1990–1999
Unsere Kinder auf den Tempel vorbereiten
April 1999


Unsere Kinder auf den Tempel vorbereiten

Unsere größte Aufgabe besteht darin, unsere Kinder auf den Tempel vorzubereiten. In erster Linie ist dies die Aufgabe der Eltern, aber Großeltern, Tanten und Onkel, ja, sogar die Geschwister können alle bei der Unterweisung mitwirken.

Brüder und Schwestern, ich denke doch, daß es Freude macht, heute hier zu stehen.

Mit meiner Berufung in der JD-Präsidentschaft gehen viele schöne Erlebnisse einher. Vor einem Monat war ich in Guayaquil in Ecuador, um die Führungskräfte dort zu schulen. Ich kam erst nach Einbruch der Dunkelheit in meinem Hotel an. Am nächsten Morgen zog ich die Vorhänge zurück und erblickte in der Ferne einen wunderschönen Granitbau, der sich majestätisch über den Hügeln von Santa Ana erhob. Er war einfach unglaublich schön. Doch erst, als ich den Engel Moroni auf der Spitze erkannte, wurde mir unter Tränen bewußt, daß es ein Tempel war ­ Symbol für all die herrlichen Segnungen, die den Mitgliedern der Kirche in diesem Teil der Welt zuteil werden können.

“Ein Tempel unterscheidet sich von allen anderen Gebäuden… . Es ist ein Ort der Bündnisse und Verheißungen. Dort knien wir an einem Altar vor Gott, unserem Schöpfer, und erhalten die Verheißung immerwährender Segnungen.” (Gordon B. Hinckley, Teachings of Gordon B. Hinckley [1997], 632f.) Auf unseren Reisen sehen wir immer wieder, daß Tempel gebaut werden, Tempel, die die Heiligen Gottes erheben und das Aussehen des Landes verändern ­ in Südamerika oder sonstwo auf der Welt.

Ist wirklich erst ein Jahr vergangen, seit unser geliebter Prophet den Bau von weiteren 32 Tempeln angekündigt hat? Präsident Gordon B. Hinckley hat gesagt: “Heute ist die größte ära des Tempelbauens in der Weltgeschichte.” (Teachings, 629.)

Unser jüngster Sohn, Spencer, ist zur Zeit in der Mongolei auf Mission. Er hat geschrieben, sein Missionspräsident habe zu den Missionaren und Mitgliedern in diesem relativ neuen Gebiet der Kirche darüber gesprochen, daß es ihre Aufgabe sei, die Kirche dort aufzubauen. “Als Präsident Cox dann den Mitgliedern die Gelegenheit gab, Fragen zu stellen, lautete die erste Frage, die ihm gestellt wurde: Wann wird es in der Mongolei einen Tempel geben?’ Diese Menschen”, schreibt Spencer, “hungern danach, daß das Evangelium ihr Leben noch mehr durchdringt. Sie haben noch nicht einmal das Buch Mormon, aber sie wünschen sich einen Tempel.”

Warum ist der Tempel so wichtig? Weil der Sinn und Zweck eines Tempels, einfach ausgedrückt, darin besteht, “alle Menschen zu erlösen, die den Gesetzen und Geboten Gottes gehorchen… . Das Evangelium wurde in seiner Fülle Adam offenbart, und … die Heiligen hatten in allen Zeitaltern Tempel in irgendeiner Form.” (Elder David B. Haight, “Die persönliche Gottesverehrung im Tempel,” Der Stern, Juli 1993, 23.)

Joseph Smith hat gesagt: “Die wichtigste Aufgabe, die Gott uns in dieser Welt auferlegt, besteht darin, daß wir nach unseren Toten forschen.” (Historyof the Church, 6:313.) Wenn dem so ist, dann besteht für uns als Eltern und Familienangehörige die größte Aufgabe darin, unsere Kinder auf den Tempel vorzubereiten. In erster Linie ist dies die Aufgabe der Eltern, aber Großeltern, Tanten und Onkel, ja, sogar die Geschwister können alle bei der Unterweisung mitwirken.

Als mein Mann und ich im Tempel heirateten, wußten wir, wie wichtig es ist, das, was im Tempel geschieht, nicht außerhalb des Tempels zu besprechen ­ nicht etwa, weil die Zeremonien geheim, sondern weil sie vielmehr heilig sind. “Es wird nichts darüber verlautbart, damit nicht jemand davon erfährt, der nicht dafür bereit ist.” (Boyd K. Packer, Der heilige Tempel, 2.) Aber wir können unseren Lieben daheim doch viele kostbare Wahrheiten vermitteln. Mit Einfühlungsvermögen und Verständnis können wir unsere Kinder auf den Tempel vorbereiten.

Hier nun einiges, was wir unseren Kindern sagen dürfen, (und Ihnen wird dazu bestimmt noch mehr einfallen):

Die Tempelkleidung ist heilig. Im Tempel sind alle weiß gekleidet. Weiß ist ein Symbol für Reinheit.

Der Tempel ist das Klassenzimmer des Herrn. Präsident Hinckley hat gesagt: “[Der Tempel] wird zur Schule der Unterweisung in den erhabenen und heiligen Belangen Gottes.” (Der Stern, November 1993, 6.)

Was es bedeutet, würdig zu sein, um in den Tempel zu gehen. Können wir unseren Kindern vermitteln, daß niemand seine Kleidung oder seinen Lebensstil ändern muß, wenn er die Begabung empfängt und das heilige Garment trägt, vorausgesetzt, er hat die Grundsätze der Tempelwürdigkeit schon vorher verstanden und dementsprechend gelebt? Eine junge Frau, die stets knielange Röcke trägt, benötigt keine neue Kleidung, wenn sie die Begabung im Tempel empfängt. Und ein junger Mann, der weiß, daß er einmal in den Tempel gehen wird, hält sich in seinem Umgang bereits vorher an die sittlichen Maßstäbe der Kirche.

Die Sprache des Evangeliums lernen. Was bedeuten Worte wie Begabung, heilige Handlung, Siegelung oder Schlüssel wirklich? Es gibt da diese nette Geschichte von einem Jungen, dessen Eltern darüber sprachen, daß sie im Tempel Siegelungen durchführen wollten. Er wollte wissen: “Macht ihr nächste Woche die Wände?” Er konnte nicht wissen, daß der “Schlüssel der Siegelungsmacht gleichbedeutend [ist] mit [dem] Schlüssel des immerwährenden Priestertums” (Der heilige Tempel, 21).

Wo können wir unsere Kinder unterweisen? Ganz formell während des Familienabends, aber es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, wo wir über unsere geistigen Empfindungen für den Tempel sprechen können. Ich mag zum Beispiel die Zeit vor dem Schlafengehen. Manchmal habe ich mich, wenn die Kinder schon im Bett lagen, dazugelegt und mit ihnen über Geistiges gesprochen. In dieser stillen und friedlichen Atmosphäre kann der Geist dem Kind in Herz und Seele bezeugen, daß das, was Sie sagen, wahr ist.

Bestimmt haben auch Josef und Maria ihre Kinder über den Tempel unterwiesen. Als der Erretter zwölf Jahre alt war, nahmen ihn seine Eltern zum Paschafest nach Jerusalem mit. Der Tempel war damals der Mittelpunkt des Gemeinwesens. Als Jesus in Jerusalem zurückblieb, hielt er sich nicht an irgendeiner Vergnügungsstätte auf, wie das für einen Jungen seines Alters zu erwarten gewesen wäre. Nein, seine Eltern fanden ihn im Tempel. Vielleicht hat Maria ihm, wenn sie ihn abends zu Bett brachte, von diesen heiligen und kostbaren Wahrheiten Zeugnis gegeben.

Meine erste Erinnerung an den Tempel stammt aus meiner frühen Kindheit. Mir wurde bewußt, daß der Tempel ein wunderbarer Ort sein mußte, denn meine Eltern gingen treu hin und kamen stets gut gelaunt wieder. Wie heilig die Tempelkleidung ist, wurde mir aus der liebevollen Art klar, in der meine Mutter voll Liebe und Achtung darüber sprach.

Präsident Howard W. Hunter hat gesagt: “Wir wollen unseren Kindern von den geistigen Gefühlen erzählen, die wir im Tempel erleben. Und wir wollen ihnen in aller Ernsthaftigkeit den Zweck des Hauses des Herrn erklären, so … wie wir ihn darstellen dürfen. Hängen Sie bei sich zu Hause ein Bild des Tempels auf, so daß Ihre Kinder es immer sehen.” (Präsident Howard W. Hunter, “Ein Volk, das gern in den Tempel geht”, Der Stern, Mai 1995, 6.) In Afrika habe ich in jeder Wohnung, die ich besucht habe, ein Bild von einem Tempel schlicht aber schön an der Wand hängen gesehen.

Wir werden gesegnet, wenn wir unsere Kinder auf den Tempel vorbereiten. Ich möchte gern einiges aufzählen, was mir bewußt geworden ist:

1. Wenn wir häufig den Tempel besuchen, sind wir ausgeglichener. Nach dem Tempelbesuch fühlen wir uns wohler ­ der Einfluß des Geistes kann uns von den Enttäuschungen der Welt abschirmen. Hören wir, was Präsident Hinckley uns verheißt: “Würde in der Kirche mehr Tempelarbeit verrichtet, dann gäbe es weniger … Egoismus, weniger … Streit, weniger … Verunglimpfung [des] anderen. Die gesamte Kirche würde sich zu größeren Höhen an geistiger Gesinnung, Liebe und Gehorsam den Geboten Gottes gegenüber aufschwingen.” (Teachings, 622.)

2. Die geistige Atmosphäre des Tempels mindert das Verlangen nach Weltlichem. Wenn wir regelmäßig den Tempel besuchen, ist es uns nicht länger so wichtig, die neueste Mode zu tragen, und wir geraten nicht so leicht in den Sog weltlicher Vergnügungen.

3. Der Tempel ist ein Ort der Offenbarung. Vor vielen Jahren ging ich in den Tempel und hörte in meinem Sinn die Worte: Lerne, in der öffentlichkeit zu sprechen. Ich dachte mir: Wann soll ich denn das brauchen können? Einige Monate lang versuchte ich ziemlich halbherzig, ein wenig Begeisterung für diese Eingebung aufzubringen, die mir da zuteil geworden war. Ich lieh mir sogar aus der Bücherei eine Kassette von einem Sprecher aus, der zugab, daß es sein Ziel sei, einmal im Mormonen-Tabernakel zu sprechen. Ich dachte mir damals: Ich werde doch niemals im Tabernakel sprechen!

Elder John A. Widtsoe hat gesagt: “Wenn wir es am wenigsten erwarten ­ sei es innerhalb oder außerhalb des Tempels [­,] wird uns wie eine Offenbarung die Lösung für die Probleme zuteil, die uns das Leben schwer machen. Der Tempel ist ein Ort, wo man Offenbarungen erwarten kann.” (Zitiert in Der Stern, Januar 1991, 58.)

4. Ich habe etwas ganz Wichtiges gelernt, nämlich, daß der Satan uns davon abhalten will, in den Tempel zu gehen. Freunde haben mir einmal erzählt, daß sie keinem Menschen sagen, wann sie zum Tempel fahren. Sie setzen sich einfach ins Auto und fahren hin, denn sonst tritt bestimmt etwas ein, was sie davon abhält.

Ich habe einmal eine Warnung gelesen, die Marriner W. Merrill, der Präsident des Logan-Tempels, ausgesprochen hat. Er sagte, daß der Satan und seine Anhänger “den Mitgliedern zuflüstern und ihnen einreden, sie sollten nicht in den Tempel.” (Church Section, The Deseret News, 12. Dezember 1936, 8.) “Gegen die Tempelarbeit richtet sich deshalb soviel Widerstand, weil sie die Quelle von soviel geistiger Kraft der Heiligen der Letzten Tage ist.” (Präsident Boyd K. Packer, “Der heilige Tempel,” Der Stern, Juni 1992, 23.)

5. Der Geist des Elija wirkt auf das Land ein. Bei unserer Arbeit mit den jungen Menschen der Kirche erkennen wir, daß es sie zum Tempel zieht.

In Nicaragua in Mittelamerika haben 49 Junge Damen und ihre Führungskräfte 2000 Namen für den Tempel in Guatemala City mitgenommen. Die Mädchen hatten ein Jahr lang für diese Reise gespart. Diese glaubenstreuen Mädchen waren fast zwei Tage mit dem Bus unterwegs; sie reisten durch drei Länder und verbrachten schließlich zwei, drei Tage im Tempel, ehe sie sich wieder auf den Heimweg machen mußten.

In einer anderen Gemeinde machten die jungen Leute die Namen von 10 000 Vorfahren ausfindig, weil sie ihr Herz der Familie zugewandt hatten. überall, wo es Tempel gibt, erleben wir, daß die Jugendlichen Taufen für die Verstorbenen durchführen ­ mancher Jugendliche sogar jede Woche.

6. Im Tempel schenkt uns der Geist des Herrn Trost und Frieden ­ besonders dann, wenn wir verzweifelt sind. Vor kurzem traf ich im Tempel eine liebe, fünfunddreißigjährige Frau. Wir unterhielten uns, und ich fragte sie, ob ihr Mann auch da sei. Mit einem traurigen Blick erwiderte sie, er sei vor 3 Monaten an einem Gehirntumor gestorben. Der Tempel ist ihr Anker. Der Geist, der im Tempel herrscht, schenkt ihr Trost und Frieden. Und vielleicht war ihr Mann ja auch dort.

Jeder von uns kann sich fragen: “Wie oft soll ich in den Tempel gehen?” Unsere Führungskräfte werden uns niemals sagen, wie oft wir in den Tempel gehen müssen, denn das ist für jeden verschieden. Viele Frauen ­ ob alt oder jung ­, die nahe beim Tempel wohnen, bemühen sich, einmal pro Woche in den Tempel zu gehen. Eine meiner Freundinnen nahm sich, als sie ganztags arbeitete, jeden Monat einen Tag die Zeit, in den Tempel zu gehen, und dann besuchte sie gleich mehrere Sessionen. Es sind gehorsame Frauen, aber sie wissen auch, welche Kraft ihnen die Macht des Priestertums verleiht.

Junge Eltern können vielleicht nur einmal im Monat gemeinsam in den Tempel gehen. Präsident Packer hat gesagt: “Ich hoffe, Sie verstehen, … daß wir uns bemühen, die Genealogie als … Familienbetrieb’ zu führen … Eltern, die kleine Kinder haben, müssen sich nicht unzulänglich oder schuldig fühlen, … wenn sie weder die Zeit noch das Geld aufbringen, um häufig in den Tempel zu fahren, der zudem vielleicht noch weit entfernt liegt. Die Mutter trägt das Ihre zur Familiengeschichte bei, wenn sie wichtige Ereignisse notiert, Fotos und kleine Andenken sammelt; … wenn sie eben das tut, was sich mit ihrem vollen Tagesablauf in Einklang bringen läßt.” (Elder Boyd K. Packer, A Plea To Stake Presidents, 1. April 1988.)

Meine Mutter hat keine Andenken gesammelt, aber sie hat mir meine Familie nähergebracht. Sie hat mir Tausende Geschichten von meinen Vorfahren erzählt, und so habe ich sie lieben gelernt.

Präsident Packer sagte weiter: “Vater und Mutter können über die heiligen Handlungen und Bündnisse sprechen. Durch den Tonfall ihrer Stimme verleihen sie dem Wort ’Tempel’ jedesmal besondere Bedeutung… . Und wenn einmal die Zeit kommt, wo die familiären Verpflichtungen etwas weniger und das Einkommen etwas mehr wird, dann kann und soll man mehr für die heilige [Tempel]arbeit tun.” (Elder Boyd K. Packer, A Plea to Stake Presidents, April 1988.)

Wir bitten Sie, die Mütter und Väter, inständig, erklären Sie Ihren Söhnen und Töchtern, was die Tempelbündnisse bedeuten. Lehren Sie sie dies: “Wer die Bündnisse des Tempels auf sich genommen hat, genießt das heilige Recht, das Garment zu tragen … es ist ein äußeres Zeichen der inneren Verpflichtung, dem Erretter, Jesus Christus, zu folgen.” (Brief von der Ersten Präsidentschaft, 5. November 1996.)

Brüder und Schwestern, als Diener des lebendigen Gottes wollen wir in der heiligen Tempelarbeit vorangehen. Lehren wir unsere Kinder, sich in geistiger Hinsicht auf den Tempel vorzubereiten, um dort in der Gegenwart des Herrn zu stehen. Darum bete ich im Namen Jesu Christi, amen.