„Selbst wenn man schon älter ist, hört doch die Nächstenliebe niemals auf“, Liahona, März 2023
In Treue altern
Selbst wenn man schon älter ist, hört doch die Nächstenliebe niemals auf
Diese Frauen wurden in vorgerücktem Alter als FHV-Präsidentschaft berufen und bringen sich mit viel Erfahrung und Verständnis in ihre Berufung ein.
„Wahrscheinlich sind wir die älteste FHV-Präsidentschaft in der ganzen Kirche“, meint Sharon Alexander, die vor kurzem 89 wurde. Ihre Ratgeberinnen Marlene Peterson und Dorothy Arnold sind 90 beziehungsweise 91 Jahre alt.
„Unser Durchschnittsalter liegt also bei 90“, sagt Dorothy lachend.
Diese FHV-Präsidentschaft ist im Zweig eines Seniorenheims in Ogden in Utah tätig. In dem Seniorenzentrum wohnen viele ältere Mitglieder der Kirche. Die Präsidentschaft ist also oftmals mit der Gehhilfe von Tür zu Tür unterwegs, begrüßt die Leute und überzeugt sich, dass es allen gutgeht.
Früher waren für diese Betreuungsbesuche Mitglieder aus den umliegenden Gemeinden zuständig. Dann hatte der Pfahlpräsident das Gefühl, er solle doch die Zweigpräsidentschaft bitten, den Herrn zu fragen, welche der dort wohnenden älteren Mitglieder in welcher Berufung dienen könnten.
Zu reich gesegnet, als dass sie ablehnen könnte
„Als der Zweigpräsident die Berufung als FHV-Präsidentin aussprach“, meint Sharon, „dachte ich mir, ich bin doch viel zu reichlich gesegnet worden, als dass ich jetzt Nein sagen könnte.“ Sie wiederum empfing dann Eingebungen zur Frage, wer ihre Ratgeberinnen sein sollten. „Marlene kam mir zuerst in den Sinn“, erzählt sie. „Wir hatten im Pfahl zusammengearbeitet und Namen für die Tempelarbeit vorbereitet. Ich wusste, dass ihr Mann vor nicht allzu langer Zeit verstorben war, und obwohl das keine leichte Zeit für sie war, war mir bewusst, dass sie treu ist.“
Nach einer Abendmahlsversammlung blickte sich Sharon im Raum um und bemühte sich um Inspiration. „Da sah ich Dorothy. Sie lächelte mir zu, und mir war klar, dass sie meine andere Ratgeberin werden sollte. Der Herr führte mich zu diesen beiden, und bei keiner der beiden hat er einen Fehler gemacht.“
Wie eine große Familie
Sharon sagt auch, dass sie einen Vorteil darin sähe, dass sich Leute aus dem Seniorenheim direkt um andere Bewohner kümmern. „Wir sind einfach näher dran“, erklärt sie. „Uns ist bewusst, dass wir manchmal einfach nicht mehr können, dass wir mitunter vergesslich sind und dass es Tage gibt, an denen es uns nicht sonderlich gut geht. Aber über so manche Unannehmlichkeit können wir auch einfach lachen.“
„Die Menschen hier sind sowieso wie eine große Familie“, wirft Marlene ein. „Wir essen gemeinsam und sehen uns deshalb dreimal am Tag. Bisweilen unternehmen wir auch etwas gemeinsam. Ich glaube also wirklich, dass der Pfahlpräsident inspiriert war, als er meinte, dass es hier Menschen gibt, die einander dienen können.“
„Wir bekommen einfach mit, was hier von Tag zu Tag geschieht. Wir merken es, wenn jemand Hilfe braucht oder krank ist“, bestätigt Dorothy.
Die Mitglieder der FHV-Präsidentschaft betreuen nicht nur andere und helfen den Schwestern, sich ihrerseits auch wieder um jemanden zu kümmern, sondern sie organisieren auch den FHV-Unterricht. Sie schlagen Schwestern vor, die als Lehrerinnen berufen werden könnten, und sie passen Aufträge und Termine an die Bedürfnisse der Lehrerinnen an.
Jeden an die Liebe des Herrn zu uns erinnern
„Unsere Hauptaufgabe besteht jedoch darin, den Senioren und Seniorinnen hier im Heim vor Augen zu führen, dass der Herr sie liebhat“, sagt Marlene. „Wenn wir das tun, verspüren auch wir seine Liebe.“
„Jeder hier hat so seine Wehwehchen“, ergänzt Sharon. „Ich habe jetzt gesundheitliche Beschwerden, die ich vor fünf Monaten noch nicht hatte. Doch wenn ich mir dann leidtue, denke ich: ‚Das ist rein gar nichts im Vergleich zu dem, was der Erretter durchgemacht hat.‘ Wir sind ja hier, um Fortschritt zu machen und uns weiterzuentwickeln. Und selbst in vorgerücktem Alter können wir beständig dazulernen, weil wir ja aus jeder Erfahrung etwas lernen.“
Weil jede von ihnen schon geliebte Menschen verloren hat, sind die Mitglieder der FHV-Präsidentschaft auch im Mitfühlen geübt. Sie wissen, wie man denen beisteht, die des Trostes bedürfen. Innerhalb eines Jahres verlor Marlene vier Angehörige sowie ihre beste Freundin.
„Weil auch wir Schweres durchgemacht haben“, erklärt sie, „können wir anderen in schwierigen Zeiten zur Seite stehen. Wenn einem selber etwas auf der Seele lastet, sollte man sich im Dienst am Nächsten verlieren. Und genau dabei hilft mir diese Berufung.“
Die Mitglieder der Präsidentschaft bringen in ihre Berufung eine Fülle an Erfahrung und Verständnis mit. Sie haben an vielerlei Orten gelebt und gearbeitet – in Kalifornien, Ohio, Wyoming und Utah. Sie haben im Tempel gedient, waren in Berufungen in der Gemeinde und im Pfahl tätig – in der Primarvereinigung, bei den Jungen Damen oder im humanitären Dienst. Dorothy hatte bisher allerdings noch nie eine Berufung in der FHV gehabt.
„Was ist denn der Wahlspruch der Frauenhilfsvereinigung?“, fragt sie und sagt sogleich: „‚Die Liebe hört niemals auf.‘ Das gilt für die Jungen ebenso wie für uns Ältere. Als Präsidentschaft erleben wir das Tag für Tag.“
„Ich glaube, wir arbeiten wirklich gut zusammen“, sagt Sharon mit einem Augenzwinkern, „wenn man bedenkt, dass wir als Präsidentschaft im Durchschnitt 90 Jahre alt sind.“