Die Geschichte der Kirche: Eine Quelle der Kraft und Inspiration
Wenn wir mehr über die Heiligen aus der Anfangszeit erfahren, werden wir darin bestärkt, unsere Mission als Tochter oder Sohn Gottes zu erfüllen.
Elder Cook: Die Geschichte der Kirche kann eine wichtige Quelle des Glaubens sein. Einiges wurde jedoch missverstanden oder übersehen. Manche Leute haben Geschichten aus der Vergangenheit sogar absichtlich falsch dargestellt, um Zweifel zu säen.
Wenn wir mehr über die glaubwürdige Geschichte der Kirche erfahren, fühlen wir uns im Herzen mit den Heiligen damals und heute verbunden. Wir stoßen auf Beispiele von unvollkommenen Menschen wie du und ich, die im Glauben vorangingen und es zuließen, dass Gott sein Werk durch sie verrichtete. Ich verheiße Ihnen: Wenn Sie sich mit der Geschichte der Kirche beschäftigen, kann das Ihren Glauben vertiefen und Ihren Wunsch stärken, noch mehr nach dem Evangelium zu leben.
Die Geschichte von der Wiederherstellung ist eine Geschichte voller Opfer, Entschlossenheit und Glauben. Wir alle sind Teil der Wiederherstellung und somit der Geschichte der Kirche. Jeder von uns hat in diesem Leben eine Mission zu erfüllen, die dazu beiträgt, dass das Evangelium die Erde erfüllt. Wenn wir mehr über die Heiligen aus der Anfangszeit erfahren, werden wir darin bestärkt, unsere Mission als Tochter oder Sohn Gottes zu erfüllen.
In den über 24 Jahren, in denen ich nun schon Generalautorität bin, war es immer der Wunsch der führenden Brüder, so offen wie möglich zu sein, was sowohl die Geschichte als auch die Lehre der Kirche anbelangt. Wir sind der Meinung, dass das neue Material – insbesondere die Joseph Smith Papers, die Abhandlungen zu den Evangeliumsthemen, die Themen im Zusammenhang mit der Geschichte der Kirche und nun das mehrbändige Buch Heilige1 – den Leuten eine wunderbare Möglichkeit bietet, wahre Informationen in ihrem Kontext zu untersuchen und dadurch das Evangelium Jesu Christi verlässlich nachvollziehen zu können.
Eine meiner Lieblingsbegebenheiten im Buch Heilige ist die Geschichte von Addison Pratt, der in den südpazifischen Raum ging. Er taufte etwa 60 Menschen. Meine Frau Mary und ich hatten die Gelegenheit, die Australinseln in Französisch-Polynesien zu besuchen, wo Addison Pratt missionierte.
Eine der beeindruckendsten Erfahrungen war für mich, als ich eine junge Frau dort sagen hörte: „Ich gehöre in meiner Familie zur siebten Generation, die der Kirche angehört.“ Addison Pratt hatte einen entfernten Vorfahren von ihr getauft, bevor die Heiligen nach Utah zogen.
Wo in der Welt Sie auch leben mögen, aus welcher Familienlinie Sie auch stammen mögen: Sie sind wichtig und Sie sind Teil der Geschichte der Kirche. Wir brauchen Sie sehr und möchten Sie bei uns haben. Sie werden vielen Menschen ein Segen sein.
Warum geht die Kirche mit einigen umstrittenen Punkten in ihrer Geschichte nicht offener um?
Kate Holbrook
Als ich vier Jahre alt war, arbeiteten meine Mutter und meine Großmutter im Beehive House, wo einst Brigham Young in Salt Lake City gewohnt hat. Sie erzählten mir alles über Brigham Young, auch dass er viele Ehefrauen hatte. Etwa zehn Jahre später erfuhr ich, dass Joseph Smith viele Ehefrauen hatte. Von den Sehersteinen, die Joseph Smith für die Übersetzung des Buches Mormon verwendet hat, erfuhr ich erst als Erwachsene. Die Kirche hat mir aber keinerlei Informationen vorenthalten, sondern diese geschichtlichen Informationen wurden einfach nicht so thematisiert, als ich jung war.
Am Sonntag in der Kirche und beim Seminar ging es um das wesentliche Werk der Kirche, und genau darüber erfuhr ich immer mehr. Ich lernte, umzukehren. Ich lernte, mein Leben mit dem Evangelium Jesu Christi in Einklang zu bringen. Ich lernte, wie ich eine Beziehung zu meinem Vater im Himmel aufbaue. Das bedeutet mir in meinem Leben am meisten. Ich weiß, dass es sehr schmerzlich sein kann, etwas zu erfahren, was man gern schon viel früher gewusst hätte. Genau deshalb machen Matt und ich diese Arbeit. Wir hoffen, dass nun niemand mehr die gleiche Erfahrung machen muss, da wir das Buch Heilige haben, worin für jedermann die vollständige Geschichte dargestellt wird.
Woher wissen wir, ob eine Quelle zur Geschichte der Kirche zuverlässig ist?
Matt Grow
In den letzten neun Jahren habe ich für die Kirche als Geschichtsschreiber gearbeitet. Ich kenne die Haltung unserer Generalautoritäten in Bezug auf unsere Geschichte. Es geht ihnen nicht darum, wie die Geschichte der Kirche verheimlicht oder zensiert werden kann. Vielmehr sprechen sie darüber, wie man die Geschichte greifbar, verfügbar und verständlich machen kann.
Wir alle wissen, dass die Herausforderung im Informationszeitalter nicht darin besteht, Antworten zu finden – davon sind wir ja förmlich umzingelt –, sondern zwischen guten und schlechten Antworten, zuverlässigen und unzuverlässigen Informationen zu unterscheiden. Es gibt im Internet so viele Diskussionen über unsere Geschichte, und die meisten davon erhitzen eher die Gemüter, als dass sie die Sache erhellen.
Seien Sie vorsichtig bei Informationsquellen, die nur darauf abzielen, Menschen herunterzuziehen. Suchen Sie stattdessen nach Informationsquellen, die sich auf die Berichte derer stützen, die damals gelebt haben, oder in denen man sich um Objektivität bemüht. Es ist sehr leicht, die Vergangenheit zu verdrehen, indem man ein Zitat oder einen Vorfall aus dem Kontext reißt und als bedenklich darstellt.
Als Historiker versuche ich, dem Rat eines britischen Schriftstellers zu folgen. Dieser sagte: „Die Vergangenheit ist ein fremdes Land; dort gelten andere Regeln.“ (L. P. Hartley, The Go-Between, 1953, Vorwort.) Wenn wir uns also mit der Vergangenheit befassen, wollen wir nicht „nervige Touristen“ sein. Vielmehr wollen wir versuchen, die Menschen in ihrem Kontext und ihrer Kultur zu betrachten. Wir wollen geduldig sein, wenn wir meinen, sie hätten Fehler gemacht. Wir wollen die Grenzen unseres Wissens demütig anerkennen. Und wir wollen die Vergangenheit mit einer gewissen Güte betrachten.
Joseph Smith und das Buch Mormon
Als ich Teenager war, gingen wir davon aus, dass mein älterer Bruder nicht auf Mission würde gehen können, weil damals immer nur ein junger Mann aus der Gemeinde auf Mission geschickt werden durfte. Alle anderen mussten sich für die Einberufung ins Militär bereithalten. Doch dann fanden unser Bischof und unser Pfahlpräsident heraus, dass sie einen weiteren jungen Mann auf Mission schicken durften. Sie sprachen mit meinem Bruder darüber, der zuhause meinen Eltern davon erzählte.
Mein Vater, ein wunderbarer Mensch, der in der Kirche nicht aktiv war, reagierte negativ darauf, allerdings mit einer ungewöhnlichen Begründung. Er war nicht gegen die Kirche oder eine Mission, aber er gab zu bedenken, dass mein Bruder sich auf das Medizinstudium vorbereitete. Er sagte: „Du hast dich darauf vorbereitet, Medizin zu studieren. Du hast die Vorkurse erledigt und könntest anfangen. Du kannst mehr Gutes tun, wenn du dein Medizinstudium absolvierst, als wenn du auf Mission gehst.“
An dem Abend kam mein glaubenstreuer, wunderbarer Bruder zu mir, und wir unterhielten uns. Wir kamen zu dem Schluss, dass es im Grunde drei Fragen gab, die ausschlaggebend dafür waren, was mein Bruder unserem Vater antworten würde. Die erste lautete: „Ist Jesus Christus der Erretter der Welt?“ Die zweite war: „Ist das Buch Mormon das Wort Gottes?“ Und die dritte lautete: „War Joseph Smith ein Prophet?“ Mir wurde klar, dass die Antworten auf diese drei Fragen fast jede Entscheidung, die ich in meinem Leben noch treffen würde, beeinflussen würden.
Ich hatte schon immer eine große Liebe zum Erretter und ich hatte das Buch Mormon gelesen. Aber als ich erkannte, wie entscheidend diese Antworten waren, betete ich an jenem Abend und erhielt durch den Heiligen Geist eine zutiefst zufriedenstellende Antwort auf diese Fragen. Jesus Christus ist der Erretter, das Buch Mormon ist das Wort Gottes, und Joseph Smith war ein Prophet. Ich bezeuge, dass all dies wahr ist.
Warum unterscheiden sich die Berichte von Joseph Smiths erster Vision ein wenig?
Matt Grow
Joseph Smith schrieb vier verschiedene Berichte über die erste Vision auf oder diktierte sie seinen Schreibern. Die Geschichte ist im Grunde in allen Berichten gleich, doch gibt es auch Unterschiede. Das sollte uns nicht überraschen. Wären die Berichte völlig einheitlich, würde ich als Historiker misstrauisch werden, denn das Erinnerungsvermögen funktioniert anders. In anderen geschichtlichen Berichten oder in den heiligen Schriften finden wir das gleiche Muster vor (siehe Apostelgeschichte 9:7; 22:9).
Bedenken Sie auch, wie schwierig es ist, ein heiliges Erlebnis in Worte zu fassen. Joseph Smith bezeichnete Sprache als ein „kleines, enges Gefängnis“ (aus: History of the Church, 1:299). Denken Sie einmal über Ihre eigenen heiligsten Erlebnisse nach. Wie leicht lassen sich diese in Worte fassen? Wir sollten glücklich sein, dass wir mehrere Berichte haben, denn dadurch gewinnen wir neue Erkenntnisse und neue Perspektiven. Lesen Sie in den Abhandlungen zu den Evangeliumsthemen die vier Berichte über die erste Vision. Dadurch werden Sie noch mehr zu schätzen wissen, was an jenem Tag geschah.
Welche Rolle spielte der Urim und Tummim bei der Übersetzung des Buches Mormon?
Kate Holbrook
Joseph Smith hat das Buch Mormon durch die Gabe und die Macht Gottes übersetzt. Der Urim und Tummim, der im Buch Mormon erwähnt wird, war mit den Platten vergraben gewesen. Als Moroni Joseph Smith die goldenen Platten gab, übergab er ihm auch den Urim und Tummim. Der Seherstein, den Joseph Smith auch zum Übersetzen verwendete, war nicht mit den Platten vergraben gewesen, sondern Joseph hatte ihn Jahre zuvor gefunden, und er half ihm, sich auf geistige Offenbarung einzustimmen. Er benutzte also beides.
Emma Smith, die auch für ihn als Schreiberin fungierte, erzählte später, dass Joseph nie fragte: „Wo war ich stehengeblieben? Wo haben wir aufgehört?“, wenn er sich wieder an die Übersetzung machte. Er machte genau dort weiter, wo sie aufgehört hatten. Wenn man sich eine Seite aus Joseph Smiths Tagebuch anschaut, das er drei Jahre nach der Übersetzung des Buches Mormon schrieb, sieht man, dass es darin von durchgestrichenen Wörtern, unvollständigen Gedankengängen und halben Sätzen nur so wimmelt. Sieht man sich aber eine Seite des diktierten Buches Mormon an, ist nichts davon zu finden. Es ist vollständig, schöne Prosa – vollständige Sätze, nichts ist durchgestrichen.
Es ist zwar interessant, sich das vor Augen zu führen, aber was im Buch Mormon steht, ist für mich letztlich noch wichtiger. Aus dem Buch Mormon habe ich von König Benjamin gelernt, dass es wichtiger ist, großzügig als hart und gerecht zu sein. Von Alma habe ich gelernt, was es bedeutet, mich taufen zu lassen, und was ich verspreche, für meine Brüder und Schwestern im Evangelium und mit ihnen gemeinsam zu tun. Aus dem Buch Mormon habe ich von Mormon und Moroni gelernt, wie wichtig Nächstenliebe ist und was ich tun muss, um sie zu erlangen. Dieses Buch hat mich und meine Sicht der Welt geprägt.
Mehrehe
Ich möchte zur Mehrehe drei Punkte ansprechen. Erstens: Es ist offensichtlich, dass eine Mehrehe mit vielen Opfern verbunden war. Es gab viel Liebe und Einigkeit, aber es gab auch Opfer, und die Eltern, die in einer solchen Ehe lebten, brachten ihren Kindern bei, Opfer zu bringen. Viele Kinder, die aus einer Mehrehe hervorgingen, trugen das Evangelium Jesu Christi in die ganze Welt und waren vielen Menschen ein Segen.
Zweitens: Wie Vilate Kimball, die persönliche Offenbarung zur Mehrehe empfing, wussten manche – bevor sie überhaupt wussten, was kommen würde –, dass diese Lehre von Gott war.2
Drittens: In den höchsten Ratsgremien der Kirche ist man der Auffassung, dass die Mehrehe, wie sie praktiziert wurde, ihren Zweck erfüllt hat. Den Heiligen, die die Mehrehe ausgeübt haben, gebührt alle Ehre, doch der Zweck ist jetzt erfüllt.
Sicherlich gibt es dennoch ungeklärte Fragen. Ich möchte, dass Sie wissen, dass wir einen liebevollen Vater im Himmel haben, der einen vollkommenen Plan hat, dass sein Plan ein Plan des Glücklichseins ist und dass wir einen Erretter haben, der alles für uns getan hat. Wir können ihnen vertrauen.
Warum wurde in der Anfangszeit der Kirche die Mehrehe praktiziert?
Kate Holbrook
Im Buch Mormon wird über die Mehrehe gesagt, dass der Herr möchte, dass sein Volk monogam lebt. Ganz selten kommt es jedoch vor, dass der Herr gebietet, die Mehrehe auszuüben, um ein rechtschaffenes Volk heranzuziehen (siehe Jakob 2:30). Was Joseph Smith geboten wurde, ist die seltene Ausnahme. Joseph zögerte die Einführung der Mehrehe jahrelang hinaus, aber schließlich fügte er sich, weil er dem gehorchen wollte, was Gott ihm geboten hatte. Er versuchte Mitte der 30er Jahre des 19. Jahrhunderts, die Mehrehe zu praktizieren, aber erst 1841 begann er allmählich, den Brauch der Mehrehe offiziell einzuführen und seinen Vertrauten davon zu erzählen. Sie waren entsetzt. Sie flehten den Vater im Himmel im Gebet an, diesen Grundsatz verstehen zu können, und erhielten persönlich ein geistiges Zeugnis, dass es zu dieser Zeit für sie richtig war.
In den etwa 50 Jahren, in denen die Mehrehe offiziell ausgeübt wurde, konnte man sich dafür oder dagegen entscheiden. Wissenschaftler versuchen immer noch zu ermitteln, wie viele erwachsene Heilige der Letzten Tage in einer Mehrehe gelebt haben. Wir wissen jedoch, dass es eher die Minderheit der Heiligen war. Und wir wissen, dass viele von ihnen zu den gottesfürchtigsten, standhaftesten Mitgliedern unserer Kirche gehörten. 1890 gab Präsident Wilford Woodruff (1807–1898) ein Manifest heraus, mit dem das Ende der Ausübung der Mehrehe verkündet wurde. Als einige diese Erklärung hörten, waren sie erleichtert. Die Mehrehe war für sie schwierig gewesen. Als andere die Erklärung hörten, waren sie am Boden zerstört. Sie hatten so viel geopfert und hatten ein Zeugnis von diesem Grundsatz.
Manche Mitglieder der Kirche fragen sich, was die damalige Ausübung der Mehrehe für das Leben nach dem Tod bedeutet. Die Führer der Kirche haben erklärt, dass die Mehrehe für die Erhöhung oder die ewige Herrlichkeit nicht erforderlich ist. Obwohl ich persönlich dankbar bin, dass Monogamie die Regel und Mehrehe die Ausnahme ist, will ich die Zeugnisse und den ehrenwerten Gehorsam unserer geistigen Vorfahren, die nach diesem Grundsatz gelebt haben, nicht abschätzig vom Tisch fegen. Sie waren gehorsam und hatten ein Zeugnis, dass es richtig war.
Tempel und Bündnisse
In Kirtland in Ohio trug sich etwas Unglaubliches zu: der Bau und die Weihung des Kirtland-Tempels. Das Weihungsgebet, das Joseph Smith durch Offenbarung empfing, steht im 109. Abschnitt des Buches Lehre und Bündnisse. In diesem Gebet bat Joseph den Herrn, die Arbeit und das Opfer der Heiligen beim Bau des Tempels anzunehmen.
Eine Woche nach der Weihung des Tempels hatten Joseph Smith und Oliver Cowdery eine weitere Vision. Es war zu Ostern, das mit dem Paschafest zeitlich zusammenfiel. Der Herr erschien in einer Vision und nahm sein Haus an. Er sagte den Heiligen, sie sollten sich freuen, dass sie „mit all [ihrer] Macht [seinem] Namen dieses Haus gebaut“ hatten (Lehre und Bündnisse 110:6). Nach dieser Vision erschienen drei Propheten aus alter Zeit: Mose, der die Schlüssel zur Sammlung Israels von den vier Teilen der Erde wiederherstellte, Elias, der die Evangeliumszeit Abrahams übertrug, und Elija, der die Schlüssel der Siegelungsmacht wiederherstellte (siehe Lehre und Bündnisse 110:11-16).
Die Wiederherstellung dieser Schlüssel war dringend notwendig, um die Absichten des Herrn zu verwirklichen. Wir brauchten nicht nur das Buch Mormon, sondern auch diese Schlüssel und die heiligen Handlungen des Tempels. Diese Schlüssel waren noch nie so wichtig wie heute.
Ich habe bemerkt: Wenn einer der Zwölf Apostel als Prophet berufen wird, wendet sich sein Herz auf sehr eindrucksvolle Weise den heiligen Handlungen des Tempels zu. Ich hatte den Vorzug, zusammen mit Präsident Gordon B. Hinckley (1910–2008) bei der Weihung des Nauvoo-Illinois-Tempels dabei zu sein. Ich weiß noch, wie tief berührt er war, dass dieser Tempel gebaut werden konnte, und wie wichtig es ihm war, den Tempel gewissermaßen zu den Heiligen zu bringen. Präsident Thomas S. Monson (1927–2018) trieb den Tempelbau ebenfalls voran und erhielt vom Himmel die gleiche Inspiration wie zuvor Präsident Hinckley. Und ganz eindrucksvoll erkennen wir dies auch bei Präsident Russell M. Nelson. Seit der Mantel des Propheten auf ihn übergegangen ist, verspürt er verstärkt, wie kostbar die heiligen Handlungen des Tempels sind.
In einer seiner ersten Botschaften als Präsident der Kirche hielt er die Mitglieder dazu an, in den Tempel zu gehen, die heiligen Handlungen zu empfangen und auf dem Weg der Bündnisse zu bleiben. Gleich danach sagte er weiter: Sollten Sie aus irgendeinem Grund den Weg der Bündnisse verlassen haben, kehren Sie auf diesen Weg zurück.3
Inwiefern war die Tempelarbeit den Heiligen der Letzten Tage in der Anfangszeit ein Segen?
Matt Grow
Zum Zeitpunkt von Joseph Smiths Tod standen die Mauern des Nauvoo-Tempels noch nicht einmal zur Hälfte. Schon bald wurde Präsident Brigham Young (1801–1877) klar, dass die Heiligen erneut vertrieben werden würden. Daher fragte er den Herrn: „Sollen wir hier bleiben und den Tempel fertigstellen, obwohl wir wissen, dass wir ihn fast unmittelbar nach der Fertigstellung aufgeben müssen, oder sollen wir jetzt gehen?“ Die Antwort war eindeutig: „Bleibt!“ (Siehe Tagebuch von Brigham Young, 24. Januar 1845, Archiv der Kirche; Ronald K. Esplin, „Fire in His Bones“, Ensign, März 1993, Seite 46.) Das Endowment und die Siegelung als heilige Handlungen waren so wichtig, dass die Heiligen bleiben mussten.
Daher gaben sie ein Jahr lang alles, was sie hatten, für den Tempel. Am Ende wurden ihre Häuser im Umland Nauvoos niedergebrannt, und die Heiligen bereiteten sich darauf vor, nach Westen zu ziehen, während sie den Tempel noch fertigstellten. Im Dezember 1845 war der Tempel so weit fertig, dass ein Teil davon geweiht werden konnte und würdige Heilige das Endowment empfangen und Ehepaare aneinander gesiegelt werden konnten.
In den Monaten darauf arbeiteten die Heiligen rund um die Uhr, um alle geistig auf den großen Treck nach Westen vorzubereiten. Für mich ist es von tiefer Bedeutung und sehr heilig, dass ich durch genau dieselbe Macht gesiegelt worden bin – an meine Frau, Kinder, Eltern und an Generationen, die mir vorausgegangen sind, wie auch an Generationen, die noch gar nicht geboren wurden. Das ist durch die Wiederherstellung ermöglicht worden.
Können Sie im Zusammenhang mit der Wiederherstellung ein Ereignis nennen, das Ihr Zeugnis gestärkt hat?
Kate Holbrook
Da kommt mir die Geschichte von Emma Smith in den Sinn, die vor der Verfolgung in Missouri fliehen wollte. Der Mississippi war nur teilweise zugefroren – das Eis war nicht fest genug, dass ein Planwagen beladen mit Leuten und deren Hab und Gut darüber fahren konnte. Der Fluss ist breit. Es war gefährlich, ihn zu überqueren. Emma hatte ein sechsjähriges Kind an dem einen Rockzipfel, ein achtjähriges an dem anderen, ein zweijähriges auf dem einen Arm und ein Baby auf dem anderen.
Die Schwägerin eines Schreibers von Joseph hatte Baumwolltaschen genäht, die um die Hüfte geknöpft werden konnten. Darin trug Emma unter ihrem Rock das einzige Exemplar der Bibelübersetzung von Joseph, an der er monatelang gearbeitet hatte. Mit den Schriftstücken und ihren Kindern machte sie einen Schritt nach dem anderen über den gefrorenen Fluss und hoffte, nicht einzubrechen.
Das ist für mich das Paradebeispiel an Mut und Glauben: einen Fuß vor den anderen zu setzen, wenn man etwas tun muss, was der Glaube einem abverlangt.
„Sei guten Mutes“
Viele von Ihnen erleben Prüfungen und Drangsal. Der Grund für einiges davon ist die Entscheidungsfreiheit. Der Grund für anderes ist der Widersacher. Aber ich versichere Ihnen, dass wir einen liebevollen Vater im Himmel haben und dass das Sühnopfer Jesu Christi uns auf eine Weise Segnungen bringen kann, die wir vielleicht nicht voll und ganz verstehen.
Einigen Historikern zufolge waren es sehr viele Heilige, etwa 8.000 nämlich, die im Winter 1838/39 von Missouri nach Nauvoo flohen. Es war Winter. Und wo war Joseph? Er befand sich im Gefängnis zu Liberty, untröstlich, weil die Heiligen so vieles durchmachen mussten. Er fühlte sich verlassen.
In dieser schwierigen Lage empfing er einige der wundervollsten Verse in den heiligen Schriften: Abschnitt 121 bis 123 im Buch Lehre und Bündnisse. Sie sind höchst bedeutsam. Bitte lesen Sie sie nach. Im Buch Heilige finden wir einen kurzen Bericht über dieses Ereignis:
„Joseph [betete] inbrünstig für die unschuldigen Heiligen. ,O Herr‘, flehte er, ,wie lange noch sollen sie dieses Unrecht und diese gesetzwidrige Unterdrückung erleiden, ehe dein Herz sich für sie erweichen wird?‘
Und der Herr gab Antwort: ,Mein Sohn, Friede sei deiner Seele. Dein Ungemach und deine Bedrängnisse werden nur einen kleinen Augenblick dauern, und dann, wenn du gut darin ausharrst, wird Gott dich in der Höhe erhöhen; du wirst über alle deine Feinde triumphieren.‘
Der Herr versicherte Joseph, dass er nicht vergessen war. ,Wenn die Hölle selbst ihren Rachen weit aufreißt nach dir, dann wisse, mein Sohn, dass dies alles dir Erfahrung bringen und dir zum Guten dienen wird‘, erklärte er ihm.
Der Erretter erinnerte Joseph daran, dass die Heiligen nicht mehr leiden konnten, als er, der Erretter selbst, bereits gelitten hatte. Er liebte sie und konnte ihr Leid beenden, aber er wollte lieber ihre Bedrängnis mit ihnen erleiden, und er hatte ihre Trauer und ihren Kummer als Teil seines Sühnopfers getragen. Sein eigenes Leiden erfüllte ihn mit Barmherzigkeit, sodass er jedem, der sich ihm in seinen Prüfungen zuwandte, beistehen und ihn läutern konnte. Er ermahnte Joseph, durchzuhalten, und versprach ihm, ihn niemals zu verlassen.“
Elder Heber C. Kimball (1801–1868) war davon ausgegangen, dass die Richter des obersten Gerichtshofs von Missouri Joseph freilassen würden, doch letztlich entschieden sie anders. Heber kehrte zum Gefängnis zu Liberty zurück, und da er nicht ins Verlies durfte, konnte er Joseph die schlechte Nachricht nur zurufen.
Joseph reagierte freundlich und voller Herzenswärme. „Sei guten Mutes“, sagte er. Dann wies er Heber an: „Bring alle Heiligen weg, so schnell es nur geht.“4
Daraus können Sie etwas lernen: Seien Sie guten Mutes, ganz gleich, mit was für Herausforderungen Sie es zu tun haben. Wenn Sie etwas in Versuchung führt, halten Sie sich davon fern. Stützen Sie sich auf den Heiligen Geist. Joseph im Gefängnis zu Liberty und die Heiligen, die von Missouri nach Nauvoo flohen, sind wunderbare Beispiele für Stärke und Glauben an den Herrn Jesus Christus.
Als Apostel gebe ich mein Zeugnis für Jesus Christus. Ich bin ein zuverlässiger Zeuge für seine Göttlichkeit. Ich versichere Ihnen, dass er die Kirche so führt und leitet, dass einem jeden Segnungen zuteilwerden. Ich bezeuge Ihnen, dass er lebt.
Die gesamte Andacht kann man sich unter devotionals.ChurchofJesusChrist.org ansehen.