2020
Ist Sucht dasselbe wie Auflehnung?
Oktober 2020


Junge Erwachsene

Ist Sucht dasselbe wie Auflehnung?

Die Verfasserin lebt in Texas.

Mit einem besseren Verständnis von Sucht und Suchtverhalten fällt es uns leichter, darauf zu vertrauen, dass der Herr uns eines Tages aus der Knechtschaft befreien wird

illustration of flowers

In unserer gefallenen Welt ist Sucht für manche Menschen eine frustrierende, alles umwälzende Realität. Wenn wir durch etwas übermäßig dem Leben zu entfliehen versuchen, zum Beispiel durch Essen, Medikamente, soziale Medien, Lästern, Pornografie, Lügen, Glücksspiel oder selbst durch Sport, finden wir uns leicht in einem Suchtkreislauf wieder.

Als ich miterlebt habe, wie wunderbare, liebevolle, Menschen um mich herum mit einem Suchtverhalten zu ringen hatten – also nicht nur in schwachen Momenten falsche Entscheidungen trafen –, habe ich mich in die heiligen Schriften und in aktuelle Forschungen zum Thema Sucht vertieft, um damit einhergehende Vorgänge im Gehirn, insbesondere bei Zwangsverhalten, besser zu verstehen.

Sucht ist wie Unkraut

Mit einer Sucht ist es wie mit der Gartenarbeit. Wir jäten nicht ein einziges Mal und gehen dann davon aus, dass sich die Sache erledigt hat. Wir wissen, dass mehr Unkraut nachwachsen wird, also jäten wir sorgfältig und regelmäßig, um die Nutzpflanzen zu schützen.

Wenn wir mit einer Sucht zu kämpfen haben, entmutigt es uns vielleicht, wenn wir einen Rückfall haben, nachdem wir umgekehrt sind und uns Hilfe geholt haben. Es überrascht und frustriert uns vielleicht, dass die Versuchung nach sehr glücklichen oder sehr traurigen Lebensphasen besonders stark ist. (So wie meist nach einem erfrischenden Regen oder einem starken Gewitterschauer noch mehr Unkraut wächst.)

Sucht oder vorsätzliche Auflehnung

Ich habe festgestellt, dass der Satan eine Sucht als „Beweis“ dafür nutzt, dass wir von Natur aus Schlechtes im Sinn haben, dass wir von Anfang an verloren sind oder dass der Herr uns aufgegeben hat. Der Teufel nutzt Schamgefühle, um uns zu entmutigen, und macht uns darauf aufmerksam, dass die Versuchung immer wieder auftaucht, egal wie oft wir schon umgekehrt sind.

Es gibt viele Gründe dafür, warum manche Leute für eine Sucht anfällig sind. Oft beginnt eine Sucht mit der Suche danach, „tiefsitzende, unbefriedigte Bedürfnisse“1 zu erfüllen. Auch wenn Auflehnung zur Sucht führen kann und eine Sucht wiederum zu Sünde führen kann, ist der Nährboden, aber auch das verstärkende Element der Sucht eher Schwäche als vorsätzliche Auflehnung.2

Glücklicherweise wissen wir, dass Schwächen uns die Gelegenheit bieten, mit der Gnade Jesu Christi Erfahrung zu machen und tiefen Glauben an seine heilende Macht zu entwickeln.3

Bis zur Befreiung aus der Knechtschaft

Zwei Gruppen im Buch Mormon, das Volk Limhi und das Volk Alma, geben uns Hinweise darauf, wie man sich in der Suchtfalle verhalten und ihr entrinnen kann.

Beide Gruppen waren eine beträchtliche Zeit lang in Knechtschaft. Beiden war klar, dass es „keinen Weg [gab], wie sie sich aus [der Knechtschaft] befreien konnten“ (Mosia 21:5). Beide wandten sich nach einer Weile an den Herrn um Hilfe.

Das Volk Limhi war wegen seiner Übertretungen in Knechtschaft. Drei Mal waren diese Menschen aus Zorn gegen ihre Unterdrücker in den Kampf gezogen, ohne sich um Hilfe vom Herrn zu bemühen. Sie verloren jeden dieser Kämpfe. Als sie begannen, sich zu demütigen, „war der Herr … langsam, ihr Schreien zu vernehmen; [doch] hörte der Herr ihre Schreie und fing an, den Lamaniten das Herz zu erweichen, sodass sie anfingen, ihre Lasten leichter zu machen“ (Mosia 21:15; Hervorhebung hinzugefügt). Sie wurden dafür gesegnet, dass sie sich immer mehr demütigten, aber der Herr hielt es erst sehr viel später „für richtig, sie aus der Knechtschaft zu befreien“.

Das Volk Alma befand sich trotz seiner Rechtschaffenheit in Knechtschaft, aber die Menschen schütteten ihr Herz vor Gott aus. Obwohl der Herr ihre rechtschaffenen Wünsche kannte, ließ er es zu, dass die Knechtschaft eine Zeit lang andauerte. Er verhieß ihnen, er werde, wenn sie weiter auf ihn vertrauten, „die Lasten, die euch auf die Schultern gelegt sind, leicht machen, sodass ihr sie nicht mehr auf eurem Rücken spüren könnt, selbst nicht während ihr [noch] in Knechtschaft seid“. Daraufhin „unterwarfen [sie] sich frohgemut und mit Geduld in allem dem Willen des Herrn“ (Mosia 24:12,14,15).

Beide Gruppen wurden schließlich befreit. Wenn wir uns in unserer „Knechtschaft“ dem Herrn zuwenden, gilt auch für uns die Verheißung, dass wir später als Zeugen für Christus auftreten und mit Bestimmtheit wissen können, dass Gott, der Herr, sich seines Volkes in seinen Bedrängnissen – und dazu gehört auch jegliches Suchtverhalten – annimmt (siehe Mosia 24:14).

Sei voller Trost

Wenn du mit einer Sucht zu kämpfen hast, denk daran, dass diese Zeit mit der Hilfe des Herrn ein guter Nährboden dafür werden kann, christliche Eigenschaften zu entwickeln. Je demütiger du wirst, desto mehr Geduld, Mitgefühl, Langmut und Sanftmut kannst du entwickeln.

Sprich mit deinen Priestertumsführern und anderen, die Unterstützung anzubieten haben, und nutze die vielen Hilfen, die der Vater im Himmel bereitgestellt hat, um dich in die Freiheit zu führen. Vertrau auf den Herrn. Wenn du ihm nach besten Kräften folgst, kann er diese entmutigende und frustrierende Situation in eine großartige Chance für geistige Läuterung umwandeln.4

Eine Heilige der Letzten Tage aus der Anfangszeit der Kirche, die aus Australien stammte, verglich ihre Vergangenheit mit ihrer gegenwärtigen Lage und sagte: „Mein früheres Leben glich einem Beet voller Unkraut, in dem kaum eine Blume blühte. [Aber] jetzt ist das Unkraut weg und Blumen blühen auf.“5

Wenn du und ich unseren Garten regelmäßig vom Unkraut befreien und uns in unseren Prüfungen an den Herrn wenden, gilt auch uns die Verheißung, die dem Volk Alma gegeben wurde: „Seid voller Trost, denn morgen werde ich euch aus der Knechtschaft befreien.“ (Mosia 24:16.)

Reiß das Unkraut weiter aus – die Ernte ist es wert!