2018
Der Tempel eröffnet uns eine höhere Sicht
January 2018


Der Tempel eröffnet uns eine höhere Sicht

Wie ein Teleskop, das auf die Sterne jenseits unseres Blickfelds gerichtet ist, eröffnet uns der Tempel eine höhere und weitere Sicht.

Fort Lauderdale Florida Temple

Zu unseren lebendigsten und bedeutsamsten Erinnerungen an die Jahre, als wir als junge Eltern im Mittleren Westen der Vereinigten Staaten lebten, zählen die jährlichen Besuche des Tempels in Washington, D. C. Damals war dieser der einzige in Betrieb befindliche Tempel östlich des Mississippi. Die Tempelbesuche waren uns jedoch ein dringendes Anliegen, da wir ja wissen, dass die heiligen Handlungen des Tempels für alle Kinder des himmlischen Vaters maßgeblich sind.

Wie viele von Ihnen gaben wir unsere kleinen Kinder in die Obhut von Freunden, fuhren mit einem Bus voll weiterer Mitglieder die Nacht durch und verbrachten ein paar kostbare Tage im Tempel, während derer wir so viel Tempelarbeit wie möglich verrichteten. Dann fuhren wir wieder mit dem Bus die Nacht durch, damit wir am Sonntag die Versammlungen besuchen konnten. Wir empfanden diese Tempelfahrten nicht als Opfer; vielmehr schätzten wir sie, weil der geistige Auftrieb, den unsere Seele erfuhr, monatelang anhielt.

Ein paar Jahre später war die Freude groß, als der Chicago-Illinois-Tempel gebaut wurde, der erste im Gebiet Nordamerika Mitte seit dem Bau des Cardston-Alberta-Tempels in Kanada 62 Jahre zuvor. Da der Tempel nur 45 Minuten Fahrzeit entfernt war, genossen wir es sehr, mehr als einmal im Jahr in den Tempel zu gehen und die geistige Nahrung regelmäßiger zu erhalten.

Heutzutage leben einige von uns in noch geringerer Entfernung zum Tempel, und doch scheint es schwierig zu sein, den Tempel häufig zu besuchen. Vielleicht verführt uns gerade die leichte Erreichbarkeit zu dem beschwichtigenden Gedanken: „Ich gehe morgen, wenn ich mehr Zeit habe.“ Wie leicht lässt man sich doch von irgendwelchen dringenden Angelegenheiten ablenken und verliert dabei das Wichtigere aus den Augen. Elder Richard G. Scott (1928–2015) vom Kollegium der Zwölf Apostel hat gesagt: „Ich möchte Sie auffordern, sich Ihr eigenes Ziel zu setzen, wie oft Sie in den Tempel gehen und in den Genuss der heiligen Handlungen kommen möchten, die dort angeboten werden.“1

Wenn wir es versäumen, sooft die Umstände es erlauben in den Tempel zu gehen, wenn wir die Gelegenheit zum Tempelbesuch auf die leichte Schulter nehmen, gerade weil er sich sozusagen gleich um die Ecke befindet, lassen wir uns womöglich zukünftige Segnungen und Möglichkeiten entgehen, die der Vater und sein Sohn für uns bereithalten. Der Herr hat gesagt: „Ich, der Herr, bin verpflichtet, wenn ihr tut, was ich sage; tut ihr aber nicht, was ich sage, so habt ihr keine Verheißung.“ (LuB 82:10.)

Scheinen sich die Ereignisse zu verschwören, um uns davon abzuhalten, in den Tempel zu gehen, können wir an die tröstlichen Worte Jesu Christi denken: „In der Welt seid ihr in Bedrängnis; aber habt Mut: Ich habe die Welt besiegt.“ (Johannes 16:33.) Wenn wir beharrlich bleiben und trotz aller Hindernisse den Tempel besuchen, hilft uns der Erretter, die Welt zu überwinden, in der wir leben. Als mein Mann und ich einmal zum Tempel aufbrechen wollten, tauchte ein Problem nach dem anderen auf. Schließlich waren wir schon fast aus dem Haus, da kam es zu einer kurzen Auseinandersetzung zwischen uns. Während wir schweigend zum Auto gingen, hörten wir, wie unsere älteste Tochter ihre Schwester tröstete: „Mach dir keine Sorgen. Sie kommen immer gut gelaunt und glücklich vom Tempel zurück.“ Und sie hatte Recht.

Der Tempel macht uns die Weite der Ewigkeit bewusst

Nauvoo Illinois Temple staircase

Ob wir mit einem Herz voller Freude oder von Kummer bedrückt zum Tempel kommen: Der Tempel ist der Ort, wo jedes würdige Mitglied, das sein Herz öffnet, erbaut und gestärkt wird.

Ich habe schon erlebt, dass ich vor Dankbarkeit nahezu in den Tempel geschwebt bin, weil einem lieben Menschen, der zu kämpfen hatte, eine Segnung gewährt worden war, während ich ein andermal wegen meiner eigenen Fehler sehr bekümmert in den Tempel kam und stille Tränen vergoss. Während ich stellvertretend für Verstorbene die heiligen Handlungen empfangen habe, die ihnen ermöglichen, in der Ewigkeit weiter Fortschritt zu machen, habe ich Eingebungen und Weisung empfangen, bin aber auch mitunter vom Heiligen Geist getadelt worden. All diese Erlebnisse haben mich aufgebaut und gestärkt. Und ja, so manche Stunde im Tempel habe ich auch nur „pflichtgemäß“ meine Aufgabe erfüllt, und in den Jahren als Lehrerin im Seminar am frühen Morgen bin ich in so mancher Tempelsession sogar eingenickt. Aber jedes Mal, wenn ich in den Tempel gegangen bin, bin ich gesegnet worden. Ob der Segen sogleich zu spüren ist oder ob all unsere Bemühungen sich ansammeln und Segnungen später erfolgen – jedes bisschen Zeit, das wir im Tempel verbringen, bereichert uns persönlich auf die eine oder andere Weise.

Im Tempel zu sein macht uns die Weite der Ewigkeit bewusst, ob wir nun zurückschauen auf unsere Vorfahren oder nach vorn auf unsere Kinder. Auch unsere Kinder haben die Ewigkeit mehr vor Augen, wenn sie den Tempel im Blick haben. Wie können wir sie am besten auf den Tempel vorbereiten, der ja einen so wichtigen Schritt in ihrer ewigen Entwicklung darstellt? Russell M. Nelson, Präsident des Kollegiums der Zwölf Apostel, hat dazu geraten: „Eltern sollen ihren Kindern schon von klein auf vermitteln, wie wichtig der Tempel ist.“2 Präsident Spencer W. Kimball (1895–1985) gab Eltern den Rat, ein Bild vom Tempel im Kinderzimmer aufzuhängen, damit die Kinder jeden Tag an diesen heiligen Ort erinnert werden und der Tempel so ein Teil von ihnen wird.3 Sie können außerdem Ihren Kindern erzählen, wie Sie durch den Besuch des Tempels gesegnet werden, und von der Freude Zeugnis geben, die Sie durch Ihre ewige Verbundenheit mit ihnen erwartet. Und Sie können Ihre Kinder im Teenageralter in ihrem Wunsch bestärken, sich für Verstorbene taufen zu lassen. Denken Sie bei Familienabendlektionen und sonstigen Gesprächen über das Evangelium daran, dass es „bei jeder Aktivität, jeder Lektion und jedem Fortschritt in der Kirche um den Tempel geht“4.

Wenn Sie mit Ihren Kindern singen: „Ich freu mich auf den Tempel. Bald geh auch ich hinein, den Bund mit Gott zu schließen: Ich will gehorsam sein“5, helfen Sie ihnen, den Wunsch zu verspüren, eines Tages ins heilige Haus des Herrn zu gehen. Auch Ihr Herz füllt sich mit tiefer Dankbarkeit für den Vater im Himmel, für seinen Erlösungsplan, für den Erretter und sein Sühnopfer, die es Ihnen ermöglichen, mit Ihren Lieben für immer zusammen zu sein. Der Weg des Erretters „ist der Pfad, der zu Glück hier auf der Erde und zu ewigem Leben im Jenseits führt“6. Dieser Pfad führt zum und durch den Tempel!

Der Tempel ist eine Zuflucht vor der Welt

Idaho Falls Idaho Temple garden room

Weltliche Einflüsse können uns vom Tempel fernhalten. Ein lieber junger Freund war wegen einiger Meinungen und Spekulationen über die Kirche, die er im Internet gelesen hatte, sehr beunruhigt. Er beschloss, so lange nicht in den Tempel zu gehen, bis sich seine Fragen geklärt hatten. Von ganzem Herzen bitte ich alle, die Fragen haben, die sich auf ihr Zeugnis auswirken: Hören Sie nicht auf zu beten und in den heiligen Schriften zu forschen und gehen Sie weiterhin in den Tempel, während Sie sich um die Antworten bemühen, die Ihnen Frieden bringen. Richten Sie sich weiter am Evangelium aus und lassen Sie sich nicht von raffinierten, aber falschen Ideologien ablenken. Niemand würde wohl die Heilung eines körperlichen Leidens dadurch erhoffen, dass man einen berühmten Fußballspieler um medizinischen Rat bittet. Ebenso wenig lassen sich geistige Fragen von jemandem beantworten, der das wiederhergestellte Evangelium Jesu Christi nur bedingt versteht. Der Heilige Geist, der von allem bezeugt, ob es wahr ist (siehe Moroni 10:5), wird „dir in deinem Verstand und in deinem Herzen … sagen“ (LuB 8:2), was ewige Wahrheit ist.

Einer der Orte, wo der Geist in reichem Maß vorhanden ist, ist der Tempel. Wenn Sie würdig sind, das Haus des Herrn zu betreten (was Sie und Ihr Bischof feststellen), dann gehen Sie doch mit Ihren Fragen in den Tempel und empfangen Sie dort die Gewissheit, dass der Herr alles versteht, auch wenn Sie jetzt vielleicht noch nicht alles verstehen. Denken Sie an all das, was Sie bereits wissen und verstehen. Das, was Sie wissen und was Ihnen durch den Geist bezeugt wurde, führt Sie zu dem „Friede[n] Gottes, der alles Verstehen übersteigt [und] eure Herzen und eure Gedanken in der Gemeinschaft mit Christus Jesus bewahr[t]“ (Philipper 4:7). Ich bezeuge, dass Sie die Erkenntnis und den Frieden, nach dem Sie suchen, erhalten werden, wenn Sie weiterhin Glauben ausüben, dass Ihr Vater im Himmel Sie zur Wahrheit führt.

Jesaja ruft uns ins Gedächtnis, dass der Tempel eine Zuflucht vor dem Sturm ist (siehe Jesaja 4:6). Präsident Thomas S. Monsons Worte schenken uns ebenso Zuversicht: „Wenn wir durch die Tür des Tempels eintreten, lassen wir die Ablenkungen und den Trubel der Welt zurück. An dieser heiligen Zufluchtsstätte begegnen uns Schönheit und Ordnung. Unsere Seele kommt zur Ruhe und unsere Sorgen sind für kurze Zeit von uns genommen.“7

Während die Unruhe in der Welt zunimmt und der Druck im Alltag immer größer wird, müssen wir uns auf das konzentrieren, worauf es wirklich ankommt. Es ist leicht, sich auf das Negative und auf weltliche Sorgen zu konzentrieren, als würden wir unsere Fehler und Probleme durch ein Mikroskop betrachten. Im Tempel wird uns bewusst, dass wir die Ewigkeit im Blick haben müssen. Wie ein riesiges Teleskop, das auf die Sterne jenseits unseres unmittelbaren Blickfelds gerichtet ist, eröffnet uns der Tempel eine höhere und weitere Sicht. Der Tempel ermöglicht es uns, all das, was der Vater im Himmel aus uns machen möchte, zu sehen, zu erhoffen und darauf hinzuarbeiten. Dort können wir unseren Fokus auf ewige Wahrheiten lenken: auf Eltern im Himmel, die uns lieben und uns helfen wollen, auf unseren wahren Wert als ihre Kinder und darauf, was wir als „Erben Gottes und … Miterben Christi“ (Römer 8:17) werden können. Im Tempel werden wir über Gottes Plan belehrt und wir schließen ewige Bündnisse. Im Tempel erhalten wir das Handwerkszeug, mit dem wir unser edelstes und bestes ewiges Selbst werden können.

„Wenn wir in den Tempel gehen“, so Präsident Monson, „können wir einen bestimmten Grad an Geistigkeit erreichen und ein Gefühl des Friedens empfinden, das alle anderen Gefühle übersteigt, die dem Menschen ins Herz kommen können. Wir begreifen die wahre Bedeutung der Worte, die der Heiland sprach: ‚Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. … Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.‘ [Johannes 14:27.]“8

Ihr Dienst im Tempel hat Einfluss auf andere

Provo City Center Temple

Der Geist, den Sie vom Gottesdienst im Tempel mitbringen, berührt auch viele andere in Ihrem Einflussbereich – selbst Menschen, an die Sie vielleicht gar nicht denken. Auf der langen Heimfahrt von einem unserer Tempelbesuche in Washington, D. C., gaben einige Mitglieder im Bus Zeugnis. Einer nach dem anderen sprach über seine Freude und seine Dankbarkeit für die Segnungen, die der Tempel unmittelbar und auf ewige Sicht mit sich bringt. Der Busfahrer, der kein Mitglied der Kirche war, hielt es schließlich nicht mehr aus. Er griff sich das Mikrofon und sagte uns, wie dankbar er sei, bei uns zu sein. Dann meinte er: „Ich weiß nicht, was es genau ist, aber ich spüre, dass bei Ihnen etwas anders ist.“ Natürlich holte sich ein Gemeindemissionsleiter, der auch im Bus saß, seine Kontaktdaten und gab sie später den Missionaren.

Ich möchte Sie auffordern: Nutzen Sie die Chance, den Tempel in Ihrer Nähe, der ein Geschenk ist, sooft es die Umstände erlauben zu besuchen! Sie werden gestärkt und finden Frieden im Haus des Herrn Jesus Christus, denn er ist das Licht und das Leben und die Hoffnung der Welt. Mögen Sie, während wir uns in diesen Letzten Tagen seiner verheißenen Rückkehr nähern, das Licht empfangen und die Hoffnung verspüren, die von seinem heiligen Tempel ausgehen.

Anmerkungen

  1. Richard G. Scott, „Der Gottesdienst im Tempel – die Quelle der Kraft und der Stärke in Zeiten der Not“, Liahona, Mai 2009, Seite 43ff.

  2. Russell M. Nelson, „Prepare for Blessings of the Temple“, Ensign, März 2002, Seite 17

  3. Siehe The Teachings of Spencer W. Kimball, 1982, Seite 301

  4. Russell M. Nelson, „Prepare for Blessings of the Temple“, Seite 17

  5. „Ich freu mich auf den Tempel“, Liederbuch für Kinder, Seite 99

  6. „Der lebendige Christus – das Zeugnis der Apostel“, Liahona, Mai 2017, Umschlaginnenseite vorn

  7. Thomas S. Monson, „Die Segnungen des Tempels“, Liahona, Mai 2015, Seite 91

  8. Thomas S. Monson, „Die Segnungen des Tempels“, Seite 91f.