2018
Eine leise, sanfte Stimme inmitten wichtiger Entscheidungen
Dezember 2018


Junge Erwachsene

Eine leise, sanfte Stimme inmitten wichtiger Entscheidungen

Nach der Ansprache „Heeding the Voice of the Lord“, die am 17. Oktober 2017 bei einer Andacht an der Brigham-Young-Universität Idaho gehalten wurde

Wenn ihr würdig seid, lässt der Vater im Himmel euch keine großen Fehler machen, ohne euch zuvor zu warnen.

climbing a mountain

Bilder von Getty Images

Als ich im Herbst 2011 frisch als Missionspräsident berufen war, freute ich mich sehr darauf, unsere Missionare persönlich aufzusuchen. Meine Frau Emily und ich nahmen uns vor, Missionarswohnungen zu inspizieren und jedes Missionarspaar in unserer Mission zu besuchen.

Als wir auf dem Weg von Guatemala-Stadt in eines der abgelegeneren Gebiete namens Sololá waren, erfuhren wir, dass die Straße weiter vorne wegen einer Demonstration nicht passierbar war. In Guatemala kann sich eine Demonstration über Stunden hinziehen und normalerweise hat man keine Chance, daran vorbeizukommen. Doch als wir nach einer möglichen Umgehung fragten, erklärte man uns, es gäbe eine Ausweichstrecke. Allerdings gab man uns dafür folgende Warnungen mit auf den Weg:

  • Die Straße ist nicht gut in Schuss.

  • Fahren Sie keinesfalls nach Einbruch der Dunkelheit dort entlang.

  • Auf der Strecke gibt es häufig Räuberbanden.

Wie jeder andere eifrige neue Missionspräsident und dessen Frau machten Emily und ich uns auf den Weg. Nachdem wir eine Weile gefahren waren, kamen wir auf einer unbefestigten Straße an eine Stelle, wo es aussah, als würde es vor uns steil bergab gehen. Emily schlug im Spaß vor, wir sollten die Kamera herausholen und fotografieren, wie wir über die Kante fuhren.

Jahre zuvor hatte man mir als jungem Missionar in Guatemala erklärt, dass ein kleiner, quer über die Straße gelegter Ast bedeutete: „Vorsicht bei der Weiterfahrt!“ Manchmal bedeutete er sogar: „Stopp!“ Ich hatte einen Ast gesehen, dessen Bedeutung jedoch nicht erkannt.

Sekunden später hing unser Wagen über einem sechs Meter hohen Felsvorsprung, wo eine Brücke weggespült worden war. Ich konnte auf meiner Seite aus dem Auto klettern, aber Emily konnte ihre Tür nicht öffnen. Als sie versuchte, über den Sitz zu klettern und auf meiner Seite auszusteigen, fing das Auto an zu schaukeln. Das war selbstredend ein absolut beunruhigender Augenblick.

Viele Gedanken rasten mir durch den Kopf. Ich sah schon die Schlagzeilen vor mir: „Neuer Missionspräsident fährt über Uferböschung, an der Brücke fehlt; Ehefrau schwer verletzt.“ Oder: „Neuer Missionspräsident und Frau vermisst nach Überfall auf einer Straße, die sie nicht hätten nehmen sollen.“

Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Ich hielt neben dem Auto inne und flehte den himmlischen Vater an: „Bitte hilf mir, obwohl ich gerade so unvorsichtig war!“ Ob ihr es glaubt oder nicht – plötzlich hielt hinter uns ein großer, mit Bananen beladener Lastwagen. Der Fahrer und die Mitfahrer sahen uns und kamen herüber. Sie lachten und amüsierten sich köstlich über die missliche Lage des dummen Gringos. Sie zeigten auf den Ast auf der Straße – eigentlich war es ein dünner Zweig, mehr nicht.

Dann holten sie, und das war ein Wunder und Segen zugleich, aus ihrem Lastwagen eine Kette – die einzige, die ich während meines dreijährigen Missionsdienstes in Guatemala gesehen habe. Bevor sie weiterfuhren, fällten sie einen Baum und zogen ihn quer auf die Straße. Sie wollten wohl sichergehen, dass der nächste Nordamerikaner, der vorbeikam, nicht den gleichen Fehler machte wie wir.

Beherzigt Eingebungen und Warnungen

Ich erzähle euch diese Geschichte, um euch klarzumachen, dass wir Warnungen, Eingebungen und Weisungen, die wir durch die Stimme des Herrn empfangen, beherzigen müssen – ob sie nun laut oder leise sind. Diese Stimme kann vielerlei Formen annehmen: heilige Schriften, Gebote, Einflüsterungen des Heiligen Geistes, Worte der lebenden Propheten sowie Ratschläge von Eltern, Führern der Kirche oder guten Freunden. Geben wir auf diese Eingebungen und Warnungen Acht und beherzigen wir sie? Und warum ist das so wichtig?

Wir lesen in den Sprichwörtern:

„Mit ganzem Herzen vertrau auf den Herrn, bau nicht auf eigene Klugheit;

such ihn zu erkennen auf all deinen Wegen, dann ebnet er selbst deine Pfade!

Halte dich nicht selbst für weise, fürchte den Herrn und meide das Böse!“ (Sprichwörter 3:5-7.)

Wir müssen von ganzem Herzen auf den Herrn vertrauen. Uns muss bewusst werden, dass unser Verständnis von dem, was für uns und andere am besten ist, schlicht nicht ausreicht. Wenn wir auf den Herrn vertrauen, spricht er uns eine ganz wunderbare Verheißung aus: Er wird unsere Pfade ebnen.

In unserer Familie haben wir eine Redensart, die auch in unserer Mission einen hohen Stellenwert bekam. Präsident Russell M. Nelson führt diesen Grundsatz schon seit einer Weile immer wieder an. Er drückt ihn so aus: „Gehorsam führt zu Erfolg; genauer Gehorsam führt zu Wundern.“1

Die Fassung in unserer Familie und unserem Missionsgebiet lautet: „Gehorsam führt zu Segnungen, doch genauer Gehorsam führt zu Wundern.“

Ich verstehe nicht voll und ganz, was genauer Gehorsam bedeutet, doch so viel ist mir bislang klargeworden: Es bedeutet nicht, dass wir jetzt schon in allem vollkommen gehorsam sind, obwohl wir viele Gebote des Herrn schon vollkommen befolgen können. Darum muss Umkehr ein wesentlicher Teil des genauen Gehorsams sein. Genauer Gehorsam erfordert, dass wir alle Warnungen, Eingebungen und Gebote, die wir vom Vater im Himmel erhalten, als bindend erachten.

Mitunter verstehen wir nicht, warum der Vater im Himmel etwas Bestimmtes von uns verlangt. Dann kann es besonders schwer sein, genauen Gehorsam zu üben. Ruft euch einmal die Begebenheit in Erinnerung, als Adam, einer der Größten, gefragt wurde, warum er Opfer darbrachte: „Und nach vielen Tagen erschien Adam ein Engel des Herrn und sprach: Warum bringst du dem Herrn Opfer dar? Und Adam sprach zu ihm: Ich weiß nicht, außer dass der Herr es mir geboten hat.“ (Mose 5:6.)

street signs

Führ, gütges Licht, Gemälde von Simon Dewey; Das Abbild Christi, Gemälde von Heinrich Hofmann

Folgt den Propheten

Emily war mir einmal ein großes Vorbild darin, genauen Gehorsam an den Tag zu legen, obwohl sie den Grund für eine Sache noch gar nicht verstanden hatte. Bei der Herbst-Generalkonferenz 2000 hörte sie den folgenden Rat von Präsident Gordon B. Hinckley (1910–2008): „Wir [missbilligen] Tätowierungen … sowie ‚Körperpiercing aus anderen als medizinischen Gründen‘. Dagegen, dass Frauen sich für ein Paar Ohrringe – wie gesagt, ein Paar – die Ohren geringfügig durchstechen, ist allerdings nichts einzuwenden.“2

Als meine Frau nach Hause kam, erklärte sie unserer zweitältesten Tochter, wie wichtig es ist, den Propheten zu folgen – ganz gleich, worum es geht. Noch während sie sprach, zeigte sie selbst Gehorsam. Sie nahm ihr zweites Paar Ohrringe ab und trug fortan immer nur ein Paar. Ich nehme an, dass sie den Grund dafür noch immer nicht versteht, aber ich weiß, dass es für sie auch keine Rolle spielt.

Einigen von uns mag das völlig unbedeutend erscheinen, weil es eine solche Kleinigkeit ist. Das stimmt schon. Ich kann mich allerdings nicht entsinnen, dass der Erretter jemals gesagt hat: „Wenn ihr mich liebt, werdet ihr meine Gebote halten, sofern sie euch wichtig erscheinen“ (vgl. Johannes 14:15).

Meine lieben Brüder und Schwestern, eine klare Stimme der Warnung, auf die wir immer hören müssen, wird durch die vom Herrn erwählten Apostel und Propheten an uns gerichtet. Sie mag, gemessen an den Maßstäben der Welt, nicht beliebt sein, so wie die Kleinigkeit, zu der Präsident Hinckley uns aufgefordert hat. Aber ihr könnt und müsst darauf vertrauen, dass sie vom Vater im Himmel kommt. Vielleicht ist sie nur wie ein kleiner Zweig, vielleicht aber auch wie ein ganzer Baumstamm, den man quer über die Straße gelegt hat. Ich ermahne euch, die Ansprachen der Generalkonferenz mit diesem Gedanken im Hinterkopf nachzulesen oder anzuschauen: Welche Zweige oder Baumstämme hat der Herr auf meinen Weg gelegt?

Vertraut auf den Herrn

Einige von euch denken nun vielleicht: „Das ist ja alles schön und gut. Aber was, wenn ich den Herrn um Eingebungen, Rat, Warnungen oder Weisung bitte und anscheinend einfach keine Antwort erhalte?“

Vielleicht geht es euch bei wichtigen Entscheidungen in eurem Leben so. Denkt an die Verheißung des Herrn, dass er eure Pfade ebnen wird, wenn ihr mit ganzem Herzen auf ihn vertraut.

Wenn es um wichtige Ereignisse in unserem Leben geht, hätten wir am liebsten ganz klare Weisung, und die ist manchmal schwer zu finden. Aber ich habe erkannt: Wenn ich umkehrwillig bin, genauen Gehorsam ausübe, den Propheten und meinen Führungsbeamten folge und andere gute Entscheidungen treffe – anders ausgedrückt, wenn ich würdig bin –, lässt der Vater im Himmel es nicht zu, dass ich große Fehler mache, ohne mich zuvor gebührend zu warnen. Und auch bei euch wird er das nicht zulassen.

Meine jungen Freunde, der Vater im Himmel ist bei uns, um uns von Fehlern mit schwerwiegenden Folgen abzuhalten, wenn wir in allen verfügbaren Quellen nach seinen Warnungen, Eingebungen und Offenbarungen suchen – und sie dann auch beachten und entsprechend handeln. Wir haben ein Anrecht darauf, dass der Heilige Geist immer bei uns ist, insbesondere in entscheidenden Augenblicken in unserem Leben.

Dass ihr die warnenden Zweige und Baumstämme, die der Vater im Himmel auf euren Weg legt, immer gut erkennen könnt, ist meine Hoffnung.

Ich bezeuge: Wenn wir auf die Stimme des Herrn hören, die wir aus vielen Quellen empfangen, und uns bemühen, genauen Gehorsam auszuüben, dann können wir so leben, dass es am Ende heißt: „Und sie lebten fortan glücklich und zufrieden.“ Das kann nur geschehen, wenn wir nach der Lehre Christi leben und heilige Bündnisse eingehen und diese halten.

Anmerkungen

  1. Russell M. Nelson, zitiert von R. Scott Lloyd in: „Elder Nelson Delivers Spiritual Thanksgiving Feast to MTCs“, Nachrichten der Kirche auf LDS.org, 4. Dezember 2013, news.lds.org

  2. Gordon B. Hinckley, „Groß wird der Friede deiner Kinder sein“, Liahona, Januar 2001, Seite 68