen nachkommt und seine Zusagen einhält - auch wenn sie deshalb in einem gemieteten Haus wohnen muß, als einen Mann, der sich nicht an seine Verpflichtungen und Zusagen hält, ihr aber ein eigenes Haus bietet/”7
Wir alle kennen das Sprichwort: „Ehrlich währt am längsten.” Für ein Mitglied der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage gilt: „Nur ehrlich währt ewig.” Wir müssen unseren Mitmenschen gegenüber ehrlich sein. Wir müssen unserem Gott gegenüber ehrlich sein. Wir sind Gott gegenüber ehrlich, wenn wir die Bündnisse, die wir mit ihm schließen, einhalten.
Wir sind ein Volk, das Bündnisse schließt. Wir schließen im Wasser der Taufe Bündnisse.8 Wir erneuern diese Bündnisse jede Woche, wenn wir würdig das Abendmahl nehmen. Wir nehmen den Namen Christi auf uns, wir versprechen, daß wir immer an ihn denken und seine Gebote halten wollen. Im Gegenzug verheißt er uns, daß sein Geist immer mit uns sein wird. Wir schließen im Tempel Bündnisse, und im Gegenzug dazu ist uns ewiges Leben verheißen - sofern wir diese heiligen Bündnisse einhalten.
Bündnisse mit Gott darf man nicht auf die leichte Schulter nehmen. In Lehre und Bündnisse sagt uns der Herr: „Ich habe … beschlossen, … euch in allem zu erproben, ob ihr in meinem Bund beharren wollt, ja, bis zum Tod, damit ihr als würdig befunden werden könnt”9
Das Beispiel der Anti-Nephi-Lehier im Buch Mormon veranschaulicht dies. Ammon und seine Brüder verbrachten vierzehn Jahre damit, den Lamaniten zu predigen. Tausende wurden zur Erkenntnis der Wahrheit gebracht, und diejenigen, die sich zum Herrn bekehrten, fielen niemals wieder ab,10 „denn sie waren völlig ehrlich und untadelig in allem, und sie waren fest im Glauben an Christus, ja, bis ans Ende”.11 Sie waren so dankbar für die Barmherzigkeit Gottes, daß sie mit ihm den Bund schlössen, „lieber ihr eigenes Leben hinzugeben, als das Blut ihrer Brüder zu vergießen”.12 Wie Sie wissen, haben sie ihre Kriegswaffen vergraben. Sie waren ihrem Bund so treu, daß sie, als die Heere der Lamaniten gegen sie aufmarschierten, hinausgingen, „ihnen entgegen, und sie warfen sich vor ihnen auf die Erde nieder und fingen an, den Namen des Herrn anzurufen”.13 Sie leisteten keinerlei Widerstand. Viele ließen dort ihr Leben. Doch sie wollten lieber sterben als den Bund brechen, den sie mit dem Herrn geschlossen hatten.
Seien wir im Umgang mit Gott und unseren Mitmenschen ein Vorbild an Ehrlichkeit und Redlichkeit. Eider Joseph B. Wirthlin hat gesagt: „Redlichkeit bringt unermeßlichen Lohn. Einerseits den unbeschreiblichen inneren Frieden, den wir verspüren, wenn wir wissen, daß wir das Rechte tun, andererseits weder die Schuldgefühle noch die Angst, die mit der Sünde einhergehen. Ein weiterer Lohn für Redlichkeit ist, daß wir uns dem Herrn voll Zuversicht nahen können. Der größte Lohn besteht aber darin, daß der Heilige Geist unser ständiger Begleiter ist. … Leben wir doch gemäß dem, was der Herr von uns erwartet.”14
Ich bete darum, daß wir die Verpflichtungen und Bündnisse, die wir mit Gott und unseren Mitmenschen eingehen, in Ehren halten, damit von uns gesagt werden kann: „Unser Wort genügt.” Im Namen Jesu Christi. Amen.