Meine erste Berufung in der Kirche
Ich entwickelte eine bleibende Liebe zur Genealogie, als ich mir meiner Herkunft (meine Vorfahren kommen aus China, aus Großbritannien, aus Lateinamerika und aus der Schweiz) immer mehr bewusst wurde.
Nur wenige Wochen nachdem ich mich im Alter von 16 Jahren hatte taufen lassen, berief mich der Zweigpräsident, an einer Genealogieklasse teilzunehmen. Dieser einfache Auftrag veränderte mein ganzes Leben.
Ich war in Uruguay mit dem ungewöhnlichen Nachnamen Harris (mein Vater war britischer Abstammung) aufgewachsen und interessierte mich wegen meiner außergewöhnlichen Herkunft – meine Vorfahren stammten unter anderem aus der Schweiz, aus China und aus Großbritannien – bereits von jeher für Genealogie. Durch die Klasse brannte der Geist des Elija stärker als je zuvor in meinem Herzen. Ich fing an, meine Großeltern auszufragen, Familiengruppenbögen auszufüllen, Ahnentafeln zusammenzustellen und die Geschichte meiner Familie zu schreiben. Kurz nachdem ich die Klasse abgeschlossen hatte, wurde ich als Lehrer für die Genealogieklasse berufen.
In den folgenden Jahren erlebte ich mehrmals, wie ich bei der genealogischen Arbeit vom Geist geführt wurde. Seither ist mir klar, dass dies häufig der Fall ist, wenn man in diesem großen Werk tätig ist.
Archivierte Unterlagen in Uruguay
Ein außergewöhnliches Erlebnis hatte ich mit 19 Jahren. Ich wurde als Ratgeber in der Zweigpräsidentschaft entlassen, damit ich als Genealogie-Beauftragter der Mission dienen konnte. Wir bereiteten uns auf einen Besuch von George H. Fudge von der genealogischen Abteilung der Kirche in Salt Lake City vor. Bruder Fudge hoffte, einige wichtige uruguayanischen Aufzeichnungen mikroverfilmen zu können. Ich wurde gebeten, bei den dazu notwendigen Vorbereitungen mitzuhelfen.
An jenem Abend betete ich inbrünstig um die Fähigkeit, ausführen zu können, worum man mich gebeten hatte. Später fiel mir eine Zeitung mit der Schlagzeile „Genealogie in Uruguay“ in die Hände. In dem Artikel ging es um das geplante Treffen mehrerer Genealogen aus Uruguay. Dann erst bemerkte ich, dass die Zeitung schon mehrere Tage alt war. Das Treffen hatte bereits stattgefunden, aber ich beschloss, dennoch die in dem Artikel genannte Adresse aufzusuchen.
An dem Abend, als ich dort hingehen wollte, hatte ich auch den Auftrag, eine Jugendaktivität zu beaufsichtigen, weshalb ich bis 21:30 Uhr im Gemeindehaus bleiben musste. Ich hatte kein Geld für den Bus, und so ging ich zu Fuß zu dem Ort, wo das Treffen stattgefunden hatte. Es war schon spät, als ich dort ankam. Ich klingelte und hoffte das Beste. Ein paar Minuten später öffnete ein Mann die Tür.
Ich stellte mich vor und er bat mich freundlich herein. Was er dann sagte, versetzte mich in Erstaunen. „Ich bin froh, dass Sie so spät gekommen sind, denn ich bin gerade erst angekommen. Wären Sie ein paar Minuten eher gekommen, hätten Sie ein leeres Haus vorgefunden.“ Ich erfuhr, dass er Mitglied der einzigen Genealogenvereinigung Uruguays war. Ich hörte auch, dass die Zeitung den Artikel über das Treffen veröffentlicht hatte, obwohl sie gebeten worden war, dies zu unterlassen.
Ich konnte für Bruder Fudge einen Termin bei diesen renommierten Genealogen vereinbaren. Sie machten ihm die Archive zugänglich. Auf seinen Wunsch wurden einige Verzeichnisse von genealogischen Unterlagen in Uruguay mikroverfilmt. Ich glaube, es handelte sich hierbei um die ersten Aufzeichnungen, die die Kirche in Uruguay mikroverfilmt hat.
Ein chinesisches Gedicht der Generationen
Ein zweites bedeutsames Ereignis trug sich einige Jahre später zu, als ich auf Mission nach Peru berufen wurde. Mein Großvater, der nicht religiös gesinnt war, vor dem ich aber den allergrößten Respekt hatte, wollte nicht, dass ich gehe. Meine Familie stammte aus China und mein Großvater war der Patriarch. Die Beziehungen in der Familie waren im Grunde genommen unsere Religion. Es war daher unsere moralische Pflicht, unsere Alten zu ehren und ihnen zu gehorchen. Viele Wochen lang sprach mein Großvater wegen meiner Absicht, auf Mission zu gehen, kein Wort mit mir. Eine Woche vor meiner Abreise gab er mir jedoch ein Geschenk. Er schenkte mir einen Rasierapparat, den ich auf Mission benutzte und den ich immer noch habe. Mein Großvater war ein liebevoller Mann. Um dazu beizutragen, dass er eine bessere Meinung von meiner Mission bekäme, sagte ich ihm, ich würde alles in meiner Macht Stehende tun, um seine Verwandten, die in Peru lebten, ausfindig zu machen.
Innerhalb der ersten drei Monate auf Mission lernte ich Guillermo „Willy“ Hauyon, den Neffen meines Großvaters, kennen. Ich sagte ihm, ich habe gehört, dass es in der Familie ein chinesisches Gedicht gebe, aus dem jede Generation ein Wort entnehme und in ihre Vornamen einbaue. Zu meiner Überraschung brachte er das Gedicht zum Vorschein und kopierte es für mich. Nachdem ich von meiner Mission nach Uruguay zurückgekehrt war, ließ ich es meinen Großvater mit eigener Hand abschreiben. Heute ist es ein kostbares Andenken an meinen Großvater und meine Herkunft. Das Gedicht besteht aus achtundvierzig chinesischen Schriftzeichen und bezeichnet eine Generationenfolge. Es hat sich als unschätzbare Hilfe bei der Bestimmung von Verwandtschaftsgraden erwiesen.
Wenige Monate nachdem ich das Gedicht entdeckt hatte, reiste ich, der ich damals gerade im Missionsbüro diente, nach Trujillo. Dort lernte ich Elsa Hauyon kennen, die damals 82 Jahre alt war. Es stellte sich heraus, dass sie die Cousine meines Großvaters war und damit die einzige Verwandte, die ich je kennen gelernt hatte, die mit ihm in China aufgewachsen war. Ich unterhielt mich viele Stunden lang mit ihr und schrieb mir die Namen der Brüder und Schwestern meines Großvaters auf. Ich erfuhr, dass er dreizehn Geschwister hatte und nicht bloß die vier, von denen er erzählt hatte. Mit Elsas Hilfe verfolgte ich unsere Abstammungslinie bis zum Gründer der Heimatstadt meines Großvaters zurück.
Schweizer Vorfahren in Peru
Ich hatte auf Mission noch ein weiteres heiliges Erlebnis in Bezug auf die Genealogie. Nach meiner Ankunft in Peru wurde ich nach Callao, dem Hafen von Lima, geschickt. Das war bemerkenswert, denn meine Schweizer Vorfahren sind in dieser Stadt begraben. Das wusste ich damals allerdings nicht. Ein Verwandter erzählte mir schließlich von den Gräbern, doch ich konnte sie nicht finden und wurde schließlich in eine andere Stadt versetzt.
Ich glaube, der Herr wollte dennoch, dass ich meine Vorfahren fand. Ich wurde, was einem Missionar ja eher selten passiert, zweimal in denselben Zweig berufen. Fast ein Jahr später kam ich nämlich nach Callao zurück, und diesmal fand ich zwei nebeneinander liegende Friedhöfe. Auf dem einen lagen meine Vorfahren aus der Familie Schlupp begraben und auf dem anderen wurden die Unterlagen über die Familie (die bis 1820 zurückgingen) aufbewahrt. Als ich die Unterlagen durchforstete, stieß ich schließlich auf das, wonach ich suchte: „Elisabeth Schlupp, 57 Jahre alt, begraben am 16. September 1875; Anna Maria Schlupp Kruse, 66 Jahre alt, begraben am 24. Januar 1918.“ Ich hatte meine Schweizer Vorfahren gefunden!
Ich war außer mir vor Freude. Damit konnte ich schließlich vier Generationen in meiner Genealogie zusammenführen. Unter all den Orten, an die der Herr mich hätte schicken können, berief er mich nicht nur einmal, sondern gleich zweimal ausgerechnet nach Callao – an den Ort, wo ich meine Schweizer Vorfahren ausfindig machen konnte.
Ein bleibender Eindruck
Alle diese wunderbaren Ereignisse trugen sich in den ersten sechs Jahren nach meiner Taufe zu. Wenn ich auf meine Jugend zurückblicke, wird mir klar, wie sehr mein Zeugnis von der Kirche und ihrem göttlichen Ursprung durch die Genealogie und den Geist des Elija gestärkt worden ist. Ich kann wirklich sagen, ich habe den Einfluss des Herrn viele Male gespürt, und er hat mein Herz meinen Vorfahren zugewandt. Die Saite, die mein inspirierter Zweigpräsident damals zum Schwingen brachte, als er mich im Alter von 16 Jahren dazu brachte, mit der Genealogie anzufangen, klingt auch heute noch in den heiligsten Erlebnissen meiner Seele wider.
Elder John A. Harris dient als Gebiets-autorität-Siebziger im Gebiet Utah Süd.
Der Wahre Grund
„Elija kam nicht nur, um zur Forschung nach den Vorfahren anzuregen. Er machte es der Familie auch möglich, über die Grenzen des Erdenlebens hinaus in Ewigkeit verbunden zu sein. Die Möglichkeit, Familien für immer zu siegeln, ist tatsächlich der einzige Grund für unsere Forschung. Der Herr ließ durch den Propheten Joseph Smith verkünden: ‚[Es handelt sich hier] um Grundsätze hinsichtlich der Toten und der Lebenden, die man nicht leichthin übergehen kann, da sie ja unsere eigene Errettung betreffen. Denn deren Errettung ist für unsere eigene Errettung notwendig und wesentlich; … sie [werden] nicht ohne uns vollkommen gemacht –, und auch wir können ohne unsere Toten nicht vollkommen gemacht werden.‘ [LuB 128:15.]“
Elder Russell M. Nelson vom Kollegium der Zwölf Apostel, „Eine neue Erntezeit“, Der Stern , Juli 1998, Seite 37.