Blick auf und lebe
Wenn wir uns Gott zuwenden, schaffen wir eine Quelle für beständige geistige Erneuerung.
In meiner Kindheit und Jugend unternahm meine Familie regelmäßig Fahrten zwischen Nordkalifornien und Utah. Uns gefiel daran nicht etwa die Tour durch die Wüste, sondern die Ankunft am Ziel und das freudige Treffen mit unseren Verwandten dort.
Im Sommer vor meiner Vollzeitmission war ich noch einmal unterwegs zu Verwandten in Utah. Doch diesmal begleitete mich nur mein jüngerer Bruder David. Wir waren damals 16 und 18 Jahre alt. Wir hatten die zehnstündige Tour schon so oft mit der ganzen Familie unternommen. Daher waren wir sehr zuversichtlich, dass wir sie gut meistern könnten.
Wir besuchten Onkel Kay und Tante Dianne sowie unsere Cousine Michelle. David blieb noch etwas länger bei ihnen, doch ich musste allein nach Kalifornien zurück, weil ich einen Zahnarzttermin hatte.
Es dunkelte schon, als ich von Spanish Fork in Utah zu meiner Nachtfahrt aufbrach. Anfangs ging alles gut. Schon bald bog ich von der Fernverkehrsstraße in Nord-Süd-Richtung auf die von Osten nach Westen verlaufende ab. Ich schaltete die Scheinwerfer an und wollte den Westen von Utah möglichst zügig durchqueren. Ich legte Meile um Meile zurück. In der Wüste wurde es immer finsterer. Ich konnte die Straße immer schlechter erkennen. Irgendwann fiel mir auf, dass die Scheinwerfer immer schwächer wurden. Am Ende versagten sie vollends, der Motor ging aus und das Auto kam am Rand der Schnellstraße zum Stehen.
Die Batterie war leer! Das Auto konnte also nicht weiterfahren. Ich hatte zwar sorgfältig darauf geachtet, dass ich reichlich Treibstoff hatte, und sogar geplant, wo ich tanken könnte, aber darauf, dass mir die Stromversorgung komplett ausging, war ich nicht vorbereitet.
Was ist eine Lichtmaschine?
Ich wurde von einem Vater erzogen, der stolz darauf war, die Autos unserer Familie selbst instand zu halten. Weil er uns einiges über Automechanik beigebracht hatte, wusste ich, dass eine gute Batterie nicht während der Fahrt versagt – es sei denn, die Lichtmaschine ist nicht in Ordnung. Die Lichtmaschine ist ein elektrischer Generator, der mechanische Energie in Elektrizität umwandelt. Der Generator erzeugt aus der kinetischen Energie des laufenden Motors magnetische Energie. Diese wird in elektrischen Strom umgewandelt, der wiederum kontinuierlich die Batterie auflädt. So können die Scheinwerfer, das Radio, die Klimaanlage und andere elektrische Geräte ununterbrochen betrieben werden. Außerdem hält die Lichtmaschine den Motor am Laufen.
Doch jetzt stimmte etwas nicht mit der Lichtmaschine meines Autos. Sie musste repariert oder ausgetauscht werden, damit ich meine Fahrt fortsetzen konnte.
Damals gab es noch keine Handys, also blieb mir nichts anderes übrig, als mich zu Fuß aufzumachen. Schließlich nahm ein Mann mich mit und fuhr mich zum nächsten Ort. Von einem Münztelefon aus forderte ich einen Abschleppwagen an. Ich saß während der einstündigen Fahrt zurück zum Auto mit ihm im Fahrerhäuschen. Dann saß ich wieder bei ihm auf dem Beifahrersitz, als wir mit meinem Auto im Schlepptau zu der kleinen Ortschaft zurückfuhren. Endlich – vier Stunden, nachdem ich es verlassen hatte – war ich wieder in meinem Auto. Vor einer Werkstatt schlief ich darin, bis diese öffnete.
Als der Chef eintraf, lachte er bei der Vorstellung, dass es in diesem kleinen Ort das Teil geben könnte, das ich brauchte. Er könnte es bestellen, aber es würde erst nach zwei, drei Tagen eintreffen. Dann bekam er Mitleid mit mir. Er erklärte, er könne meine Batterie für etwa drei Stunden an ein Ladegerät anschließen. Damit hätte ich dann vielleicht genug Strom, um das Auto bis zum nächsten Ort zu fahren. Vielleicht gab es ja dort das Teil, das ich brauchte.
Als die Batterie geladen war, brach ich auf, ohne irgendetwas anzuschalten, was kostbaren Strom verschwenden könnte. Ich schaffte es bis zum nächsten Ort, aber dort gab es das erforderliche Teil auch nicht. So ging es nun immer weiter: drei Stunden Aufladen und dann eine zweistündige Fahrt von einem Ort zum nächsten. In jeder Ortschaft auf der ganzen Strecke fand ich freundliche Menschen. Endlich kam ich – erschöpft nach der dreißigstündigen Fahrt, aber sicher – daheim in der Einfahrt meiner Eltern an.
Geistiges Manna
Es gibt eine Parallele zwischen meiner Fahrt und dem Weg durch die Wüste, den die Israeliten zur Zeit des Alten Testaments zurücklegten. Vierzig Jahre lang wurden die Israeliten beständig durch Speise aus dem Himmel genährt, das sogenannte Manna. (Siehe Exodus 16 und Numeri 11.)
Heutzutage brauchen wir in ähnlicher Weise Nahrung aus dem Himmel, geistige Nahrung nämlich. Glücklicherweise können wir eine „geistige Lichtmaschine“ schaffen, die als „Generator“ für das „geistige Manna“ dient, das wir brauchen. Unsere geistigen Bedürfnisse werden dadurch gestillt, dass wir unsere Beziehung zum Vater im Himmel und seinem Sohn Jesus Christus pflegen. Deshalb müssen wir – so wie die Israeliten täglich Manna als Nahrung sammelten – heutzutage geistiges Manna sammeln, indem wir beten, uns mit dem Evangelium befassen und danach streben, den Heiligen Geist stets bei uns zu haben.
Die Israeliten waren es schließlich leid, Manna zu sammeln, und „wurden von der Gier“ nach etwas „gepackt“, das sie zurückgelassen hatten (Numeri 11:4). Wenn wir zulassen, dass wir es leid werden, geistiges Manna zu sammeln, stellen wir womöglich fest, dass wir uns nach Dingen sehnen, die für uns in geistiger Hinsicht nicht gerade das Beste sind. Wie die frustrierten Israeliten riskieren wir es dann, unser eigentliches Ziel, nämlich ins verheißene Land zu gelangen, aus dem Auge zu verlieren. Womöglich wünschen wir uns dann gar, wir hätten unser „Ägypten“ nie verlassen (siehe Numeri 11:5,6). Schließlich hört unsere geistige Lichtmaschine auf zu arbeiten, und wir können keinen Fortschritt mehr machen. Dann sitzen wir fest, sind ausgehungert und sehnen uns nach Rettung.
Nehmen wir das Wunder wahr
Präsident Spencer W. Kimball (1895–1985) hat gesagt: „Offenbar betrachten wir es oft zu sehr als etwas Selbstverständliches, dass wir die heiligen Schriften haben. Das liegt vielleicht daran, dass uns nicht bewusst ist, was für ein kostbarer Vorzug es ist, sie zu besitzen, und wie gesegnet wir deshalb sind. Unsere Lebensumstände sind uns wohl schon so sehr zur bequemen Routine geworden, und wir haben uns schon so daran gewöhnt, dass wir stets etwas über das Evangelium hören, dass wir es uns kaum anders vorstellen können.“1
Wir dürfen es niemals als selbstverständlich betrachten, dass wir beständig in den heiligen Schriften forschen, beten und gehorsam sein müssen, denn nur so können wir den Heiligen Geist bei uns behalten. Wenn wir die Tätigkeiten in unserem Leben vernachlässigen, durch die wir unsere geistige Batterie aufladen, sie langweilig finden oder nur noch als reine Routine erledigen, funktioniert unsere geistige Lichtmaschine nicht mehr richtig. Dann entlädt sich unsere geistige Batterie allmählich, womöglich so schleichend, dass wir es kaum wahrnehmen. In solchen Momenten besteht der einzige Weg zur Genesung darin, uns Jesus Christus zuzuwenden und umzukehren. Durch das Sühnopfer Jesu Christi und aufrichtige Umkehr kann alles wiederhergestellt werden.
Blick auf und lebe
Als die Israeliten sich beklagten, kam ihnen die Dankbarkeit dafür abhanden, dass sie mit Nahrung gesegnet wurden. Zur Strafe „schickte der Herr Giftschlangen unter das Volk. Sie bissen die Menschen, und viele Israeliten starben.“ (Numeri 21:6.)
Schließlich „kamen [die Leute] zu Mose und sagten: Wir haben gesündigt, denn wir haben uns gegen den Herrn und gegen dich aufgelehnt. Bete zum Herrn, dass er uns von den Schlangen befreit. Da betete Mose für das Volk.
Der Herr antwortete Mose: Mach dir eine Schlange, und häng sie an einer Fahnenstange auf! Jeder, der gebissen wird, wird am Leben bleiben, wenn er sie ansieht.
Mose machte also eine Schlange aus Kupfer und hängte sie an einer Fahnenstange auf. Wenn nun jemand von einer Schlange gebissen wurde und zu der Kupferschlange aufblickte, blieb er am Leben.“ (Numeri 21:7-9.)
Neuzeitliche Kupferschlangen
Die kupferne oder eherne Schlange symbolisiert Christus, der auf das Kreuz emporgehoben wurde (siehe Johannes 3:14,15). Wenn wir uns am Rat neuzeitlicher Propheten orientieren, blicken wir auf Christus, denn sie richten unseren Fokus wieder auf den Plan des Vaters und auf die zentrale Rolle Christi aus. Wie die freundlichen Menschen, die mich meine Batterie aufladen ließen, laden lebende Propheten, Seher und Offenbarer unsere geistige Batterie auf, denn sie erinnern uns daran, dass wir Kinder des Vaters im Himmel sind und dass es sein Werk und seine Herrlichkeit ist, „die Unsterblichkeit und das ewige Leben des Menschen zustande zu bringen“ (Mose 1:39). Sie haben uns konkret dazu aufgefordert, den Sabbat noch mehr zu einem Tag der Gottesverehrung zu machen, weil dann unser Glaube an den Vater im Himmel, an seinen Plan des Glücklichseins und an Jesus Christus und sein Sühnopfer zunimmt.
Die Begebenheit von Mose und der Kupferschlange wird auch im Buch Mormon erwähnt. Dort heißt es: „Viele blickten auf und lebten.“ (Alma 33:19; siehe auch Vers 20-22.) Andere jedoch weigerten sich, aufzublicken. „Die Arbeit, die sie tun mussten, war zu schauen; und weil der Weg so einfach war, ja, weil er so leicht war, gab es viele, die zugrunde gingen.“ (1 Nephi 17:41.) Wird womöglich eines Tages über uns gesagt, dass wir uns geweigert haben, uns an den Propheten und ihrem Rat zu orientieren, weil der Weg so einfach war?
„Wenn ihr allein dadurch geheilt werden könntet, dass ihr eure Augen hebt, um geheilt zu werden, würdet ihr nicht rasch aufblicken, oder würdet ihr lieber euer Herz in Unglauben verhärten und träge sein[?]
Dann … hebt eure Augen und fangt an den Sohn Gottes zu glauben an.“ (Alma 33:21,22.)
Ich bin dankbar für die Segnungen, die uns zuteilwerden, während wir weiter auf unserer „Schnellstraße zum Himmel“ unterwegs sind und andere anspornen, es uns gleichzutun. Ich bin gleichermaßen dankbar, dass wir, wenn wir vom Weg abirren, die Chance haben, umzukehren, schlechte Gewohnheiten abzulegen und auf den rechten Weg zurückzukehren. Die Segnungen sind unermesslich.
An einer anderen Stelle im Buch Mormon, wo es darum geht, was den Israeliten widerfahren ist, heißt es abschließend: „Und wie alle diejenigen, die zu der Schlange aufblickten, lebten, so werden auch alle, die mit Glauben zum Sohn Gottes aufblicken und einen zerknirschten Geist haben, leben können, ja, nämlich jenes Leben, das ewig ist.“ (Helaman 8:15.)
Wenn wir auf den Rat neuzeitlicher Propheten hören, wird unser Herz im Glauben geschult und wir erhalten die Kraft, Hindernisse auf unserem Weg zu überwinden, so wie ich in jener Sommernacht in der Wüste vorwärtsstreben musste. Ich bezeuge: Wenn wir auf Gott, unseren Vater, und seinen Sohn, Jesus Christus, blicken, erkennen wir, dass unsere Reise Sinn und Zweck hat.
Anregungen, wie man diesen Artikel für den Familienabend nutzen kann, finden Sie unter lds.org/go/11811.