Lucas und der Pausenhof-Tyrann
Lucas fühlte sich richtig gut, nachdem er Pedro die Meinung gesagt hatte – bis er Pedros Gesichtsausdruck bemerkte.
„Lasst das Herze oft reden in Güte, daheim, oder wo es auch sei.“ (Gesangbuch, 1977, Nr. 184)
Oh, nein! Da kommt Pedro!“
Alle Kinder in der Schule wussten, dass Pedro andere immer drangsalierte. Er war groß und so gemein! Er warf den anderen Kindern Schimpfnamen an den Kopf, nahm ihnen das Pausenbrot weg und jagte sie über den Schulhof. Keiner wollte etwas mit ihm zu tun haben.
Pedro ging an Lucas und dessen Freund Arthur vorbei. „Ihr Versager!“, rief er und schubste Arthur.
Lucas hatte es satt, dass Pedro immer so gemein war. Ohne nachzudenken rief er: „Hör auf, Pedro!“
Lucas konnte es nicht glauben. Er hatte gerade dem gemeinsten Jungen in der ganzen Schule die Stirn geboten!
Da stürmte Pedro auf Lucas zu und packte ihn am Pulli. „Was hast du gerade gesagt?“ Lucas schlug das Herz so schnell, als ob es ihm gleich aus der Brust springen wollte! „Diesmal warne ich dich nur“, sagte Pedro. „Aber pass ja auf!“ Er versetzte Lucas einen Stoß und ging weg.
Danach versuchte Lucas, Pedro möglichst aus dem Weg zu gehen, aber irgendwie fand Pedro ihn immer. Er ließ Lucas nicht an die Schaukeln heran, rempelte ihn beim Völkerball an, stellte ihm in der Schulcafeteria ein Bein und sagte immer etwas Gemeines zu ihm.
Eines Tages spielten Lucas und Arthur mit Arthurs Fußball. Da sprang Pedro hinter einem Baum hervor und schnappte sich den Ball.
„Gib ihn bitte zurück“, bat Arthur.
„Dann hol ihn dir doch!“ Pedro stieß Lucas gegen einen Baum und lachte.
Lucas merkte, wie es in ihm kochte. Jetzt war er richtig wütend! „Weißt du was, Pedro?“, rief er. „Du bist der fieseste Kerl, den ich kenne! Niemand kann dich leiden. Jeder will, dass du abhaust und nie wiederkommst!“
Da verstummte Pedros Lachen. Lucas fühlte sich richtig gut, nachdem er Pedro die Meinung gesagt hatte – bis er Pedros Gesichtsausdruck bemerkte. Hatte er etwa Tränen in den Augen? Pedro schaute schnell auf den Boden und ging weg.
Sofort fühlte Lucas sich elend. Den restlichen Tag lang fühlte Lucas sich schlecht, so sehr er auch versuchte, das Gefühl loszuwerden. In der Nacht wälzte er sich im Bett hin und her. Immer wieder musste er daran denken, wie traurig Pedro ausgesehen hatte.
„Wieso war Pedro denn unglücklich?“, fragte sich Lucas. „Ihm ist es doch völlig egal, ob er zu den anderen gemein ist! Ich musste einfach was dagegen sagen, oder?“ Je länger Lucas darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, dass es richtig gewesen war, sich für sich selbst und seinen Freund einzusetzen. Doch es war falsch gewesen, dabei etwas so Gemeines zu sagen.
Lucas kniete am Bett nieder und bat den Vater im Himmel, ihm zu vergeben. Er versprach dem Vater im Himmel, dass er nie wieder jemanden kränken wollte. Er wollte nett sein. Als Lucas „Amen“ sagte, wusste er, was zu tun war.
Am nächsten Tag sah Lucas am Ende der Mittagspause Pedro ganz allein dastehen, gegen die Wand gelehnt. Lucas war nervös. Wie würde Pedro wohl reagieren? Lucas atmete tief durch und ging zu ihm.
„Ähm, es tut mir leid wegen gestern.“
Pedro sah überrascht aus. „Es tut dir leid?“
„Ja. Ich war gemein zu dir, und das war nicht richtig. Es tut mir echt leid.“
Pedro starrte auf seine Schuhe. „Ist schon in Ordnung.“
Da läutete die Glocke. Lucas machte sich auf den Weg ins Klassenzimmer. Er fühlte sich viel besser. Aber da war noch etwas, was er sagen wollte. Er drehte sich noch einmal um. „Wir können morgen in der Pause Fußball spielen, wenn du Lust hast.“
In Pedros Gesicht war der Anflug eines Lächelns zu sehen. „Klingt gut!“
Danach wurde es besser mit Pedro. Manchmal war er zwar noch gemein, doch es war nicht mehr so schlimm wie früher. Ein paar Mal spielte er sogar in der Pause mit Lucas. Das machte tatsächlich Spaß! Am Ende des Schuljahres erklärte Pedro Lucas, dass er umziehen werde. Dann sagte er etwas, was Lucas wirklich überraschte.
„Danke, dass du mein Freund warst“, sagte Pedro. „Auch wenn ich nicht nett war.“
An dem warmen Gefühl in seinem Herzen erkannte Lucas, dass es immer richtig ist, nett zu sein.