Dies ist unsere Zeit
Die Wunder der modernen Wissenschaft und Technik erhöhen uns nicht. Bei der Vorbereitung auf die Zukunft stehen wir heute vor der großen Herausforderung, in geistiger Hinsicht aufgeklärter zu sein.
Meine lieben Brüder, Schwestern und Freunde, ich bemühe mich aufrichtig um den Einfluß des Geistes für die wenigen Augenblicke, die ich hier an diesem Pult stehe. Ich bete um Weisung und Weisheit, damit das, was ich sage, dem himmlischen Vater angenehm ist.
Brüder und Schwestern, über unsere Zeit hat der Prophet Joseph Smith gesagt, es sei ein Tag, “von dem Propheten, Priester und Könige in alter Zeit mit besonderer Freude gesprochen haben. Sie haben mit freudiger Erwartung nach dem Tag Ausschau gehalten, nämlich der Zeit, in der wir leben; angefeuert von himmlischer Vorfreude, haben sie unseren Tag besungen und beschrieben und davon prophezeit… . Wir sind das begnadete Volk, das Gott sich erwählt hat, um die Herrlichkeit der Letzten Tage zuwege zu bringen.” Seit der Prophet Joseph das 1842 gesagt hat, haben sich die Menschen mehr Wissen angeeignet als in der ganzen Zeit vor seinem Wirken.
Wir stehen an der Schwelle des nächsten Jahrhunderts. Zurückblickend dürfen wir nicht vergessen, daß die bedeutendsten Ereignisse in den vergangenen 2000 Jahren nicht die Wunder der Wissenschaft, der Technologie und des Verkehrs waren, sondern das Sühnopfer des Erretters und die Wiederherstellung des Evangeliums mit den Schlüsseln und der Vollmacht des Priestertums. Diese beiden außergewöhnlichen Ereignisse werden für die Menschheit weiterhin von herausragender Bedeutung sein, während die Zeit weitergeht. Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft drehen sich um diese wunderbaren Kundgebungen göttlichen Eingreifens.
Am 1. Januar 1901 grüßte die Erste Präsidentschaft in diesem Gebäude die Welt mit den Worten:
“Heute bricht ein neues Jahrhundert an. Die hundert Jahre, die gerade hinter uns liegen, waren die bedeutendsten in der Geschichte der Menschen auf diesem Planeten. Hundert Tage würden nicht ausreichen, um auch nur eine kurze Zusammenfassung der denkwürdigen Ereignisse, der erstaunlichen Entwicklungen, der großen Errungenschaften und der nützlichen Erfindungen und Entdeckungen zu geben, die kennzeichnend sind für den Fortschritt in den hundert Jahren, die wir nun in der unaufhörlichen Entwicklung der Menschheit hinter uns lassen. Die bloße Erwähnung des neunzehnten Jahrhunderts weckt die Vorstellung von Fortschritt, Verbesserung, Freiheit und Licht. Wir schätzen uns glücklich, inmitten seiner Wunder gelebt und an seinen reichen Schätzen der Intelligenz Anteil gehabt zu haben!”
Als vor 100 Jahren diese Aussage gemacht wurde, reiste man noch mit Pferd und Wagen. Das Zeitalter des Telefons und der Elektrizität brach gerade erst an. Es gab keine Flugreisen, keine E-mail, keine Faxgeräte, kein Internet. Weltliches Wissen hat sich geradezu explosionsartig vermehrt. Ich glaube, daß Gott uns diese Schätze der Intelligenz enthüllt hat, um seine Absichten auf der Erde voranzubringen. Das neue Jahrhundert wird diesen Schatz um ein Vielfaches erweitern.
Mir geht es heute um unsere Vorbereitung auf die Zukunft. Dies ist unsere Zeit, und sie fordert mehr von uns, als nur auf die Uhr zu sehen. Manche beobachten mit Sorge ihre Uhren, die unerbittlich ihren Weg ins nächste Jahrhundert gehen. Daß wir uns der Zeit bewußt sind, wirkt sich darauf aus, wie wir denken und handeln. Das kommt in der Geschichte über eine Uhr im Schaufenster eines Restaurants zum Ausdruck. Sie war “ein paar Minuten nach 12 Uhr mittags stehengeblieben. Einmal fragte ein Freund den Besitzer, ob er nicht wisse, daß seine Uhr stehengeblieben sei. Ja’, erwiderte der Restaurantbesitzer, aber es überrascht dich sicher zu erfahren, wie viele Leute auf die Uhr sehen, meinen, sie seien hungrig, und hereinkommen, um etwas zu essen.’”
Wenn es doch nur einen göttlichen Zeitmesser gäbe, der im Menschen einen geistigen Hunger weckt! Wonach hungern die meisten Menschen? Ich denke, sie hungern nach geistiger und sittlicher Führung. Fortschritte in der Technologie, wissenschaftliche Erfindungen und die Wunder der Medizin sind erstaunlich und unglaublich. Aber wir müssen sie richtig nutzen, damit sie uns Freude bringen, und das erfordert geistige und sittliche Führung. Die Erde ist schon lange bevölkert. Computer sind zwar sehr vorteilhaft und überaus hilfreich, um uns mühsame Plackerei zu ersparen, aber wir dürfen nicht vergessen, daß die Nephiten auch ohne Computer “auf diese Weise glücklich” lebten. Elektronische Wunder bergen tatsächlich auch Gefahren. Wenn wir beispielsweise durch das Internet surfen, können wir in etwas hineingezogen werden, das, wenn wir es weiter verfolgen, unsere Ehe, unsere Familie und sogar unser Leben selbst zerstören kann.
Heute sind viele Leute vom “Jahr-2000-Problem” besessen und machen sich wegen der Art und Weise, wie der Computer die Zeit mißt, Sorgen, ob das Datum richtig herauskommen wird. Jemand hat einmal über die Zeit gesagt: “Sie ändert sich mit der Zeit: in der Jugend schreitet die Zeit voran, in der Mitte des Lebens fliegt sie vorbei, und im Alter läuft sie ab.” Ein großer Teil unserer täglichen Arbeit ist mittlerweile von der Elektronik abhängig; natürlich machen wir uns Gedanken um die Notwendigkeit, Computer neu zu programmieren, um den Schritt ins nächste Jahrhundert zu schaffen. Es mag sein, daß manche Schwierigkeiten auftreten werden, aber ich bin optimistisch, daß unsere Gesellschaft auf dem Weg ins nächste Jahrhundert nicht aufgrund eines großen katastrophalen Zusammenbruchs aller Computer zerstört wird. Die Zerstörung der traditionellen Werte unserer Gesellschaft bereitet mir viel größere Sorgen.
Ja, ich bin weitaus mehr besorgt um das Versagen unseres sittlichen Computers im Hinblick auf Ehrlichkeit, Redlichkeit, Anstand, Höflichkeit und sexuelle Reinheit. Wie viele Menschen sind heute noch wirklich unbestechlich? So viele verfangen sich in den Wellen populärer Ansichten und Rhetorik. Der Zusammenbruch der sittlichen Werte rührt daher, daß wir Gottes Lehren von unserem Verhalten trennen. Ein ehrenhafter Mensch fühlt sich verpflichtet, sich an gewisse selbst auferlegte Erwartungen zu halten, ohne daß dies von außen überprüft werden muß. Ich hoffe sehr, daß wir unseren sittlichen Computer mit den drei Elementen der Redlichkeit laden, nämlich daß wir uns selbst gegenüber ehrlich sind, daß wir anderen gegenüber ehrlich sind und daß uns das Gesetz der Ernte bewußt ist.
Ich hoffe auch, daß unsere Verehrung des Erretters unkompliziert bleibt, damit die einfache Erhabenheit der Evangeliumswahrheit wirken und uns Frieden schenken kann. Unser Glaube muß einfach, unsere Gottesverehrung muß rein bleiben. Religion ist mehr als ein Ritual; sie ist Rechtschaffenheit.
Ich zweifle nicht daran, daß die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage als Institution bereit ist, sich den Herausforderungen der Jahrtausendwende zu stellen. Die ansteigende Mitgliederzahl, die Anzahl neuer Tempel und die inspirierte Organisation machen die Kirche bereit, mit Stärke ins nächste Jahrhundert zu gelangen. Bilder von Technologie im Sinn zu haben mag lobenswert sein, aber um geistig vorwärtszukommen, müssen wir das Abbild des Erretters in unseren Gesichtsausdruck und in unser Herz aufgenommen haben.
Während sich dieser Meilenstein, das Jahr 2000, nähert, herrscht große Aufregung, weil wir nicht nur ein neues Jahrhundert, sondern auch das dritte Jahrtausend seit der Geburt Jesu Christi, des Erretters und Erlösers der Welt, beginnen. Diese einzigartige Persönlichkeit, nämlich Jesus aus Nazaret, weder angesehen noch reich, veränderte die Welt. Soweit wir wissen, besaß er weder Land noch sonstige weltliche Güter außer der einfachen Kleidung, die er trug.
Auch seine Botschaft war einfach: “Friede diesem Haus!” “Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken.” “Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.” Mit diesen und weiteren einfachen Grundsätzen führte er eine neue Lebensweise ein. Er sprach von Liebe, von der Lehre der Hoffnung und der Erlösung, vom Weg zum Frieden in dieser und in der zukünftigen Welt. Er sprach von der Auferstehung, die die geistige Finsternis auflösen und der ganzen Menschheit das helle Licht und die Hoffnung des ewigen Lebens bringen sollte.
Nach der Himmelfahrt Jesu wurden Petrus, Jakobus und Johannes und die übrigen ungelehrten Apostel und Siebziger zu Männern aus Stahl’, die seine erleuchtete Botschaft in alle Welt trugen. Mit primitiven Transport- und Kommunikationsmitteln trug diese kleine Gruppe von Missionaren die neue Botschaft der Hoffnung kühn in die Welt hinaus. Sie vollbrachten ein erhabenes Werk, als sie die inspirierten Lehren Christi fern und nah verkündeten.
Fortschritte im Hinblick auf Transport- und Kommunikationsmittel haben der Kirche als Institution geholfen, mit großer Geschwindigkeit vorwärtszugehen und das Evangelium zu verkünden. Empfehlungen über Medien machen unsere Missionare mit mehr Untersuchern bekannt. Von der Kirche produzierte Videos helfen den Missionaren, die Evangeliumsbotschaft und die Mission der Kirche zu erklären. Aber trägt jeder einzelne von uns seinen Teil bei, um dieses heilige Werk voranzubringen? Heute ermöglichen es uns die unzähligen Kommunikationsmöglichkeiten, unsere Mission mit tausendfach höherer Geschwindigkeit und Leichtigkeit auszuführen als Petrus, Jakobus und Johannes und die übrigen furchtlosen Jünger. Tausende von Boten, die Füße beschuht mit der Vorbereitung des Friedensevangeliums, gehen heute mit der Botschaft Gottes hinaus.
Die Technologie leistet einen bedeutenden Beitrag zur Verwirklichung der Mission der Kirche. Ende der fünfziger Jahre, als das Zeitalter der Düsenflugzeuge begann, bestieg Präsident David O. McKay ein Düsenflugzeug, nachdem er den Tempel in Neuseeland geweiht hatte. Als er in Los Angeles ankam, sagte er zu Elder Henry D. Taylor und anderen: “Brüder, nächsten Donnerstag, wenn die Erste Präsidentschaft und der Rat der Zwölf zusammenkommen, werde ich empfehlen, daß wir in Neuseeland einen Pfahl gründen.” Dann fügte er hinzu: “Mit diesen schnellen Flugzeugen können die Generalautoritäten rasch in jeden Teil der Welt reisen, um die Pfähle, die gegründet werden, zu besuchen.” Heute gibt es außerhalb der Vereinigten Staaten Hunderte von Pfählen.
Die im Lauf des letzten Jahrhunderts erzielten Fortschritte in Kommunikation und Verkehr haben auch dafür gesorgt, daß das Wort des Herrn’ sehr viel schneller von Zion kommt’. Ich empfinde wie Jesaja, der von unserer Zeit gesagt hat, daß “das Land erfüllt [ist] von der Erkenntnis des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist”. Ich denke, daß diese wunderbare Ausschüttung von Wissen unsere Fähigkeit vergrößert hat, die errettende Botschaft des Herrn in alle Welt zu tragen und “in seinem Namen … allen Völkern [zu] … verkünden, sie sollen umkehren, damit ihre Sünden vergeben werden”.
Während wir uns dem Jahr 2000 nähern, wird es zu einer immer größeren Herausforderung, die Wunder der Technologie beherrschen zu lernen. In diesem Bestreben kann es sich ergeben, daß wir zwar technologisch versiert, dafür aber spirituell ungebildet sind. Zweifellos öffnet uns Bildung die Tür zur Zukunft. Aber wir müssen sichergehen, daß unser Computer des Glaubens funktioniert, damit wir beständig auf dem Weg der Rechtschaffenheit bleiben können. Das erreichen wir durch tägliches Beten, Schriftstudium, den Familienabend und indem wir uns Tag für Tag an unsere Bündnisse und heiligen Handlungen halten. Unsere Gottesverehrung darf nicht bei äußerlichen Symbolen stehenbleiben, sondern muß tiefer gehen; wir müssen die einfachen, doch tiefgründigen Verhaltensgrundsätze annehmen, die der Erretter lehrte: “Kehrt um und kommt mit voller Herzensabsicht zu mir zurück!” Voll Glauben sollen wir “wie kleine Kinder werden und [uns] in [seinem] Namen taufen lassen”. Wir müssen im Umgang mit unseren Mitmenschen höflich sein und in allem, was wir tun und sagen, Tugenden wie Freundlichkeit und Achtung üben. Der Erretter fordert uns auf: “Liebt eure Feinde, segnet die, die euch fluchen, tut Gutes denen, die euch hassen, und betet für die, die euch mißhandeln und verfolgen.”
Die schwierigste Aufgabe, die wir erhalten haben, ist diese: “Darum möchte ich, daß ihr vollkommen seiet wie ich oder wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.” Vollkommenheit ist ein ewiges Ziel. Wir können zwar im irdischen Leben nicht vollkommen werden, aber es ist doch ein Gebot, danach zu streben, ein Gebot, das wir letztlich dank dem Sühnopfer halten können. Vergessen Sie nicht: die Wunder der modernen Wissenschaft und Technik erhöhen uns nicht. Bei der Vorbereitung auf die Zukunft stehen wir heute vor der großen Herausforderung, in geistiger Hinsicht aufgeklärter zu sein. All die neuen, sich entwickelnden intellektuellen Errungenschaften müssen gewiß durch große Anstrengungen und Lerneifer gemeistert werden. Das erfordert Mut und Unerschrockenheit. Aber technisches Wissen ist erst dann wirklich nützlich, wenn es einen geistigen Sinn erhält. Ich bin sicher, der Herr erwartet von uns, daß wir es zum Segen der Menschheit und dazu nutzen, seine Absichten voranzubringen, aber erst wenn wir diese hohen Ideale zu unserem Ziel und Wunsch machen, können wir die Technologie in diesem Sinne nutzen.
Da wir uns nun dem Beginn des dritten Jahrtausends seit der Geburt des Erretters nähern wie sollen wir zehn Millionen, die sich in seinem Namen haben taufen lassen, sein Werk voranbringen? Wir brauchen nur der Weisung zu folgen, die wir von Präsident Hinckley, der Ersten Präsidentschaft, dem Kollegium der Zwölf und den übrigen Generalautoritäten erhalten. Ein Großteil unseres Werks besteht darin, unser Leben und Denken zu ändern. Dazu sollte auch gehören, was der Erretter als neues Gebot bezeichnet hat: “Liebt einander!” Seine Schafe zu weiden ist für uns alle eine kontinuierliche Aufgabe.
Wie der Prophet Joseph Smith gesagt hat, ist dies unser Tag, unsere Zeit. Ich denke, daß die Zukunft größere Segnungen als je zuvor für die Menschheit bereithält. Ich freue mich an der großen Ausschüttung von geistiger Erkenntnis, wenn “das Land erfüllt sein [wird] von der Erkenntnis der Herrlichkeit des Herrn, so wie das Meer mit Wasser gefüllt ist”. Wissen und Intelligenz träufeln “wie sanfter Regen vom Himmel”, uns zum Segen. Wir sollten jede Gelegenheit wahrnehmen, im Glauben voranzugehen, und über das Jahr 2000 hinaus in eine hoffnungsvolle Zukunft blicken, und dankbar anerkennen, daß uns alle guten Gaben durch göttliche Vorsehung zuteil werden. Mit dem größeren Wissen geht auch eine größere Verantwortung einher. Wenn wir uns eifrig mühen, weise Treuhänder zu sein, und vorausschauend leben, wird der Herr uns in unserem Bemühen segnen, dieses vermehrte Wissen zu nutzen, um sein heiliges Werk voranzubringen.
Präsident Gordon B. Hinckley ist der Prophet für unsere Zeit. Er ist sich dieser größeren Verantwortung wohl bewußt und tut tatkräftig, was er kann, um Gottes Absichten auf der Erde zu verwirklichen. Jeder von uns muß tun, was er kann, um mitzuhelfen, dieses Werk voranzubringen. Wie der Psalmist schreibt: “Das hat der Herr vollbracht, vor unseren Augen geschah dieses Wunder.” Davon bin ich überzeugt und ich bezeuge es im heiligen Namen des Herrn Jesus Christus, amen.