Wir wurden beide gesegnet
Anna Fingerle
Hessen
Nachdem ich auf meinem Fahrrad von einem Laster angefahren worden war, war ich halb blind. Etwas mehr als vier Jahre später, 2011 in der Weihnachtszeit, hatte ich das Gefühl, ich solle einen Bruder, den ich bereits aus einer früheren Gemeinde kannte, um einen Priestertumssegen bitten. Da ich diesen Bruder nur gelegentlich sah, verstand ich nicht, warum ich ausgerechnet ihn fragen sollte. Ich wusste, dass es noch andere würdige Priestertumsträger gab, die ich stattdessen fragen könnte.
In den darauffolgenden Wochen wurde das Gefühl, dass ich einen Segen brauchte, stärker. Da ich damals Tempelarbeiterin im Frankfurt-Tempel war, beschloss ich, einen der Brüder dort um einen Segen zu bitten.
Nachdem ich diesen Entschluss gefasst hatte, kam der Bruder in den Tempel, von dem ich die ganze Zeit über das Gefühl gehabt hatte, ich solle ihn fragen. Sofort wusste ich, dass dies kein Zufall war; der Vater im Himmel wollte, dass ich diesen Bruder frage. Ich nahm all meinen Mut zusammen und fragte ihn, ob wir uns nach seiner Session unterhalten könnten. Er war einverstanden.
Als wir uns später unterhielten, erklärte ich ihm, dass ich das Gefühl habe, dass er mir einen Segen geben solle, ich aber nicht wisse, warum. Er sagte, dass es ihm eine Freude wäre, mir zu helfen. Er bat einen weiteren Bruder in den Raum und dann gab er mir einen Segen. Als er fertig war, war ich verwirrt. Es war zwar ein schöner Segen, aber nichts daran war außergewöhnlich gewesen.
Dann öffnete ich meine Augen.
Als ich die Augen aufschlug, konnte ich alles im ganzen Raum fast klar sehen. Ich konnte es kaum glauben! Ich fragte den Bruder, ob er wisse, warum gerade er mir den Segen geben sollte. Seine Antwort stimmte mich demütig.
„Ich glaube nicht, dass dieser Segen nur für Sie war“, sagte er. „Er war auch für mich. Morgen gebe ich meiner Nichte einen Segen, weil sie sich taufen lässt. Unsere Familie ist nicht aktiv in der Kirche und sie ist nach fast zwanzig Jahren das erste Familienmitglied, das sich taufen lässt. Viele aus unserer Familie werden der Taufe beiwohnen und ich war mir nicht sicher, ob mein Glaube stark genug ist, dass ich den Segen spenden kann. Jetzt weiß ich, dass ich es kann.“
In den Tagen darauf verbesserte sich mein Sehvermögen so weit, dass ich meinen Blindenstock nicht mehr benötigte. Ich verpackte ihn in Geschenkpapier und gab ihn diesem Bruder als Weihnachtsgeschenk und legte einen Brief bei. „Ich weiß, dass dies nicht der Stab des Mose ist“, schrieb ich, „aber ich hoffe, dass er Sie an die Macht des Priestertums erinnert, das Sie tragen.“
Der Vater im Himmel liebt uns und es ist ihm eine Freude, uns zu segnen. Dieser Segen zur Weihnachtszeit stellte nicht nur mein Sehvermögen wieder her, sondern er gab auch einem demütigen Priestertumsträger Zuversicht für seinen Dienst im Priestertum.