Stimmen von Heiligen der Letzten Tage
Talente kennen kein Alter
Bielefeld (JW): Viele neuzeitliche Apostel und Propheten erinnern uns daran, dass wir mit Talenten gesegnet sind und diese kontinuierlich kultivieren sollen. So wird jeder Einzelne gebraucht, um im Werk des Herrn Gutes zu vollbringen. Schwester Angelika Rehse aus der Gemeinde Bielefeld im Pfahl Hannover nahm sich diesen Grundsatz zu Herzen und veröffentlichte mit 74 Jahren ihren Roman „Josses Tal“. Michael Persicke nutzte die Gelegenheit, mit Schwester Rehse über das Buchprojekt ins Gespräch zu kommen.
Was hat Sie angetrieben, dieses Buch zu schreiben?
Aufgewachsen zwischen Heimatvertriebenen und Flüchtlingen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten hatte ich insbesondere auf Schlesien, die Heimat meiner Vorfahren, Eltern und Geschwister, lange Jahre eine andere Sichtweise. Allgemein verdrängten und verschwiegen viele oft bis ins hohe Alter, wie er wirklich war – der Alltag in den Jahren zwischen 1930 und 1945. Es war ein langer Prozess, bis die Auseinandersetzung mit den Ereignissen rund um die verlorene Heimat der Realität entsprach.
Mein Beweggrund, dieses Buch zu schreiben, ist, die vielen Parallelen zum Jetzt aufzuzeigen. Die Gier nach Macht und Unterdrückung, ihre menschenverachtenden Strömungen mit ihren Vorurteilen gegen jede Art des Andersseins sollen die Leserinnen und Leser erleben lassen, wohin familiäres, gesellschaftliches und politisches Versagen und ihre Zwänge führen können; wie verführbar nicht nur Kinder und Jugendliche sind.
Außerdem zollen die Ereignisse all denen Respekt, die aufdecken, widersprechen und bereit sind, dafür nicht nur ihre Komfortzone zu verlassen, sondern auch ihr Leben einzusetzen.
Spielte Ihre eigene Familiengeschichte dabei eine wesentliche Rolle?
Viele Urkunden, reichhaltiges, in den Westen gerettetes Bildmaterial, Briefe und Aufzeichnungen und die immer wieder von meiner Mutter erzählten Begebenheiten waren neben der Verfassung der eigenen Familiengeschichte immer wieder Grundlage und Ansporn.
Sie gehören eher zur älteren Generation. Wieso kommt das Buch erst jetzt?
Begonnen habe ich 2003, aber es war mir immer ein Bedürfnis, dass Zeit- und Arbeitsaufwand mit den Aufgaben in der Familie und den Berufungen in der Kirche vereinbar waren und – so soll es auch bleiben. Zudem war es ein langer Weg des Lernens, nämlich, dass das Verfassen eines Romans nicht viele Gemeinsamkeiten mit dem Schreiben von Ansprachen, Briefen oder Tagebüchern hat. Außerdem war die Menge der Absagen immens.
Gab es bei den Recherchen auch Widerstände? Welche Erfahrungen sind Ihnen besonders eindrücklich in Erinnerung geblieben?
Erschütternd dabei war für mich das Zusammentreffen mit jenen Zeitzeugen, die sich die „geregelten Zeiten von damals“ zurückwünschten und meine Fragen nur widerwillig und gefärbt beantworteten. All die anderen Recherchen aber, waren es die vor Ort, in Archiven und Bibliotheken, war es der Kontakt mit Bundeswehr, Funkamateuren, Wetterwarten oder technischen Museen – sie alle haben mich ermuntert und gerne unterstützt.
Wie haben das Schreiben und die Herausgabe des Buches Sie persönlich verändert?
So ein Handwerk verändert vor allem die grauen Zellen. Nun, ich bin einfach von ganzem Herzen dankbar, all das – wie auch Lesungen und Vorträge – nun erleben zu dürfen, wissend, dass es nicht selbstverständlich ist, im Rentenalter noch einmal derart neu durchstarten zu dürfen, und betrachte all das als ein ganz großes Geschenk – als einen ganz besonderen Segen. Außerdem, irgendwann einmal hat Elder Dieter F. Uchtdorf gesagt: „Und wenn Sie ein Buch schreiben wollen, dann tun Sie es.“