Die Ewigkeit liegt vor uns
Unsere geistige Kraft zu erhalten ist … eine tägliche Herausforderung. Die größte Quelle, um diese geistige Kraft zu erlangen, ist … im Tempel zu finden.
Meine lieben Brüder und Schwestern und Freunde, die Aufgabe, zu Ihnen zu sprechen, stimmt mich demütig. Ich wäre dankbar für Ihre geistige Einsicht, wenn ich jetzt von den größten Segnungen spreche, die wir in der Sterblichkeit empfangen können.
Der 3. Februar 1846 war ein bitterkalter Tag in Nauvoo in Illinois. An jenem Tag schrieb Präsident Brigham Young in sein Tagebuch:
„Obwohl ich angekündigt hatte, daß an diesem Tag keine heiligen Handlungen vollzogen werden sollten, drängten sich die Menschen den ganzen Tag lang im Haus des Herrn. … Ich sagte den Brüdern auch, daß ich meinen Wagen bereitmachen und mich auf den Weg begeben wollte. Ich entfernte mich ein Stück weit vom Tempel und meinte, die Menge würde sich dann zerstreuen, aber als ich zurückkehrte, mußte ich feststellen, daß das Haus zum Bersten voll war.
Wir blickten auf die Menge, und da wir ihr großes Verlangen kannten und wußten, daß sie nach dem Wort hungerten und dürsteten, fuhren wir fort, eifrig im Haus des Herrn zu arbeiten.”
So wurde die Tempelarbeit bis 1.30 Uhr nachts fortgesetzt.
Die beiden ersten Namen, die auf der Liste der vierten Gruppe im Register des Nauvoo-Tempels vom 3. Februar 1846 erscheinen, sind John und Jane Akerley, die an jenem Abend im Nauvoo-Tempel die Begabung empfingen. Es waren demütige, neubekehrte Mitglieder der Kirche, die weder reich noch angesehen waren. Die Tempelarbeit war ihr letztes Bestreben, ehe sie ihr Haus in Nauvoo verließen, um in den Westen aufzubrechen. Es war ein Glück, daß Präsident Young den Heiligen den Wunsch, die Segnungen des Tempels zu empfangen, erfüllt hatte, denn John Akerley starb in Winter Quarters in Nebraska. Wie 4000 andere kam er nie in dem Tal in den Rocky Mountains an. William Claytons bekanntes Kirchenlied „Kommt, Heilige, kommt!” bringt ihren Glauben gut zum Ausdruck: „Und trifft uns Tod, bevor wir sind am Ziel: Tag des Heils, nicht geweint!”
Am 26. Juli 1847, dem zweiten Tag nach der Ankunft der ersten Pioniersabteilung im Salzseetal, wurde der Bau eines Tempels angekündigt. Brigham Young machte diese feierliche Ankündigung, noch ehe die Heiligen überhaupt ein Dach über dem Kopf hatten und noch in ihren Wagen lebten beziehungsweise auf der Erde schliefen. Er steckte seinen Stock in den Boden und sagte: „Hier bauen wir den Tempel unseres Gottes.” Der Bau dieses herrlichen Gebäudes sollte vierzig Jahre dauern.
Innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Ankunft im Salzseetal bauten die Heiligen das Endowment-Haus, in dem sie manche der Segnungen des Tempels empfangen konnten. Brigham Young erläuterte die Gründe dafür: „Da wir aus unseren Häusern vertrieben worden sind und nun völlig mittellos dastehen, hat der Herr uns dies gestattet, nämlich das Endowment-Haus zum Zweck der Tempelarbeit zu nutzen.” Es wurde am 5. Mai 1855 geweiht. Hier wurde Elsie Ann, die Tochter von John und Jane Akerley, am 2. April 1857 für Zeit und alle Ewigkeit an ihren Mann, Henry Jacob Faust, gesiegelt.
Es gab jedoch heilige Handlungen, die im Endowment-Haus nicht vollzogen werden konnten, und der Bau des Salt-Lake-Tempels war bereits im Gange. Brigham Young kündigte im Hinblick auf dieses großartige Gebäude, das selbst das Millennium überdauern soll, an: „Dies ist nicht der einzige Tempel, den wir bauen werden; es werden Hunderte von Tempeln gebaut und dem Herrn geweiht werden.”
Die treibende Kraft, die die Pioniere dazu brachte, in den Westen zu ziehen, war mehr als nur der Wunsch, der Verfolgung zu entkommen. Sie suchten einen Ort, „wo nichts uns stört, nichts uns den Frieden nimmt”, und wo sie gesegnet werden konnten. Das geistige Verlangen, das sie ins Salzseetal brachte, bestand unter anderem in der Vision von einem Ort, an dem sie Gott ungestört in seinem Tempel verehren konnten.
Zweifellos waren viele Pioniere auf der Beerdigung von Joseph Smith sen. gewesen und hatten gehört, wie der Prophet Joseph Smith jun. über die Kraft und den Trost sprach, die sein Vater, der Patriarch der Kirche, im Tempel empfangen hatte:
„Er freute sich jeden Tag daran, im Haus des Herrn zu sein und in dessen Tempel Rat zu suchen. Hier empfing er viele Segnungen und verbrachte viele Stunden in innigem Gespräch mit dem himmlischen Vater. Er schritt einsam und allein durch die heiligen Hallen. … In jenen heiligen Mauern wurden seinem Sinn himmlische Visionen zuteil, und seine Seele labte sich an den Reichtümern der Ewigkeit. Dort wurden die Sanftmütigen und Demütigen von ihm unterwiesen, während die Witwen und Waisen von ihm den Patriarchalischen Segen empfingen.”
Auch die Propheten in früherer Zeit hatten die Ewigkeit, die vor uns liegt, im Blick. Tatsächlich ist der Brauch, besondere Gebäude für die Gottesverehrung und heilige Zeremonien zu bauen, schon seit Jahrhunderten Teil der Menschheitsgeschichte. Johannes der Offenbarer empfing eine prophetische Kundgebung im Hinblick auf die Tempelarbeit. Er sagte:
„Da fragte mich einer der Ältesten: Wer sind diese, die weiße Gewänder tragen, und woher sind sie gekommen?
Ich erwiderte ihm: Mein Herr, das mußt du wissen. Und er sagte zu mir: Es sind die, die aus der großen Bedrängnis kommen; sie haben ihre Gewänder gewaschen und im Blut des Lammes weiß gemacht.
Deshalb stehen sie vor dem Thron Gottes und dienen ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel; und der, der auf dem
Thron sitzt, wird sein Zelt über ihnen aufschlagen.”
Viele Heilige, einschließlich Präsident Wilford Woodruff, hatten den Propheten Joseph Smith sagen hören:
„Brüder, ich bin heute abend von euren Zeugnissen erbaut und unterwiesen worden, aber ich will euch vor dem Herrn sagen, daß ihr über die Bestimmung dieser Kirche und dieses Reiches nicht mehr wißt als ein kleines Kind auf dem Schoß seiner Mutter. Ihr begreift es nicht. … Heute Abend seht ihr hier nur eine Handvoll Priestertumsträger, aber diese Kirche wird sich über Nord- und Südamerika ausbreiten - sie wird sich über die ganze Welt ausbreiten. … Sie wird sich über die Rocky Mountains ausbreiten. Zehntausende Heilige der Letzten Tage werden sich in den Rocky Mountains sammeln. … Dieses Volk wird in die Rocky Mountains ziehen; dort werden sie dem Allerhöchsten Tempel bauen.”
Diese prophetische Aussage ist in jeder Hinsicht mehr als erfüllt worden.
Vierundzwanzig Jahre nachdem Brigham Young mit seinem Stock den Ort für den Salt-Lake-Tempel markiert hatte, begannen sie mit dem Bau des einzigartigen Tempels in St. George in Utah. Sechs Jahre später begannen sie die wunderschönen Tempel in Manti und Logan in Utah zu bauen. Seit damals dauert das Werk, Tempel zu bauen, an. Neunundvierzig Tempel sind heute in einem großen Teil der Welt in Betrieb, wobei in diesem Jahr noch mehr Tempel geweiht und weitere Tempel angekündigt und geplant werden, wie Präsident Hinckley gesagt hat.
Was ist an den Worten des Propheten Joseph Smith, daß wir „dem Allerhöchsten Tempel bauen” werden, so bedeutsam? Warum wurden all diese Tempel mit so hohen Kosten und großen Opfern gebaut? Warum werden in ständig wachsender Anzahl weitere Tempel gebaut? Der Grund dafür ist, daß im Tempel die tiefgründigsten Fragen unseres Daseins beantwortet werden. Die Antwort auf diese Fragen sagt uns, woher wir gekommen sind, warum wir hier sind, wohin wir gehen können und wie wir mit dem Tod umgehen können. Dieses Leben ergibt nur dann einen logischen Sinn, wenn wir die Ewigkeiten in Betracht ziehen. Die erhabensten Segnungen des Lebens und der Ewigkeit empfangen wir innerhalb der heiligen Mauern des Tempels. Die himmlische Gabe des Erretters an die Menschheit ermöglicht uns ewiges Leben, aber ohne unsere Lieben wäre das ewige Leben trostlos.
Eine grundlegende ewige Wahrheit, die unsere Kirche lehrt, ist die, daß eine Familie, wenn sie würdig ist, ewig Zusammensein kann; für uns wäre der Himmel ohne unsere Eltern, unsere Großeltern, unseren Ehepartner, unsere Kinder und unsere Nachkommen nicht der Himmel. Diese Vereinigung der Familie entsteht durch
die Siegelungsvollmacht, die innerhalb der geheiligten Mauern des Tempels durch die rechtmäßige Priestertumsvollmacht ausgeübt wird.
Die ewige Familie nimmt ihren Anfang, wenn ein junges Paar im heiligen Tempel Gottes vor einem Altar kniet und miteinander und mit Gott Bündnisse schließt und Gottes größte Verheißungen empfängt. Dieser Siegelung geht voraus, daß beide Bündnisse eingehen und empfangen, die ihnen, wenn sie weiterhin würdig bleiben, in diesem Leben und im Jenseits zum Segen gereichen werden.
Vater und Mutter sind bei der Aufgabe, ihre Kinder auf der Reise zu Unsterblichkeit und ewigem Leben zu erziehen und zu unterweisen, gleichberechtigte Partner mit verschiedenen Rollen. Wie kann das Leben also etwas anderes als ein ewiger Vorgang sein, wenn es seine volle Bedeutung erhalten soll?
Ein Teil dieses Vorgangs, der sich bis in die Ewigkeit erstreckt, steht uns bevor, wenn wir uns der Erfahrung, die Tod genannt wird, stellen müssen. Dieses Leben ist ohne den Glauben an und den Einblick in die Unsterblichkeit leer. Wie Paulus sagte: „Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen.” Das Sühnopfer und die Auferstehung des Erretters sind die bedeutenden Schlüssel, die den Weg zur Unsterblichkeit öffnen. Die größte Erfüllung dieser Segnungen empfangen wir, sofern wir würdig sind, in den heiligen Tempeln Gottes. Das, was diejenigen, die Macht und Vollmacht besitzen, innerhalb der heiligen Mauern des Tempels auf Erden binden, das wird auch im Himmel gebunden sein. Diese Vollmacht wird vom Präsidenten der Kirche, der alle Schlüssel des Reiches Gottes auf Erden innehat und ausübt, weitergegeben.
Der Gottesverehrung im Tempel liegt das Prinzip zugrunde, daß Gott nicht auf die Person sieht. Innerhalb der geheiligten Mauern des Tempels wird niemand aufgrund seiner angesehenen Stellung, seines Reichtums, seines Standes, seiner Rasse oder seiner Bildung bevorzugt. Alle tragen weiße Kleidung. Alle erhalten die gleiche Unterweisung, alle schließen dieselben Bündnisse und geben die gleichen Versprechen, alle empfangen die gleichen erhabenen ewigen Segnungen, wenn sie sich ihrer würdig erweisen. Alle sind vor ihrem Schöpfer gleich. Diejenigen, die ohne eigenes Verschulden alleinstehend sind, werden, wenn sie es wollen, mit einer ewigen Familie gesegnet, sofern sie würdig sind.
Wir sind ein Volk, das Bündnisse schließt. Diese ewigen Segnungen stehen allen offen, die sie würdig empfangen wollen, sowohl den Lebenden als auch den Toten. Gott hat es uns in seiner Barmherzigkeit ermöglicht, daß wir diese Segnungen stellvertretend für unsere verstorbenen Vorfahren empfangen können, die diese Möglichkeit im Leben nicht hatten. Natürlich können sie selbst entscheiden, ob sie die Segnungen annehmen wollen. Unsere Aufgabe ist es, unsere Vorfahren ausfindig zu machen und ihnen die Möglichkeit zu geben, die Segnungen anzunehmen und zu empfangen. Wie der Prophet Joseph Smith gesagt hat: „Die wichtigste Aufgabe, die Gott uns in dieser Welt auferlegt, besteht darin, daß wir nach unseren Toten forschen.”
In seiner unendlichen Güte gab Gott den Menschen auf der Erde durch den großen Propheten der Wiederherstellung, Joseph Smith, die Möglichkeit, diese himmlischen Segnungen zu empfangen. Er wurde beauftragt, in unserer Zeit alles in seiner Fülle wiederherzustellen. Darum waren die Segnungen des Tempels für Brigham Young und die Pioniere eine ihrer letzten Bestrebungen, als sie Nauvoo verlassen mußten. Aus demselben Grund galten Präsident Youngs Gedanken, als sie im Tal des Großen Salzsees ankamen, wiederum der Aufgabe, Gottes Kindern diese ewigen Segnungen zukommen zu lassen, indem sie Tempel bauten und in Betrieb nahmen.
Der Bau von Tempeln und die Gottesverehrung im Tempel waren die hauptsächlichen Beweggründe für die Bereitschaft der Pioniere, auf ihrem bemerkenswerten Zug in die unfruchtbare, abgeschiedene Wüste des Westens so vieles zu erleiden und zu ertragen. Wir freuen uns, daß Gott in unserer Zeit durch seine Vorsehung den Bau von so vielen Tempeln in so vielen Ländern ermöglicht hat. Niemand hat in dieser Evangeliumszeit mehr Tempel geweiht als Präsident Gordon B. Hinckley. Von den 49 Tempeln, die in Betrieb sind, hat er 24 geweiht. Wir hoffen und beten, daß die Segnungen des Tempels mit der Zeit einer ständig wachsenden Anzahl von Gottes Kindern überall auf der Welt zugänglich sein werden.
Über 5600 Mitglieder empfingen diese Segnungen im Nauvoo-Tempel. Der geistige Sauerteig, der im Nauvoo-Tempel seinen Anfang nahm, wird uns heute in immer größer werdendem Maß zum Segen. Er breitet sich in jedem Haus des Herrn auf der Welt aus, so daß alle, die nach der Fülle des Wortes Gottes hungern und dürsten, satt werden können.
John und Jane Akerley und die unzähligen anderen, die in der bitteren Kälte darauf warteten, den majestätischen Nauvoo-Tempel zu betreten, empfingen in seinen heiligen Mauern die größten Segnungen, die uns der Herr in diesem Leben eröffnet. Sie hatten viel ertragen, aber ihr Leiden fing gerade erst an. Die Segnungen des Tempels gaben ihnen Kraft für das, was vor ihnen lag. Sie wurden zwar in Winter Quarters durch den Tod getrennt, aber aufgrund ihres Glaubens und der Segnungen, die sie in jener kalten Februarnacht im Jahr 1846 empfangen hatten, konnten sie alles ertragen.
So wie die Pioniere in ihrem täglichen Überlebenskampf den Weitblick nicht verloren, so müssen auch wir unsere ewige Bestimmung besser im Blick haben und begreifen. Unsere Herausforderungen sind nicht so offensichtlich, aber nicht weniger schwierig. Unsere geistige Kraft zu erhalten ist ebenfalls eine tägliche Herausforderung. Die größte Quelle, um diese geistige Kraft zu erlangen, ist, wie es auch damals war, im Tempel zu finden.
Ich fordere alle, die diese größte aller Segnungen innerhalb der Mauern des Tempels noch nicht empfangen haben, eindringlich auf, alles zu tun, was notwendig ist, um sich dafür bereitzumachen, sie zu empfangen. Alle, die diese
Segnungen empfangen haben, fordere ich auf, sich bereitzumachen, das Erlebnis, innerhalb der heiligen Räume des heiligen Tempels Gottes zu sein, erneut zu genießen und ihr Herz, ihren Sinn und ihre Seele erneut für den Blick auf das ewige Leben zu öffnen.Darum bete ich von Herzen im Namen des Herrn Jesus Christus. Amen.