Wir lieben, er rettet
Die Verfasserin lebt in Utah.
Wir beteten darum, das Herz unserer Kinder möge sich wandeln. Doch dann folgte eine unbequeme, aber auch befreiende Erkenntnis.
Mein Mann und ich hatten unsere Kinder im Evangelium großgezogen. Wir studierten jeden Morgen gemeinsam in den heiligen Schriften, pflegten das Familiengebet und hielten jede Woche den Familienabend ab. Wir gingen in die Kirche, aßen gemeinsam zu Abend und verbrachten unseren Urlaub zusammen. Unsere Kinder gingen regelmäßig in den Tempel, um Taufen für Verstorbene zu verrichten, sie schlossen das Seminar erfolgreich ab und zwei von ihnen erfüllten eine Mission.
Aber als Erwachsene interessierten sie sich auf einmal für Anschauungen, die völlig anders waren als das, was wir sie gelehrt hatten, und schlugen entsprechende Wege ein. Ein Kind nach dem anderen hörte auf, sich am Kirchenleben zu beteiligen, bis nur noch eines von den fünf weiter die Versammlungen besuchte. Wir vergossen viele Tränen ihretwegen und fragten uns, ob wir als Eltern versagt hätten oder ob es etwas gab, was wir anders hätten machen sollen.
Lange Zeit flehten wir den Herrn an, er möge ihnen das Herz wandeln – und am Ende erhörte der Herr unsere Gebete. Allerdings ganz anders, als wir es erwartet hatten.
Statt einfach unseren Kindern das Herz zu wandeln, zeigte er uns, dass wir zunächst selbst einen Herzenswandel erfahren mussten. Zwar spielen wir Eltern eine wichtige Rolle bei der Erziehung unserer Kinder, aber Gott erinnerte uns daran, dass Jesus Christus ihr Erretter und Richter ist.
Getrieben von der Entschlossenheit, meine Kinder zu retten, hatte ich viele Stunden im Gebet verbracht und in den Schriften gelesen, war in den Tempel gegangen und hatte gedacht, wenn ich nur alles richtig machte, würde ich mich dafür qualifizieren, dass Gott helfend eingreift. Als ob mein Handeln ihn irgendwie dazu bringen könnte, sich über ihre Entscheidungsfreiheit hinwegzusetzen und sie dazu zu zwingen, genauso zu glauben, wie ich es tue.
Mein Mann und ich wollten sie unbedingt retten, aber was wir dafür unternahmen, bestand eher darin, ihnen Vorträge zu halten, sie kleinlich zu kritisieren oder ihre Entscheidungen sichtlich zu missbilligen – und das führte letzten Endes nur zu Streit. Da sahen wir ein, dass wir unsere Kinder mit unseren verzweifelten Bemühungen, sie zurückzuholen, eigentlich erst recht vertrieben. Je deutlicher sie spürten, dass wir sie ein Stück weit verurteilten und enttäuscht waren, desto mehr gingen sie uns aus dem Weg.
Allmählich betete ich anders: Ich bat darum, mein eigenes Herz möge gewandelt werden. Ich musste erkennen, dass meine Gründe für den Wunsch, meine Kinder mögen sich ändern, falsch motiviert waren. Also betete ich um mehr Liebe. Ich betete auch darum, ich möge mich nicht mehr schämen und es peinlich finden, dass meine Familie so gar nicht mehr das perfekte Bild bot wie die Familien meiner Freunde, die in den sozialen Medien Fotos davon zeigten, wie ihre Kinder im Tempel heirateten oder ihre Enkel sich taufen ließen.
Als ich mich an den Erretter wandte, damit er mich heile, erweichte sich mein Herz allmählich gegenüber meinen Kindern. Mir wurde klar: Wenn ich sie so lieben wollte, wie Gott sie liebt, musste ich einiges ändern. Für Gott war die Liebe offenbar nicht einfach eine Methode, vielmehr war sie die Motivation, die allen seinen Handlungen zugrunde lag. Er hat ja selbst gesagt, er „tut nichts, was nicht der Welt zum Nutzen ist; denn er liebt die Welt“ (2 Nephi 26:24).
Als ich darauf vertraute, dass der Erretter sein Werk selbst tun kann (siehe 2 Nephi 27:20), konnte ich mich darauf konzentrieren, meine Kinder liebzuhaben und die Rettung dem Herrn zu überlassen. Das bedeutete nicht etwa, dass ich mich nicht mehr bemühen würde, ihnen zu helfen. Aber dadurch, dass Liebe zur treibenden Kraft hinter meinen Interaktionen mit ihnen wurde, wandelte sich der Charakter der Interaktion.
Nach und nach sah ich meine Kinder in einem anderen Licht. Ich hatte immer mehr ihre Stärken und Talente im Blick und erkannte allmählich, was für liebevolle, großzügige, intelligente und gute Menschen sie doch waren.
Mein Mann und ich hörten jetzt mehr zu und redeten weniger. Wir fragten sie nach ihrem Leben und ihren Interessen. Statt zu verurteilen, zeigten wir uns neugierig. Anstatt sie zu kritisieren und uns enttäuscht zu zeigen, brachten wir ihnen unsere Liebe zum Ausdruck, und unsere Kinder konnten spüren, dass sie aus tiefstem Herzen kam.
Unser Zuhause wurde zu einem Ort, wo sie sich geliebt und angenommen fühlen konnten. Sie hörten auf, etwas vor uns zu verbergen, und begannen, offen und ehrlich darüber zu sprechen, was in ihrem Leben vorging. Wir kamen uns näher.
Unsere Verbundenheit als Familie ist sicher noch ausbaufähig, aber unsere Kinder genießen es jetzt, uns zu besuchen und Zeit mit uns zu verbringen. Sie fühlen sich sicher in unserer Gegenwart, und durch unsere Liebe spüren sie hoffentlich auch, wie lieb Gott sie hat. Ich kann nicht sagen, ob sie noch in diesem Leben zu dem zurückfinden werden, was sie als Kinder gelernt haben, aber ich weiß, dass sie in der Hand des Erretters sind.