Klassiker des Evangeliums
Auf den Fels gebaut
1847 wurde den Heiligen der Letzten Tage unter der Führung Präsident Brigham Youngs geboten, sich in Gruppen zu hundert, fünfzig und zehn Mann aufzuteilen, ehe sie sich mit Ochsengespannen auf die lange und beschwerliche Reise ins Salzseetal machten.
Nun möchte ich Sie fragen: Wäre es klug oder vernünftig, wenn in unserer Zeit jemand versuchen wollte, die Vorgaben dieser Offenbarung auszuführen? Was würden Sie von jemandem halten, der im Zeitalter der Eisenbahnen und Autos und Flugzeuge hier in Utah zwei Ochsen einspannen und sich auf den Weg zum Missouri machen würde? …
Damit möchte ich Folgendes sagen: Wir sind ein fortschrittliches Volk, denn wir sind Gottes Volk, und als solches haben wir das Recht, die modernen Methoden, die verbesserten wissenschaftlichen Errungenschaften zu nutzen, die der Herr bereitet und uns zur Verfügung gestellt hat, um sein wunderbares Werk voranzubringen. …
Was unterscheidet uns?
Vor vielen Jahren war ein Prälat einer [anderen] Kirche zu Besuch in Utah …, und ich unterhielt mich mit ihm. Er hatte eine Abendmahlsversammlung der „Mormonen“ besucht und hatte einiges an der Art und Weise, wie bei uns das Abendmahl gespendet wird, auszusetzen. Vor allem störte ihn, dass wir Wasser statt Wein verwenden. Er sagte, es habe ihn geschaudert, als er gesehen habe, dass Wasser getrunken wurde. Und er wies auf die Tatsache hin, ja, es ist eine Tatsache, dass in der Bibel steht, der Heiland habe Wein verwendet, als er das Abendmahl unter den Juden einführte, und dabei erklärt, dass dies sein Blut sei oder sein Blut darstelle. Ich merkte an, dass auch im Buch Mormon steht, dass der Heiland Wein verwendete, als er unter den Nephiten das Abendmahl einführte.
Mein … Bekannter hatte, ob bewusst oder nicht, das entscheidende Merkmal angesprochen, das Gottes Kirche von jeder anderen Kirche auf der Welt unterscheidet, nämlich dass diese Kirche auf den Fels Christi gebaut ist, auf unmittelbare und fortdauernde Offenbarung, während sich andere Kirchen auf Bücher und Traditionen und menschliche Vorstellungen gründen. Was die Heiligen der Letzten Tage tun, tun sie nicht, weil es zufällig in einem Buch steht. Sie tun es nicht, weil Gott es den Juden so geboten hat. Ebenso wenig tun oder unterlassen sie etwas aufgrund von Weisungen, die Christus den Nephiten gegeben hat.
Was auch immer in dieser Kirche geschieht, geschieht deshalb, weil Gott, der in unserer Zeit vom Himmel spricht, es seiner Kirche so geboten hat. … So ist die Kirche Christi beschaffen. Wenn wir beim Abendmahl des Herrn Wasser anstatt Wein verwenden, dann deshalb, weil Christus es so geboten hat.
Gottes Werk schreitet voran
Göttliche Offenbarung passt sich den Umständen und Verhältnissen des Menschen an; eine Veränderung folgt auf die andere, während Gottes fortschreitendes Werk seiner Bestimmung entgegengeht. Kein Buch ist groß oder gut genug, um über diese Kirche zu präsidieren.
Das sage ich jedoch mit allem gebührenden Respekt vor dem geschriebenen Wort Gottes, das in Büchern festgehalten ist. Manches davon mag veraltet sein, hat seinen Zweck erfüllt und kann abgelegt werden, doch vieles andere ist voller Kraft und Leben und lässt sich durchaus auf unsere gegenwärtige Situation beziehen, auf unseren derzeitigen Entwicklungsstand. Aber auch das muss richtig ausgelegt werden. Niemand soll für das streiten, was in den Büchern steht, und sich dabei über das Sprachrohr Gottes hinwegsetzen, den Propheten, der für den Herrn spricht und sein Wort auslegt. Wer das tut, beugt sich lieber dem toten Buchstaben als dem lebendigen Propheten Gottes, und diese Haltung ist immer falsch.
Was der Herr vor zweitausend Jahren zu den Juden oder zu den Nephiten sagte oder was er vor fünfzig oder sechzig Jahren zu den Heiligen der Letzten Tagen sagte, hat in unserer Zeit keinerlei Gültigkeit, es sei denn, es stimmt mit neuzeitlicher Offenbarung überein, mit den aktuellen Anweisungen des Herrn an sein Volk, die durch seine erwählten Diener oder seinen erwählten Diener ergehen. Wer diese Tatsache missachtet, gerät leicht in Schwierigkeiten. Das aktuelle Wort Gottes müssen wir beachten. Es hat Vorrang vor jeder früheren Offenbarung, wie wahr sie auch sein mag.
Derselbe Gott, der uns heute aufträgt, dies oder jenes zu tun, kann dieses Gebot morgen widerrufen, ohne dass er deshalb veränderlich oder unbeständig wäre. Alle zwei Jahre kommt die gesetzgebende Versammlung zusammen, um alte Gesetze oder Erlasse, die ihren Zweck erfüllt haben, aufzuheben. Aber niemand käme auf die Idee, die Gesetzgeber der Unbeständigkeit oder Widersprüchlichkeit zu beschuldigen. Warum sollte man also Gott für unbeständig halten, wenn er heute eines sagt und es morgen oder nächsten Monat oder nächstes Jahr ändert, um sich veränderten Gegebenheiten anzupassen?
Er gebot Abraham, seinen Sohn zu töten, doch als Abraham kurz davor war, es zu tun, sagte derselbe Gott: „Streck deine Hand nicht gegen den Knaben aus.“ [Genesis 22:12.] Abraham war verpflichtet, … das zweite Gebot zu halten anstatt des ersten; hätte er es nicht getan, wäre er ein Übertreter gewesen.
Wir müssen Schritt halten
Ich könnte das Thema endlos ausführen, möchte aber mit dem folgenden Gedanken schließen. Gottes Werk entwickelt sich weiter. Das Äußere kann sich ändern, aber nie die Grundsätze. Die Wahrheiten, auf die Gottes Werk gegründet ist, sind ewiger Natur, unveränderlich, aber es gibt viele Regelungen, die sich ändern und wieder ändern, je weiter Gottes Werk voranschreitet. Das immerwährende Evangelium ist mehr als eine Feuerleiter, mehr als ein Ausweg aus einer gefährlichen Lage. Es ist der göttliche Plan für den Fortschritt des Menschen, der Weg zur Vollkommenheit. Der Kern des Evangeliums ist Verbesserung, Weiterentwicklung.
Gottes Werk wird weiter vorwärtsschreiten, aber werden Sie und ich mithalten? … Wie können wir mit dem Werk des Herrn Schritt halten? Nur auf eine Weise: Indem wir tun, was er geboten hat, und lassen, was er verboten hat. …
O meine Brüder und Schwestern in der Kirche Christi! Bleiben wir wach und aufmerksam und aktiv. … Hören wir nicht auf, Gott zu dienen, damit der Geist seines Werkes in uns bleibt und uns auf dem Weg führt, der „heller und heller“ wird „bis zum vollkommenen Tag“ [siehe LuB 50:24].