Dienst in der Kirche
Eine Kartoffel für die Lehrerin
Die Verfasserin lebt in Utah.
Ich habe erkannt, dass nicht immer eine großartige Geste nötig ist, wenn wir jemandem Gutes tun wollen. Eine freundliche kleine Geste ist ebenso schön.
Als Grundschullehrerin habe ich in über 25 Jahren einige interessante Geschenke von meinen jungen Schülern und Schülerinnen bekommen. Witzige Briefchen, Zeichnungen und fantasievolle Basteleien sind nichts Ungewöhnliches. Letztes Jahr aber habe ich zum ersten Mal eine Kartoffel geschenkt bekommen.
„Eine Kartoffel für die Lehrerin“, sagte die kleine Emma stolz, als sie vor meinem Schreibtisch stand. „Ich hatte nämlich keinen Apfel.“ Es war eine mittelgroße Kartoffel, blank geschrubbt und so schön, wie eine Kartoffel eben sein kann. Ich dankte Emma und legte die Kartoffel auf meinen Schreibtisch. Den ganzen Schultag über sah ich Emmas blaue Augen immer wieder voller Stolz strahlen, wenn sie die Kartoffel ansah.
Als ich nach der Schule noch eine Weile an meinem Schreibtisch arbeitete, betrachtete ich amüsiert die Kartoffel. Kinder sehen alles so einfach, und mit einer gewöhnlichen Kartoffel hatte Emma mir etwas Wichtiges beigebracht. Deshalb ließ ich auch die Kartoffel zur Erinnerung mehr als eine Woche lang auf meinem Schreibtisch liegen.
Als Besuchslehrerin und Schwester wollte ich anderen in meiner Gemeinde oftmals gerne helfen. Aber ich hatte immer auf den „Apfel“ gewartet, ehe ich mir Zeit zum Helfen nahm. Wenn ich viel zu tun hatte und es nicht schaffte, für jemanden einen Auflauf zu kochen, oder wenn ich eine schöne Blume verschenken wollte, aber nicht dazu kam, in den Blumenladen zu gehen, ließ ich die sanfte, leise Stimme des Geistes außer Acht, die mir zuflüsterte, dass jemand meine Hilfe brauchte.
„Ich mach das am Wochenende, wenn ich Zeit habe“, sagte ich mir dann. „Heute braucht mich keiner.“
Was aber, wenn mich tatsächlich jemand braucht? Was wäre, wenn ich der Eingebung, ich solle bei einer älteren Nachbarin vorbeischauen oder bei einer jungen Witwe, deren Mann erst vor kurzem gestorben war, einfach gefolgt wäre? Hätte ich helfen können, selbst wenn ich im Moment nicht mehr zu bieten hatte als eine „Kartoffel“?
Emma hat mich etwas sehr Wichtiges gelehrt, was ich nun nach besten Kräften in die Tat umsetze. Wenn ich keinen Apfel habe, schenke ich eben eine Kartoffel, und zwar jetzt gleich. Ich warte nicht, bis ich Zeit habe, einen Auflauf zu kochen oder meinen bekannten Zitronencremekuchen zu backen. Stattdessen kaufe ich eben eine Schachtel Kekse. Ich komme nicht oft am Blumenladen vorbei, aber ich kann auch ohne Blumen bei jemandem vorbeischauen, um ein wenig zu plaudern. Eine selbstgebastelte Karte wäre nett, ein kurzer Telefonanruf tut es aber auch. Es ist nicht jedes Mal eine große Geste nötig, um jemandem etwas Gutes zu tun. Eine freundliche kleine Geste ist ebenso schön.
Die Kartoffel liegt jetzt bei mir zuhause, aber ich werde sie wohl nie essen. Sie erinnert mich daran, dass ich jeder Eingebung, jemandem zu helfen, unverzüglich folgen sollte. Ich gebe einfach, was ich zu geben habe, und warte nicht auf einen besseren Zeitpunkt. Eine Kartoffel für die Lehrerin war das schönste Geschenk von allen.