2023
Judo und Karate in der Gemeinde Heidelberg – in ehrendem und dankbarem Gedenken an Baldur Stoltenberg
Oktober 2023


Stimmen aus vergangenen Zeiten

Judo und Karate in der Gemeinde
Heidelberg – in ehrendem und dankbarem Gedenken an
Baldur Stoltenberg

Heidelberg (JW): Als Missionswerkzeuge und Methoden zum Aufbau von Kirchengemeinden werden Kampfsportarten wie Judo und Karate normalerweise nicht unbedingt angesehen. In der Gemeinde Heidelberg spielten sie jedoch eine Zeit lang eine wichtige Rolle. Eine ganze Reihe von Mitgliedern, die später im Pfahl Mannheim (später Heidelberg) glaubenstreu in vielen verschiedenen Berufungen dienten, haben durch ihr Judo- und Karatetraining Körperbeherrschung, Disziplin und Resilienz gelernt, ihre Zeugnisse gefestigt und lebenslange Freundschaften aufgebaut.

Das (alte) Gemeindehaus in Heidelberg war 1956 als erstes eigenes Gemeindehaus der Kirche in Deutschland nach dem Krieg gebaut und eingeweiht worden. Das bereits vor dem Krieg erworbene Gemeindehaus in Selbongen gehörte nach der Westverschiebung der polnisch-deutschen Grenze auf die Oder-Neiße-Linie nach Ende des Krieges inzwischen zu Polen und musste nach der Aussiedlung der dortigen deutschstämmigen Mitglieder aufgegeben werden. Dieses Gemeindehaus in Heidelberg wurde nach 2005 verkauft und abgerissen, als das neue Pfahlzentrum des Pfahles Heidelberg errichtet wurde.

Seit 1968 gab es in der Gemeinde Heidelberg eine Judo- und eine Karategruppe, die sich regelmäßig zum Training traf. Gegründet und geleitet wurden sie von Baldur Stoltenberg, der am 2. Dezember 1930 in Kiel geboren wurde.

Vor seiner Bekehrung zur Kirche und Taufe am 23. April 1960 hatte Stoltenberg im größten Judo-Club in Schleswig-Holstein trainiert und sich dort zum Haupttrainer hochgearbeitet. Er war Träger des Schwarzen Gürtels und Inhaber des 1. DAN und wurde in seiner aktiven Sportlerkarriere gleich fünfmal Judo-Landesmeister von Schleswig-Holstein im Mittelgewicht. Damals wandten aktive Mitglieder der Kirche viel Zeit für die Kirche auf: am Dienstag Priestertumsversammlung, am Mittwoch gemeinschaftliche Fortbildungsvereinigung (GFV), am Donnerstag Frauenhilfsvereinigung (FHV), am Samstag Primarverein, am Sonntagvormittag Sonntagsschule, und zuletzt am Sonntagabend die Abendmahlsversammlung, außerdem an mindestens zwei Abenden im Monat Heimlehren. So blieb für Baldur Stoltenberg nur noch der Samstagnachmittag für regelmäßiges Judotraining. Er berichtet in seinen Erinnerungen: „Aber auch dafür fehlte es bald an Zeit, und ich meldete mich vom aktiven Training ab. Man hat mir dann noch bei einer Vereinsversammlung für meine Verdienste die silberne Ehrennadel verliehen.“

Aus beruflichen Gründen zog Baldur Stoltenberg 1963 mit seiner Familie aus dem heimatlichen Kiel nach Heidelberg. 1966 wurde er dort als Gemeindevorsteher berufen. Noch im gleichen Jahr lud er die Gemeinde Kiel, mit der er weiterhin engen Kontakt pflegte, zu einem Besuch mit sportlichen Wettkämpfen nach Heidelberg ein. 1967 erwiderten die Heidelberger dann den Besuch der Kieler und reisten über Pfingsten nach Norden zu weiteren sportlichen Wettkämpfen. In seinen Erinnerungen schreibt Stoltenberg dazu: „Der Kiel-Besuch der Heidelberger Gemeinde währte drei Tage. Er war ein großartiger Erfolg. Die Gemeinde bekam einen beträchtlichen Schub. Unsere Missionsanstrengungen wurden gleichfalls reich gesegnet.“

Im Jahr 1968 wurde dann eine Judo- und eine Karategruppe im Gemeindehaus Heidelberg gegründet. Maike Hamman, eine Tochter von Baldur Stoltenberg, berichtet, dass später auch noch einige Brüder und Schwestern aus der Gemeinde Mannheim und mehrere Nichtmitglieder, Freunde der Teilnehmer, dazustießen. Darunter waren viele Jugendliche und auch jüngere Mädchen, beispielsweise Stoltenbergs andere Tochter, Sabine. Der älteste Teilnehmer war 65 Jahre alt. Einmal pro Woche wurde trainiert, und als erfahrener Judotrainer und Träger des 1. DAN nahm Stoltenberg auch die erforderlichen Gurt-Prüfungen ab.

Frank Heckmann, der damals als Jugendlicher teilnahm (und heute als Missionspräsident in der Spanien-Mission Barcelona dient), erzählt in einem Interview, dass das Gemeindehaus in Heidelberg ohne die heute übliche Kulturhalle gebaut worden war und man dort daher kein Volleyball oder Basketball spielen konnte. Stattdessen nutzte man für das Judo- und Karatetraining den Kellerraum, in dessen Boden das Taufbecken der Gemeinde eingelassen war. Die für das Judo- und Karatetraining benötigten dicken Matten wurden einfach auf den Boden dieses Kellerraums über die Abdeckung des Taufbeckens gelegt. Und Wilfried Vogt, Gemeinde-Geschichtsschreiber der Gemeinde Heidelberg, ergänzt, dass man damals eigens einen Schrank im Kellerraum einbaute, um die Matten dort nach dem Training zu verstauen. Er berichtet, dass das Training ihm Sicherheit und Selbstvertrauen gegeben habe, sich gegen Angriffe Dritter wehren zu können, und dass er dadurch auch Körperbeherrschung und Disziplin gelernt habe. Stoltenbergs Tochter Maike Hamman fasst es so zusammen: Für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen aus den Gemeinden Heidelberg und Mannheim und ihre Nichtmitglieder-Freunde ist dieses wöchentliche Training eine ausgezeichnete Gelegenheit zur Integrations- und Missionsarbeit gewesen und einfach eine reine Freude.

Bei der Gründung des Pfahles Mannheim am 7. Februar 1982 wurde Baldur Stoltenberg als erster Pfahlpräsident des neuen Pfahles berufen. Bis zum 22. September 1991 diente er in dieser Berufung.

Am 19. April 2023 verstarb er nach kurzer Krankheit. Wir gedenken seiner in großer Dankbarkeit und Hochachtung.