2020
Als ich mich in Hinblick auf die Kirche getäuscht fühlte
Juli 2020


Als ich mich in Hinblick auf die Kirche getäuscht fühlte

Warum ich ging – und zurückgekommen bin

man coming and going from church

Illustrationen von Mark Smith

Vor einigen Jahren verfolgte ich einen Gedankenaustausch in den sozialen Medien zwischen zweien meiner ehemaligen Mitarbeiter auf Mission. Es handelte sich um Männer, die ich sehr gern hatte und respektierte.

Sie diskutierten über Fragen, die sie sich über die Kirche und ihre Lehre stellten. Schon bald wurde deutlich, dass beide die Kirche verlassen hatten. Das schockierte und beunruhigte mich. Niemals zuvor hatte ich von einigem von dem gehört, worüber sie sprachen. Ich hatte das Gefühl, ich müsse in Erfahrung bringen, ob diese Informationen irgendeinen Wahrheitsgehalt hatten. Also begann ich, den Argumenten derer nachzugehen, die Bedenken in Bezug auf die Kirche hatten.

Einiges, was ich in den zwei darauffolgenden Jahren las, brachte mich dazu, selbst alles rund um die Kirche in Frage zu stellen. Manche, die so etwas durchmachen, sind traurig. Sie trauern darüber, dass sie ihren Glauben verloren haben. Ich dagegen wurde wütend. Ich hatte das Gefühl, die Kirche hätte mich hintergangen. Ich war mir nicht mehr sicher, was der Wirklichkeit entsprach oder wem ich trauen könnte.

Es fiel mir sehr schwer, in die Kirche zu gehen. Ich bat darum, aus meiner Berufung entlassen zu werden. Die Beziehung zu meiner Frau Cheri und zu meiner Familie wurde dadurch angespannt. Ich ging zwar weiterhin in die Kirche, aber das war nur um des Scheins willen und um meine Familie zusammenzuhalten. Mein Leben war ein einziges Chaos. Ich konnte den Heiligen Geist nicht mehr spüren und fragte mich sogar, ob ich ihn jemals wirklich verspürt hätte.

Als mein ältester Sohn, Kayson, seine Mission antrat, warf mein Zustand einen düsteren Schatten über das, was doch eigentlich ein freudiges Ereignis hätte sein sollen. Nach zwei Jahren wussten die meisten Mitglieder meiner Familie Bescheid darüber, was ich durchmachte. Als sie alle gemeinsam Kayson bei seinem ersten Besuch im Tempel begleiteten, war ich nicht dabei.

In dieser ganzen Zeit fühlte ich mich unendlich einsam.

Unterstützung rundum

Eines Tages kamen meine Brüder gemeinsam auf mich zu, um mit mir über das zu sprechen, was ich durchmachte. Ich erinnere mich nicht mehr an jedes Wort, aber ich weiß, dass ihr Beweggrund Liebe war. Bei unserem Gespräch ging mir allmählich auf, was mir fehlte und was ich gerade verpasste. Das brachte eine Wandlung in mir in Gang. Ich hätte es sein sollen, der Kayson zum Ältesten ordiniert. Ich hätte es sein sollen, der ihn durch den Tempel begleitet. Ich hätte es sein sollen, der ihm vor seiner Abreise einen väterlichen Segen erteilt. Bei diesen so eminent wichtigen Ereignissen in seinem Leben wäre es meine Aufgabe gewesen, da zu sein, nicht die von jemand anderem! Ich weiß noch, wie in mir die Frage aufkam: „Was mache ich hier eigentlich?“

Kurz darauf hatte ein guter Freund von mir das Gefühl, er solle mich mit jemandem aus seiner Pfahlpräsidentschaft bekanntmachen. Dieser gute Mann hörte meiner Geschichte aufmerksam zu und schien genau zu wissen, was ich sagen würde, noch bevor ich es ausgesprochen hatte. Wir unterhielten uns stundenlang. Meine Geschichte, meine Fragen, die Logik, der ich ausgesetzt gewesen war, ähnelten so sehr dem, was andere ihm bereits vorgetragen hatten. Mir dämmerte, dass es vernünftige Antworten auf viele meiner Bedenken gab und dass mir viele meiner Fragen, so aufrichtig sie auch waren, von Menschen eingeimpft worden waren, die darauf aus waren, den Glauben zu zerstören.

Waren damit alle meine Fragen und Sorgen auf einen Schlag behoben? Nein, natürlich nicht. Aber mein Herz war so weit erweicht worden, dass ich eine bedeutende Wahrheit erkennen konnte: Fragen sind gut, aber manche Fragen sind wichtiger als andere.1 Waren einige unbeantwortete Fragen es wert, meine Familie und meinen Stand vor Gott zu verlieren? Als ich mich vorrangig auf die allerwichtigsten Fragen konzentrierte und Gott in meinem Herzen wieder an die erste Stelle rückte, fand ich nach und nach Antworten, die mich darin bestärkten, dass ich dabei war, auf den richtigen Weg zurückzugelangen.

Mein Pfahlpräsident und der Bischof waren ebenfalls für mich da. Sie waren Cheri und mir ein großartiger Beistand in so manchem finsteren Augenblick. Sie gaben niemals auf. Gemeinsam mit meiner Familie auf beiden Seiten des Schleiers trugen sie entscheidend zu meiner Unterstützung bei. Ich weiß, dass der Vater im Himmel uns kennt und liebt. Er führt uns Menschen über den Weg, wenn wir sie brauchen. Wir müssen nur gewillt sein, ihre Hilfe anzunehmen.

Wenn Sie selbst betroffen sind

Ich weiß, es gibt andere Menschen, die vielleicht Ähnliches durchmachen. Vielleicht sind es ja Sie selbst oder jemand, den Sie kennen.

Ich weiß, dass der Erretter seine Kirche mit der Vollmacht gegründet hat, die die erforderlichen heiligen Handlungen und Bündnisse zugängig macht, damit wir zu ihm zurückkehren können. Der Satan macht Überstunden, um die Kirche des Herrn mit allen erdenklichen Mitteln zu diskreditieren. Fragen aufzuwerfen und Zweifel zu säen ist ja ein Kinderspiel. In die Fallen des Widersachers zu tappen kann jedem passieren. Sich auf die Informationen und Antworten zu verlassen, die andere einem liefern, kann so viel einfacher sein, als die Wahrheit durch eigenen Einsatz herauszufinden, „durch Studium und auch durch Glauben“ (Lehre und Bündnisse 88:118; Hervorhebung hinzugefügt). Aber am Ende ist Letzteres genau das, was Gott verlangt.

Wenn Sie sich mit Fragen oder Zweifeln in Hinblick auf die Kirche oder Ihren Glauben herumschlagen, finden Sie die Wahrheit nicht, indem Sie Blogs lesen oder Podcasts anhören, die von denjenigen stammen, die der Kirche Unrecht geben oder sie verlassen haben. Aber vermutlich werden oberflächliche Antworten Sie nicht zufriedenstellen, und möglicherweise gefällt Ihnen der Vorschlag nicht, „Ihre Fragen erst einmal zurückzustellen“.

Ich habe herausgefunden, dass wir nicht immer von geborgtem Licht leben können, sondern uns vielmehr Gott zuwenden müssen, der die Quelle allen Lichts und aller Wahrheit ist (siehe Lehre und Bündnisse 93:26). Wir müssen es mit unserem eigenen Verstand durcharbeiten, aber wir müssen auch Gott fragen, ob das, was wir denken, recht ist (siehe Lehre und Bündnisse 9:8). Wir müssen es für uns selbst herausfinden, wie es Joseph Smith getan hat (siehe Joseph Smith – Lebensgeschichte 1:20), und wir müssen bei unserer Suche geduldig sein (siehe Alma 32:41). Außerdem bedeutet Lernen durch Glauben, dass wir die Wahrheit prüfen müssen, indem wir danach leben (siehe Johannes 7:17; 1 Thessalonicher 5:21).

Als ich mich mit Themen beschäftigte, die der Kirche entgegenstehen, spürte ich, dass ich mich buchstäblich in den Nebeln der Finsternis befand (siehe 1 Nephi 8:23,24; 12:17). Aber als ich Gottes Wort ergriff und mich daran festhielt, diesen ersten Schritt auf ihn zu machte, hatte ich die Voraussetzung dafür geschaffen, dass sein Geist mir das Herz berühren konnte.

man holding light

Ist Hoffnung genug?

Ein paar Wochen nachdem Kayson seine Mission angetreten hatte, besuchte mich mein Pfahlpräsident. Ich erzählte ihm von dem, was in den Wochen passiert war, seit meine Brüder mit mir gesprochen hatten. Ich sagte ihm, dass ich gern wieder einen Tempelschein hätte. Er fragte mich, ob ich denn die Interviewfragen entsprechend beantworten könne. Ich musste gestehen: „Präsident, ich kann wohl jetzt noch nicht sagen, dass ich weiß, dass die Kirche wahr ist, aber ich hoffe wirklich von ganzem Herzen, dass sie das ist. Und ich werde mein Leben im Einklang mit dieser Hoffnung leben. Reicht das aus?“

Er hielt einen Augenblick inne und antwortete dann: „Travis, das wird immer ausreichen.“

Es gibt manches, bei dem ich immer noch darauf warte, es zu verstehen, aber anderes ist mir auch schon sehr klargeworden. Ich weiß, dass der Vater im Himmel mich liebt. Ich weiß, dass wir eine Zeit lang abirren und zu kämpfen haben mögen. Aber ich weiß auch, dass es dank Christus möglich ist, dank seines Sühnopfers und der Hoffnung, die es uns bringt, wieder auf den Weg zu gelangen, der uns zu ihm zurückführt.

Der Verfasser lebt in Utah.

Anmerkung

  1. Siehe Lawrence E. Corbridge, „Stand Forever“, Andacht an der Brigham-Young-Universität, 22. Januar 2019, speeches.byu.edu