Die Schleusen des Himmels
Meinen ersten richtigen Job bekam ich mit 13 Jahren. Ich arbeitete als Zeitungsjunge. Ich weiß noch, wie ich jeden Abend mit dem Fahrrad durch die Nachbarschaft in Salt Lake City fuhr und die Zeitung auf die Eingangsstufen der Häuser warf. Viel Geld verdiente ich dabei nicht, aber jeden Monat, wenn ich meinen Lohn erhielt, war es für mich selbstverständlich, den Zehnten zu zahlen. Meine Eltern hatten mir das vorgelebt und ich wusste, dass es ein Gebot vom Herrn war (siehe LuB 119:3,4).
Ich weiß auch noch, dass ich als Kind mit meinen Eltern zum Zehntenausgleich ging. Für mich war es etwas ganz Natürliches, zum Bischof zu gehen und zu bestätigen, dass ich den Zehnten voll zahlte. Auch als ich älter wurde und allmählich mehr Geld verdiente, zahlte ich den Zehnten immer zuerst.
Später als Vater war es mir wichtig, dass jedes meiner Kinder zum Zehntenausgleich mit dem Bischof ging. Meine Frau und ich bemühten uns, ihnen schon früh bei-zubringen, von dem bescheidenen Ta-schengeld, das sie bekamen, den Zehnten zu zahlen, damit sie, wenn sie älter wurden, den Segen schon kannten und wussten, was sie tun sollten.
Der Segen kommt
Als meine Frau und ich heirateten, studierten wir noch und hatten nur sehr geringe Einnahmen. Den Zehnten zu zahlen war ein großes Opfer. Aber meine Frau dach-te nicht einmal daran, das Zehntengeld für etwas anderes zu verwenden, was wir notwendig brauchten, wie Essen oder Miete. Sie bestand darauf, dass wir zuerst den Zehnten zahlten, und das taten wir auch immer. Manchmal hatten wir nur einen Penny übrig, wenn alle Rechnungen bezahlt waren, aber es schien immer gerade zu reichen. Das war der Segen dafür, dass wir den Zehnten voll Glauben zahlten.
Ein weiterer Segen, den ich mit dem Zahlen des Zehnten verbinde, ist, dass ich in meiner Berufslaufbahn nie lange Zeit ohne Arbeit war. Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn wurde ich einmal entlassen, aber innerhalb von zwei Wochen hatte ich wieder Arbeit, bei der ich mehr verdiente als zuvor. 25 Jahre lang arbeitete ich für eine Firma, und es gab oft Zeiten, in denen in meinem Umfeld etliche Angestellte entlassen wurden, ich aber nicht. Ich glaube, dass der Herr mich dafür gesegnet hat, dass ich den Zehnten zahle.
Meine lieben jungen Brüder und Schwestern, wenn ihr den notwendigen Glauben ausübt, um den Zehnten zu zahlen, dann werdet ihr gesegnet, das verheiße ich euch. Wie gering euer Beitrag auch sein mag, zahlt ihn ohne zu zögern. Tut es als Erstes, wenn ihr Geld verdient habt. Dann entwickelt ihr den Glauben, manches zu vollbringen, was ihr euch sonst gar nicht zugetraut hättet. Ihr seid auch klüger im Umgang mit Geld und spürt den inneren Frieden, den man erhält, wenn man weiß, dass man das tut, was der Herr erwartet. Das ist eine Quelle der Kraft, aus der ihr in Zukunft schöpfen könnt.
Ich weiß, dass meine Frau und ich viele Segnungen erhalten haben, weil wir den Zehnten zahlen. Ich habe auch miterlebt, wie reich viele glaubenstreue Mitglieder in entfernten Teilen der Welt gesegnet worden sind, weil sie bereit sind, den Zehnten zu zahlen.
Die Kirche in Indien
Vor allem ein Erlebnis hat mich nachhaltig beeindruckt. Im Jahr 2000 durfte ich beim ersten Spatenstich für das erste Gemeindehaus der Kirche, das in Indien neu gebaut wurde, dabei sein. Das Grundstück für dieses Gemeindehaus lag in Rajahmundry, einer Stadt nahe der Ostküste. Für Indien ist es eine recht kleine Stadt, auch wenn dort etwa drei Millionen Menschen leben.
Ich reiste mit meiner Frau sowie dem Missionspräsidenten, Ebenezer Solomon, und seiner Frau nach Rajahmundry. Als wir dort auf dem überfüllten Bahnhof ankamen, ging mir der Anblick der vielen furchtbar armen Menschen sehr zu Herzen. Viele Menschen schliefen auf dem harten Fußboden, wo auch immer ein Plätzchen frei war. Als wir an dem Ort eintrafen, wo der erste Spatenstich stattfinden sollte, bemerkte ich den großen Gegensatz zwischen dem Elend, das ich eben gesehen hatte, und der Freude in den Gesichtern der Mitglieder, die gekommen waren, um uns zu begrüßen. Sie strahlten und winkten uns zu. Sie waren glücklich und aufgeregt. Auch sie lebten in mancherlei Hinsicht in armen Verhältnissen, aber da war kein Anzeichen von Verzweiflung oder Leere.
Ich wusste sofort, warum dieser Ort für das Gemeindehaus ausgewählt worden war. Ich muss zugeben, dass mir nicht ganz klar gewesen war, warum die Mittel der Kirche dazu eingesetzt wurden, an diesem entlegenen Ort ein Gemeindehaus zu bauen. Aber nachdem ich den Mitgliedern in Rajahmundry begegnet war, waren alle meine Fragen beantwortet. Diese Heiligen der Letzten Tage waren so glaubenstreu und freuten sich so sehr über ihr eigenes Gemeindehaus.
Die Münzen der Witwe
Nach dem ersten Spatenstich stellte mich Präsident Solomon vier Witwen vor, die sich einige Jahre zuvor der Kirche angeschlossen hatten. Sie waren alle über 70. Präsident Solomon sagte mir, dass diese Frauen seit ihrer Taufe immer den vollen Zehnten gezahlt hatten. Ich war beeindruckt, dass diese treuen Schwestern in einem Gebiet, in dem es so viel Not gab, es nie versäumt hatten, den Zehnten zu zahlen, obwohl das sicher ein Opfer für sie war.
Ich frage Präsident Solomon, wie viel Zehnten jede dieser Schwestern monatlich etwa zahlte. Er gab mir den Betrag in Rupien an. Da mir das nichts sagte, fragte ich ihn, wie viel das ungefähr in Dollar sei. Die Antwort werde ich nie vergessen. „Sie zahlen etwa eineinhalb bis zwei Pennys.“ Wieder wurde mir bewusst gemacht, dass es beim Zehnten nicht um Geld geht, sondern um Glauben! Es stimmte mich demütig zu erkennen, dass diese Heiligen mit einem Gemeindehaus gesegnet wurden, weil sie bereit waren, Opfer zu bringen und den Zehnten zu zahlen, auch wenn es nur Pennys waren. Ich bin sicher, dass der Herr aus diesen Pennys Millionen von Dollar macht.
Das Gebot des Zehnten hat weniger mit Geld zu tun, sondern ist ein Grundsatz des Glaubens. Der Herr bittet uns, zehn Prozent unseres Einkommens zu zahlen, und wartet darauf, ob wir genügend Glauben an ihn haben, um dieses Opfer zu bringen. Die Heiligen in Rajahmundry hatten diesen Glauben.
Als wir an dem Ort ankamen, wo das Gemeindehaus gebaut werden sollte, war von der Straße bis zu dem Baldachin, wo sich die Mitglieder versammelt hatten, ein roter Teppich ausgerollt. Der Teppich war etwa 30 Meter lang. Unter dem Baldachin standen Stühle, die mit rotem Samt bezogen waren. Sie waren groß und eindrucksvoll. Der Teppich und die Stühle waren schon abgenutzt, aber es war das Beste, was diese Mitglieder bieten konnten. Sie wollten nicht weniger geben als das Beste. Das stimmte mich sehr demütig. Diese Heiligen in Rajahmundry zeigten, was es heißt, dem Herrn treu das Beste zu geben, ob es um das Zahlen des Zehnten ging oder darum, den Führern der Kirche, die sie besuchten, das Beste zur Verfügung zu stellen.
Vielleicht kommt es euch so vor, dass zehn Prozent eures Einkommens, mag es gering oder hoch sein, nicht viel Gutes bewirken können und nicht sehr wichtig sind. Ich versichere euch, dass sie wichtig sind. Es ist wichtig, dass ihr jetzt nach dem Gesetz des Zehnten lebt, denn es stärkt euren Glauben und bereitet euch auf Prüfungen vor, die noch kommen werden.
Der Herr hat uns verheißen: Wenn wir seine Gebote halten, ist er verpflichtet, uns die verheißenen Segnungen zu geben (siehe LuB 82:10; 130:21). Das habe ich im Leben der Heiligen in Rajahmundry mit eigenen Augen gesehen, und ihr könnt diesen Segen auch erleben, wenn ihr treu euren Zehnten zahlt.