Zum Glück hatte ich ihm zugehört
Sanderson
Utah
Es war ein hektischer Tag in meiner Praxis für Neurologie, und ich lag hinter dem Zeitplan zurück. Glücklicherweise lief der Termin mit einem Patienten schneller als gedacht. Ich wollte schon erleichtert aufstehen und aus dem Behandlungszimmer gehen, doch dann erzählte mir der Patient von etwas, was mit dem eigentlichen Grund für seinen Besuch gar nichts zu tun hatte. Trotz meiner Ungeduld hatte ich den Eindruck, ich solle mich wieder hinsetzen und zuhören.
Er berichtete, seine Frau sei vor kurzem krank geworden. „Sie wusste genau, was los war“, sagte er. „Aber sie hat mir nichts gesagt, weil sie Angst davor hatte, ins Krankenhaus zu kommen.“
Nach einigen Tagen konnte sie nur noch im Bett liegen. Sie war verwirrt und sprach unzusammenhängend. Mein Patient hatte selbst große gesundheitliche Beschwerden, und schon bald verschlechterte sich beider Zustand. Sie konnten sich nicht mehr um den anderen kümmern. Als die Schwägerin meines Patienten zu Besuch kam, war sie äußerst besorgt. Sie rief zwei Krankenwagen, um die beiden ins Krankenhaus bringen zu lassen. Die Ärzte fanden schnell heraus, dass die Frau Brustkrebs im fortgeschrittenen Stadium hatte.
„Ich habe nie wieder mit meiner Frau sprechen können“, sagte der Mann.
Sie hatte nämlich einen Herzinfarkt erlitten und musste an lebenserhaltende Geräte angeschlossen werden. Mein Patient erklärte, dass er im Rollstuhl von seinem Krankenhauszimmer zur Intensivstation gefahren wurde, um seine Frau noch ein letztes Mal zu sehen. Dann bat er die Ärzte, die lebenserhaltenden Geräte abzuschalten.
Der Mann sprach nicht weiter. Anscheinend hatte er alles gesagt, was er sagen wollte. Ich brachte mein tiefes Mitgefühl zum Ausdruck. Er schüttelte mir die Hand und ging. Zum Glück hatte ich mich wieder gesetzt und ihm zugehört. Zum Glück war ich nicht gegangen, obwohl ich das vorgehabt hatte. Wie hätte sich der Mann wohl gefühlt, wenn ich genau in dem Augenblick aus dem Raum geeilt wäre, da er seine Last mit mir teilen wollte?
Ich weiß nicht, warum dieser Patient mir an jenem Tag seine Geschichte erzählte, aber ich weiß, warum ich ihm zugehört habe. Alma hat gesagt, dass diejenigen, die den Wunsch haben, getauft zu werden und Jesus Christus zu folgen, willens sein sollen, „des anderen Last zu tragen, … mit den Trauernden zu trauern, ja, und diejenigen zu trösten, die des Trostes bedürfen“ (Mosia 18:8,9).
Mein Patient trug eine Last, und ich konnte ihm ein wenig dabei helfen, sie zu tragen. Er trauerte, und ich trauerte mit ihm. Er bedurfte des Trostes, und ich tröstete ihn. Auf diese einfache Weise versuchte ich, mein Versprechen zu halten, mehr wie der Erretter zu werden.