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Abendmahl im Lockdown: So zeigt sich die Liebe Gottes
Zuhause am Abendmahlstisch amtieren zu können hat mir die wahre Bedeutung des Abendmahls wieder vor Augen geführt
Manchmal verlieren wir den Blick für die ganze Tragweite von etwas Heiligem, weil es uns so vertraut ist und routinemäßig abläuft. So war es mir mit dem Abendmahl gegangen. Von seiner eigentlichen Bedeutung war mir irgendwie etwas abhandengekommen. Jede Woche hörte ich die heiligen Abendmahlsgebete meistens vom selben Platz im selben Gemeindehaus aus, umgeben von den mir bekannten Gemeindemitgliedern.
Doch durch die Coronapandemie wurde dieser gewohnte Ablauf unterbrochen und mein Blickwinkel neu justiert.
Da es mir nicht mehr möglich war, mit anderen im Gemeindehaus zusammenzukommen, nahm ich vom Abendmahl in einer neuen Umgebung: am Esszimmertisch im Kreis meiner kleinen Familie. Was auf vertraute Weise und sonst eher routinemäßig abgelaufen war, wirkte in der neuen Umgebung plötzlich unverbraucht und gewann aus dieser Perspektive heraus tiefere Bedeutung.
Vom Abendmahl hatte ich zeit meines Lebens bestimmt schon hunderte Male genommen. Aber es dort abzuhalten, wo ich normalerweise mit meiner Familie die Mahlzeiten einnahm und mich unterhielt, betonte das Familiäre am Abendmahl. Das war mir vorher nie aufgefallen, und ich schätzte es sehr.
Eines Sonntags, als ich auf den Knien die Worte sprach: „Wir bitten dich im Namen deines Sohnes, Jesus Christus“ (Moroni 4:3), fiel mein Blick auf meinen lieben vierjährigen Sohn gleich neben mir. Er hatte die Arme verschränkt, lauschte dem Gebet und sah unschuldig und friedlich aus.
Mit diesem außerordentlichen Anblick vor Augen fuhr ich mit dem Gebet fort. Bei den Worten „des Leibes deines Sohnes“ kam mir eine Frage in den Sinn. Wie würde es sich wohl anfühlen, wenn ich meinen unschuldigen Sohn bereitwillig opfern und ihn unbegreiflichem Schmerz und Leid aussetzen würde?
Mit einem Wort: unvorstellbar!
Ich fuhr mit dem Gebet fort, sann über die hypothetische Frage aber weiter nach. Bei den Worten „den Namen deines Sohnes auf sich zu nehmen“ schoss mir eine weitere Frage durch den Kopf. Gott ist ein Vater – wie auch ich. Wie nur konnte er seinen Sohn als Opfer hingeben? Mein Blick schweifte nun über sämtliche Mitglieder meiner Familie. Wir alle waren auf das Abendmahl dringend angewiesen. Da erhielt ich die einfache und zugleich tiefgründige Antwort: weil Gott uns so sehr liebt (siehe Johannes 3:16).
Es war, als hätte sich der Himmel kurz geöffnet, um uns einen kleinen Schimmer der reinen Liebe unseres Vaters im Himmel zu zeigen. Diese Liebe ist so unvorstellbar groß, dass er seinen wahrhaft unschuldigen, vollkommenen Sohn für uns, seine weiteren Kinder, hingegeben hat.
Können wir denn angesichts dieses Opfers – auch wenn das Leben schwierig und ungerecht ist und wir mit einer todbringenden Pandemie, geschrumpftem Wirtschaftswachstum, Bürgerunruhen, weitverbreitetem Unglauben und allgemeiner Unsicherheit konfrontiert sind – ernsthaft an der Liebe zweifeln, die er für uns empfindet?
Das Abendmahl soll uns diese tiefgreifende und beständige Liebe Woche für Woche in Erinnerung rufen, auf dass wir sie niemals vergessen mögen. Wenn wir regelmäßig an die unvergleichliche Gabe denken, die uns der Vater im Himmel durch seinen Sohn geschenkt hat, können wir Trost finden und der Versuchung widerstehen, in schwierigen Zeiten an der Liebe des Vaters oder seinem Interesse an uns zu zweifeln.
Das Abendmahl kommt mir jetzt unvollständig vor, wenn ich nicht tatsächlich miteinbeziehe, dass Gott unser ewiger Vater ist und beim Sühnopfer Jesu Christi eine tragende Rolle spielt. Das Abendmahl erinnert mich stets daran, dass Jesus Christus für mich gestorben ist, und bringt zum Ausdruck, wie sehr der Vater im Himmel mich liebt.
Diese Erfahrung hat mich viel über die Liebe gelehrt. Daher wird mir das Abendmahl zuhause immer lieb und teuer sein.