2002
Sei ein Vorbild
Januar 2002


Sei ein Vorbild

„Füllen Sie Ihren Sinn mit Wahrheit; füllen Sie Ihr Herz mit Liebe; füllen Sie Ihr Leben mit Dienen.“

Wir haben uns heute Abend von den zu Herzen gehenden Ansprachen der Präsidentschaft der FHV der Kirche inspirieren lassen. Ihre dringende Bitte an uns alle, standhaft und unerschütterlich zu sein, ist ein weiser Rat, der uns hilft, in unserer turbulenten Zeit zu bestehen und inmitten des Wandels eine Zitadelle der Beständigkeit zu sein.

Betrachten wir die weisen Worte, die der Apostel Paulus seinem lieben Freund Timotheus schrieb: „Der Geist sagt ausdrücklich: In späteren Zeiten werden manche vom Glauben abfallen; sie werden sich betrügerischen Geistern und den Lehren von Dämonen zuwenden, getäuscht von heuchlerischen Lügnern, deren Gewissen gebrandmarkt ist.“1 Und darauf folgt dann der Aufruf des Paulus an Timotheus, den auch wir auf uns beziehen können: „Sei den Gläubigen ein Vorbild in deinen Worten, in deinem Lebenswandel, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit.“2

Ihnen, meinen lieben Schwestern, die sich hier im Konferenzzentrum und in den Gemeindehäusern in der ganzen Welt versammelt haben, möchte ich drei Punkte nennen, die uns als nie versagende Anleitung dazu dienen können, wie wir diese Aufforderung des Apostels Paulus beherzigen:

  1. Füllen Sie Ihren Sinn mit Wahrheit;

  2. Füllen Sie Ihr Herz mit Liebe;

  3. Füllen Sie Ihr Leben mit Dienen.

Erstens: Füllen Sie Ihren Sinn mit Wahrheit. Wir finden die Wahrheit nicht, wenn wir uns durch den Irrtum hindurchwühlen. Die Wahrheit finden wir, indem wir im offenbarten Wort Gottes forschen, es studieren und danach leben. Wir übernehmen den Irrtum, wenn wir uns damit abgeben. Wir lernen die Wahrheit, indem wir uns mit der Wahrheit befassen.

Der Erretter der Welt hat die folgende Anweisung gegeben: „Sucht Worte der Weisheit aus den besten Büchern; trachtet nach Wissen, ja, durch Lerneifer und auch durch Glauben.“3 Dem fügte er hinzu: „Ihr erforscht die Schriften, weil ihr meint, in ihnen das ewige Leben zu haben; gerade sie legen Zeugnis über mich ab.“4

Er fordert einen jeden von uns auf: „Lerne von mir, und höre meinen Worten zu; wandle in der Sanftmut meines Geistes, dann wirst du Frieden haben in mir.“5

Jemand aus der Zeit der Pioniere, der vorbildlich nach dem Auftrag lebte, den wir heute Abend gehört haben, nämlich standhaft und unerschütterlich zu sein, und der Sinn, Herz und Seele mit Wahrheit füllte, war Catherine Curtis Spencer. Ihr Mann, Orson Spencer, war ein sensibler, gebildeter Mensch. Sie war in Boston aufgewachsen und war eine Frau mit Kultur und Lebensart. Sie hatte sechs Kinder. Sie kränkelte aufgrund der Kälte und der Mühsal nach dem Auszug aus Nauvoo. Elder Spencer schrieb an ihre Eltern und fragte, ob sie bei ihnen leben könne, während er im Westen erst einmal ein Haus baute, in dem sie leben konnte. Die Antwort lautete: „Sie soll ihren entwürdigenden Glauben aufgeben, dann kann sie zurückkommen – vorher nicht.“

Aber Schwester Spencer gab ihren Glauben nicht auf. Als ihr der Brief ihrer Eltern vorgelesen wurde, bat sie ihren Mann, seine Bibel zu holen und ihr aus dem Buch Rut den folgenden Vers vorzulesen: „Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren. Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. Dein Volk ist mein Volk und dein Gott ist mein Gott.“6

Draußen wütete der Sturm, die Wagenplanen hatten Löcher, und Freunde hielten Milchtöpfe über Schwester Spencers Kopf, damit sie nicht nass wurde. In diesen Umständen und ohne ein Wort der Klage schloss sie die Augen zum letzten Mal.

Von uns wird nicht unbedingt verlangt, dass wir das Leben opfern, aber vergessen wir nicht, dass er unser stilles Beten erhört. Er, der sieht, was wir im Stillen tun, belohnt uns offen, wenn es nötig ist.

Wir leben in einer turbulenten Zeit. Häufig ist die Zukunft ungewiss; wir tun also gut daran, uns auf die Ungewissheit vorzubereiten. Die Statistik zeigt, dass es sein kann, dass Sie irgendwann vielleicht für den Lebensunterhalt sorgen müssen, sei es, weil Ihr Mann krank wird oder stirbt oder weil die wirtschaftlichen Umstände es erfordern. Absolvieren Sie also eine Ausbildung und lernen Sie etwas, das Sie im Berufsleben verwenden können, wenn ein Notfall eintritt, damit Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen können.

Ihre Talente entfalten sich, wenn Sie studieren und lernen. Sie können Ihren Kindern bei dem, was sie lernen müssen, besser behilflich sein, und Sie haben inneren Frieden, weil Sie wissen, dass Sie sich auf die Eventualitäten des Lebens vorbereitet haben.

Um den zweiten meiner drei Punkte zu veranschaulichen – füllen Sie Ihr Herz mit Liebe – wende ich mich nun dem wundervollen Bericht in der Apostelgeschichte zu, wo von einer Jüngerin namens Tabita, was Gazelle bedeutet, die Rede ist, die in Joppe lebte. Sie wird als Frau geschildert, die viele gute Werke tat und reichlich Almosen gab.

„In jenen Tagen aber wurde sie krank und starb. Man wusch sie und bahrte sie im Obergemach auf.

Weil … die Jünger hörten, dass Petrus dort war, schickten sie zwei Männer zu ihm und ließen ihn bitten: Komm zu uns, zögere nicht!

Da stand Petrus auf und ging mit ihnen. Als er ankam, führten sie ihn in das Obergemach hinauf; alle Witwen traten zu ihm, sie weinten und zeigten ihm die Röcke und Mäntel, die [Tabita] gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war.

Petrus aber schickte sie alle hinaus, kniete nieder und betete. Dann wandte er sich zu dem Leichnam und sagte: Tabita, steh auf! Da öffnete sie ihre Augen, sah Petrus an und setzte sich auf.

Er gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen; dann rief er die Heiligen und die Witwen und zeigte ihnen, dass sie wieder lebte.

Das wurde in ganz Joppe bekannt und viele kamen zum Glauben an den Herrn.“7

Ich finde, in dem Vers, in dem von Tabita gesagt wird, sie sei eine Frau, die viele gute Werke tat und reichlich Almosen gab, sind einige der grundlegenden Aufgaben der FHV beschrieben, nämlich die Sorge für die Leidenden und die Armen mit allem, was dazu gehört. Sie, die Frauen von der FHV, sind wirklich Engel der Barmherzigkeit. Das beweisen Sie in großem Ausmaß, indem Sie sich der Frierenden und Hungrigen und der Leidenden der Welt annehmen, wo immer sie zu finden sind. Auch in unseren Gemeinden und Pfählen und in unseren Missionen kommt Ihr Wirken zum Ausdruck. Jeder Bischof in der Kirche kann bezeugen, dass das wahr ist.

Ich weiß noch, wie ich als junger Diakon am Morgen des Fastsonntags einen Teil der Mitglieder der Gemeinde besuchte und jeder Familie einen kleinen Umschlag überreichte und dann wartete, während sie ihre Spende in den Umschlag steckten, den ich dann dem Bischof zurückbrachte. Einmal begrüßte mich Bruder Wright, ein älteres Mitglied, das allein lebte, an der Tür. Mit zitternden Händen mühte er sich mit dem Umschlag ab und steckte einen kleinen Geldbetrag hinein. In seinen Augen glitzerten dabei Tränen. Er bat mich hinein, und ich ich setzte mich. Er erzählte mir, wie sein Schrank vor vielen Jahren leer gewesen war und er nichts zu essen gehabt hatte. Hungrig hatte er den Vater im Himmel um Hilfe angefleht. Kurz darauf hatte er vorn aus dem Fenster geschaut und gesehen, wie eine Frau mit einem roten Handwagen des Weges kam. Es war Schwester Balmforth, die FHV-Leiterin. Sie hatte den Wagen fast einen Kilometer an den Bahngleisen entlang bis zu seiner Tür gezogen. Der Wagen quoll fast über von den Lebensmitteln, die die Schwestern der Gemeinde-FHV gespendet hatten. Schwester Balmforth füllte damit jetzt die leeren Regale in Bruder Wrights Küche. Er sagte zu mir, sie sei „ein Engel gewesen, den der Himmel gesandt hatte“.

Schwestern, Sie sind der Inbegriff der Liebe. Sie erhellen Ihr Zuhause, Sie führen Ihre Kinder in Güte; Ihr Mann ist zwar das Oberhaupt der Familie, aber Sie sind zweifellos das Herz. Gemeinsam sind Sie ein unschlagbares Team – durch Ihre gegenseitige Achtung und dadurch, dass Sie sich die Arbeit teilen.

Ich finde es bedeutsam, dass ein Kind, das Fürsorge und liebevolle Zuwendung braucht, sich an seine Mutter wendet. Selbst ein widerspenstiger Sohn, eine gleichgültige Tochter kommen, wenn sie spüren, dass sie in den Schoß der Familie zurückkehren sollten, so gut wie immer zu ihrer Mutter zurück, die ihr Kind ja nie aufgegeben hat.

Die Liebe einer Mutter weckt das Beste in ihrem Kind. Sie sind das Vorbild, nach dem Ihre Kinder sich richten.

Das erste Wort, das ein Kind lernt, ist meist das, in dem so viel Liebe zum Ausdruck kommt: „Mama.“ Ich finde es bedeutsam, dass auf dem Schlachtfeld und im Frieden, wenn ein Sohn dem Tod nahe ist, sein letztes Wort meist „Mutter“ lautet. Schwestern, Sie haben eine so große Aufgabe. Ich bezeuge, dass Ihr Herz von Liebe erfüllt ist.

Zu meinem dritten Punkt, nämlich – füllen Sie Ihr Leben mit Dienen – führe ich zwei Beispiele an. In dem einen geht es um eine Lehrerin und den nachhaltigen Einfluss, den sie auf ihre Schüler hatte, in dem anderen geht es um ein Missionarsehepaar, dessen Dienst Menschen, die in geistiger Finsternis lebten, das Licht des Evangeliums brachte.

Vor vielen Jahren gab es eine junge Frau namens Baur Dee Sheffield, die in der GFV unterrichtete. Sie hatte keine eigenen Kinder, aber sie und ihr Mann hatten sich sehnlichst Kinder gewünscht. Sie brachte ihre Liebe zum Ausdruck, indem sie den Mädchen jede Woche ewige Wahrheiten und Lektionen für ihr Leben vermittelte. Dann wurde sie krank und starb. Sie war erst 27.

Jedes Jahr am Memorial Day, an dem wir der Toten gedenken, kamen die Mädchen zum Grab ihrer Lehrerin. Sie legten dort immer Blumen und eine kleine Karte ab, auf der stand: „Für Baur Dee, von deinen Mädchen.“ Erst kamen immer zehn Mädchen, dann fünf, dann zwei und schließlich nur noch eins, das an jedem Memorial Day hingeht, immer mit Blumen und der Karte, auf der jedes Mal steht: „Für Baur Dee, von deinen Mädchen.“

In einem Jahr, fast 25 Jahre nach Baur Dees Tod, fiel dem einen verbleibenden Mädchen ein, dass sie am Memorial Day nicht da sein würde. Sie beschloss, ein paar Tage früher zum Grab zu gehen. Sie hatte Blumen gepflückt, sie mit einer Schleife umwunden, eine Karte an den Strauß geheftet und zog gerade ihre Jacke an, als es an der Tür klingelte. Sie machte auf, und eine ihrer Besuchslehrerinnen stand da. Sie sagte, sie hätte ihre Besuchslehrpartnerin nicht erreicht und deshalb beschlossen, allein und unangekündigt zu kommen, um vor dem Monatsende alle Besuche machen zu können. Sie wurde hereingebeten, sah die Jacke und die Blumen und entschuldigte sich dafür, dass sie offensichtlich ungelegen kam.

„Kein Problem“, kam die Antwort. „Ich wollte gerade zum Friedhof fahren und auf das Grab der Frau, die meine GFV-Lehrerin war, ein paar Blumen legen. Sie hatte großen Einfluss auf mich und auf die anderen Mädchen in meiner Klasse. Früher sind immer zehn zum Grab gekommen, um ihr unsere Liebe und unseren Dank zu erweisen, aber jetzt vertrete ich die ganze Gruppe.“

Colleen fragte: „Hieß deine Lehrerin vielleicht Baur Dee?“

„Ja, genau“, kam die Antwort. „Woher weißt du das?

Mit zitternder Stimme sagte Colleen: „Baur Dee war meine Tante – die Schwester meiner Mutter. An jedem Memorial Day seit ihrem Tod hat meine Familie auf ihrem Grab diesen Blumenstrauß mit der Karte von Baur Dees Mädchen gefunden. Sie wollten immer wissen, wer diese Mädchen waren, um ihnen zu danken, weil sie Baur Dee nicht vergessen hatten. Jetzt kann ich es ihnen endlich sagen.“

Der amerikanische Autor Thornton Wilder hat geschrieben: „Die größte Hochachtung bekunden wir den Toten nicht durch unsere Trauer, sondern durch unsere Dankbarkeit.“

Das zweite Beispiel für ein vom Dienen erfülltes Leben, mit dem ich dann schließen möchte, ist die Mission von Juliusz und Dorothy Fussek, die für 18 Monate nach Polen auf Mission berufen wurden. Bruder Fussek war in Polen geboren. Er sprach Polnisch. Er liebte die Menschen dort. Schwester Fussek war in England geboren; sie wusste kaum etwas über Polen und nichts über die Menschen dort.

Sie vertrauten dem Herrn und machten sich an die Arbeit. Die Lebensbedingungen waren primitiv, sie waren einsam in ihrer Arbeit und die Aufgabe war überwältigend. In Polen bestand damals noch keine Mission. Die Fusseks hatten den Auftrag erhalten, den Weg zu bereiten, so dass die Mission ausgedehnt und auf Dauer etabliert werden konnte, damit weitere Missionare berufen werden konnten und damit die Menschen unterwiesen und getauft, Zweige gegründet und Gemeindehäuser errichtet werden konnten.

Verzweifelten Elder Fussek und seine Frau, weil die Aufgabe so gewaltig war? Nicht einen Augenblick. Sie wussten, ihre Berufung kam von Gott, sie beteten um seine Hilfe und sie engagierten sich von ganzem Herzen für ihre Arbeit. Sie blieben nicht 18 Monate, sondern fünf Jahre in Polen. Alle obengenannten Ziele wurden erreicht. Das geschah im Anschluss an eine Besprechung, wo Elder Russell M. Nelson, Elder Hans B. Ringger und ich in Begleitung von Elder Fussek mit Minister Adam Wopotka von der polnischen Regierung zusammentrafen und er zu uns sagte: „Ihre Kirche ist hier willkommen. Sie können Ihre Gebäude errichten, Sie können Ihre Missionare schicken. Sie sind in Polen willkommen. Dieser Mann“, und er wies auf Juliusz Fussek, „hat Ihrer Kirche einen großen Dienst erwiesen, ebenso wie seine Frau. Sie können für ihr Beispiel und ihre Arbeit dankbar sein.“

Wie die Fusseks wollen wir im Werk des Herrn alles tun, was wir können. Dann können auch wir, wie Juliusz und Dorothy Fussek, mit dem Psalm sagen: „Meine Hilfe kommt vom Herrn.“8

Liebe Schwestern, Sie sind den Gläubigen tatsächlich ein Vorbild. Möge der himmlische Vater eine jede von Ihnen segnen – seien Sie verheiratet oder alleinstehend – bei Ihnen zu Hause, in Ihrer Famlie, in Ihrem Leben – und mögen Sie den herrlichen Gruß des Erretters der Welt verdienen: „Sehr gut, du bist ein tüchtiger und treuer Diener.“9 Darum bete ich und ich gebe Ihnen meinen Segen im Namen Jesu Christi. Amen.

Anmerkungen

  1. 1 Timotheus 4:1,2.

  2. 1 Timotheus 4:12.

  3. LuB 88:118.

  4. Johannes 5:39.

  5. LuB 19:23.

  6. Rut 1:16.

  7. Apostelgeschichte 9:37–42.

  8. Psalm 121:2.

  9. Matthäus 25:21.