„Folgt mir nach!“
Wer seine Netze glaubensvoll zurücklässt und dem Erretter folgt, [wird] mehr Glück empfangen, als er sich vorzustellen vermag.
Es waren Fischer, an die der Ruf erging. Petrus und Andreas warfen am See von Galiläa gerade ihre Netze aus, als Jesus von Nazaret auf sie zukam, ihnen in die Augen sah und die schlichten Worte sprach: „Folgt mir nach!“ Matthäus schreibt, die zwei Fischer ließen sofort „ihre Netze liegen und folgten ihm“.
Dann ging der Menschensohn zu zwei weiteren Fischern, die mit ihrem Vater in einem Boot saßen und ihre Netze herrichteten. Er rief sie, „und sogleich verließen [Jakobus und Johannes] das Boot und ihren Vater und folgten [dem Herrn]“.1
Haben Sie sich schon einmal gefragt, wie es wohl gewesen wäre, zur Zeit des Erretters zu leben? Wenn Sie dort gewesen wären, wären Sie seinem Aufruf „folgt mir nach!“ gefolgt?
Realistischer ist wohl die Frage: „Wenn der Erretter Sie heute riefe, würden Sie Ihre Netze genauso bereitwillig verlassen und ihm folgen?“ Viele täten das bestimmt.
Für manch einen wäre die Entscheidung aber nicht so einfach. Schon mancher hat festgestellt, dass es in der Natur des Netzes liegt, dass man es nicht so leicht zurücklassen kann.
Netze gibt es in vielen Größen und Formen. Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes ließen greifbare Netze zurück – Werkzeuge, die sie für ihren Lebensunterhalt brauchten.
Manchmal stellen wir uns diese vier Männer als bescheidene Fischer vor, die nicht viel aufgaben, als sie ihre Netze um des Erretters willen zurückließen. Wie Elder James E. Talmage in Jesus der Christus schreibt, waren Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes jedoch ganz im Gegenteil erfolgreiche Geschäftspartner. Sie „betrieben ein kleines Fischereiunternehmen … und beschäftigten weitere Arbeiter“. Elder Talmage zufolge ging es Simon Petrus „wirtschaftlich gesehen … gut; und als er einmal davon sprach, dass er alles zurückgelassen habe, um Jesus zu folgen, bestritt der Herr nicht, dass sein Opfer an irdischen Besitztümern wirklich … groß [gewesen] war“.2
Später verfing sich ein reicher junger Mann, der angab, alle Gebote von klein auf befolgt zu haben, im Netz des Wohlstands. Als er den Erretter fragte, was er noch tun müsse, um ewiges Leben zu erlangen, antwortete der Meister: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach. Als der junge Mann das hörte, ging er traurig weg, denn er hatte ein großes Vermögen“.3
Die allgemeine Definition von Netz lautet: Gerät, mit dem man etwas fängt. In einem engeren, jedoch wichtigeren Sinne, können wir als Netz all das bezeichnen, was uns bindet oder uns davon abhält, dem Ruf Jesu Christi, des Sohnes des lebendigen Gottes, zu folgen.
In diesem Sinne können unsere Arbeit, unsere Hobbys, Vergnügungen und vor allem unsere Versuchungen und Sünden ein Netz darstellen. Kurz gesagt ist ein Netz alles, was uns davon abhält, uns unserem Vater im Himmel und seiner wiederhergestellten Kirche anzuschließen.
Ich möchte ein Beispiel aus unserer Zeit anführen. Ein Computer kann nützlich, ja unersetzlich sein. Wenn wir aber zulassen, dass wir unsere Zeit am Computer mit nutzlosen, unproduktiven, bisweilen schädlichen Dingen vergeuden, sind wir in einem Netz gefangen.
Manch einer sieht sich gerne sportliche Wettkämpfe an. Wenn wir aber alle Einzelheiten über unsere Lieblingsspieler aufsagen können und gleichzeitig Geburtstage und sonstige familiäre Jahrestage vergessen, unsere Familie vernachlässigen oder vielleicht Chancen verstreichen lassen, um wie Christus zu dienen, dann hat uns der Sport in einem Netz gefangen.
Von Adams Tagen an hat der Mensch sein Brot im Schweiße seines Angesichts verdient. Wenn uns die Arbeit aber so sehr in Anspruch nimmt, dass die geistigen Aspekte des Lebens zu kurz kommen, dann bildet auch sie ein Netz, in dem wir gefangen sind.
Manch einer hat sich in einem Netz übermäßiger Schulden verstrickt. Das Zinsennetz hält ihn fest, so dass er seine Zeit und seine Kraft verkaufen muss, um die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. Er gibt seine Freiheit auf und wird zum Sklaven seines ausschweifenden Lebensstils.
Es ist unmöglich, alle Netze aufzuzählen, die uns gefangen halten und uns davon abhalten, dem Erretter nachzufolgen. Wenn wir aber den aufrichtigen Wunsch haben, ihm zu folgen, dann müssen wir die Netze der Welt sofort liegen lassen und Jesus folgen.
Ich kenne keine andere Epoche der Geschichte, in der es eine derartige Vielfalt an Netzen gegeben hat. Nur zu leicht decken wir uns mit Terminen, Zusammenkünften und Aufgaben ein. Man verstrickt sich so leicht in einer Vielzahl von Netzen, dass einem manchmal sogar der bloße Gedanke, sich daraus zu befreien, bedrohlich oder beängstigend erscheinen mag.
Manchmal glauben wir, je mehr wir zu tun haben, desto wichtiger sind wir – als ob unsere Umtriebigkeit unseren Wert bestimmte. Brüder und Schwestern, wir können ein Leben lang fieberhaft tausenderlei Sachen erledigen, die in letzter Konsequenz allesamt völlig bedeutungslos sind.
Wie viel wir tun, ist wahrscheinlich gar nicht so wichtig. Dass wir unseren Sinn, unser Herz und unsere Seele mit aller Kraft auf das ausrichten, was ewigen Wert hat – das ist es, was zählt.
In dem Trubel und der Hektik des Lebens hören wir Rufe, die uns bald hierhin, bald dorthin locken. Doch inmitten des Tumults und der verführerischen Stimmen, die um unsere Zeit und unsere Aufmerksamkeit buhlen, erhebt sich eine einsame Gestalt am Ufer des Sees von Galiläa, die uns leise sagt: „Folg mir nach!“
Leicht gerät unser Leben aus dem Gleichgewicht. Ich weiß noch, wie sehr ich einige Jahre lang gefordert war. Wir hatten damals sieben Kinder. Ich war Ratgeber in der Bischofschaft gewesen und wurde dann zum Bischof meiner Gemeinde berufen. Ich investierte viele Stunden am Tag in meine Firma. Ich danke meiner wundervollen Frau, dass sie es mir stets ermöglicht hat, dem Herrn zu dienen.
Ich konnte also beim besten Willen nicht alles schaffen. Um nichts Wichtiges aufgeben zu müssen, entschloss ich mich dafür, früher aufzustehen, mich um die Firma zu kümmern und mich dann die erforderliche Zeit meinen Aufgaben als Vater und Ehemann und als Mitglied der Kirche zu widmen. Das war nicht einfach. Es gab Tage, da bekam ich kaum ein Auge auf, wenn der Wecker die Frechheit besaß, mich wachläuten zu wollen.
Doch der Herr war mir gnädig und half mir, die Kraft und die Zeit zu finden, alles zu tun, wozu ich mich verpflichtet hatte. Das war zwar schwierig, aber ich habe die Entscheidung nie bereut, dem Erretter und seinem Ruf zu folgen.
Vergessen wir nicht, dass wir in seiner Schuld stehen. Jesus ist die Auferstehung und das Leben. „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“4 Manch einer hat ein großes Vermögen und würde doch alles geben, um nur ein paar Jahre, Monate, vielleicht gar nur ein paar Tage länger auf der Erde leben zu können. Was müssten wir wohl fürs ewige Leben geben?
Manch anderer wiederum würde alles geben, um Frieden zu finden. „Kommt alle zu mir, die ihr euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt“, lehrt der Erretter. „Ich werde euch Ruhe verschaffen.“5 Nicht nur Frieden verheißt der Erretter all denen, die seine Gebote halten und bis ans Ende ausharren, sondern auch das ewige Leben, welches „die größte von allen Gaben Gottes“ ist.6
Dank dem Erretter leben wir ewig. Unsterblich zu sein heißt, dass wir nie sterben. Ewiges Leben bedeutet jedoch, dass wir ewig in höheren Sphären leben werden, und zwar gemeinsam mit denen, die wir lieben. Dort werden uns tiefe Liebe, helle Freude und Herrlichkeit umgeben.
Kein Geld der Welt kann diesen erhöhten Zustand kaufen. Das ewige Leben ist eine Gabe, die der liebevolle himmlische Vater großzügig allen denen anbietet, die dem Ruf des Mannes aus Galiläa folgen.
Leider sind manche zu sehr in ihre Netze verstrickt, als dass sie dem Ruf folgen würden. Der Erretter hat erklärt: „Ihr aber glaubt nicht, weil ihr nicht zu meinen Schafen gehört. Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir.“7
Wie folgen wir dem Erretter? Indem wir Glauben ausüben; indem wir an ihn glauben; indem wir an unseren himmlischen Vater glauben; indem wir daran glauben, dass Gott heute zu den Menschen auf Erden spricht.
Wir folgen dem Erretter, indem wir von unseren Sünden umkehren, ihretwegen traurig sind und von ihnen lassen.
Wir folgen dem Erretter, indem wir ins Wasser der Taufe steigen, wodurch uns unsere Sünden vergeben werden, indem wir die Gabe des Heiligen Geistes empfangen und uns durch seinen Einfluss beseelen, anweisen, leiten und trösten lassen.
Wie folgen wir dem Erretter? Indem wir ihm gehorchen. Er und unser Vater im Himmel haben uns Gebote gegeben, nicht um uns zu strafen oder zu quälen, sondern damit wir zu einer Fülle der Freude gelangen können – sowohl in diesem Leben als auch in der Ewigkeit, die vor uns liegt, für alle Zeit.
Wenn wir uns hingegen an unsere Sünden und Vergnügungen, mitunter auch an eingebildete Pflichten klammern, dem Einfluss des Heiligen Geistes Widerstand leisten und die Worte der Propheten missachten, dann stehen wir sozusagen am See von Galiläa – von Netzen umfangen. Es wird uns dann unmöglich sein, sie zurückzulassen und dem lebendigen Christus zu folgen.
Doch der Ruf des Hirten ergeht heute an uns alle. Werden wir die Stimme des Gottessohnes erkennen? Werden wir ihm folgen?
Ich möchte eine Warnung hinzufügen. Manche glauben, wenn wir dem Erretter folgen, gibt es keine Sorgen, Schmerzen oder Ängste mehr. Dem ist nicht so! Der Erretter selbst wird als Mann voller Schmerzen beschrieben.8 Die ersten Jünger, die dem Messias folgten, hatten schwere Verfolgung und große Prüfungen zu erdulden. Der Prophet Joseph Smith blieb nicht verschont, genauso wenig blieben die übrigen Mitglieder in den Anfangstagen dieser letzten Evangeliumszeit verschont. Auch heute ist es nicht anders.
Ich habe eine Frau kennen gelernt, die mit 18 Jahren dem Ruf des Erretters gefolgt ist. Ihr Vater, ein hoher Beamter einer anderen Kirche, war wütend auf sie und verbot ihr die Taufe. Er gab ihr zu verstehen, dass sie von ihrer Familie ausgeschlossen würde, sollte sie sich der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage anschließen.
Auch wenn es ein großes Opfer bedeutete, folgte diese junge Frau dem Ruf des Erretters und stieg in die Wasser der Taufe.
Ihr Vater konnte sich mit ihrer Entscheidung jedoch nicht abfinden und versuchte, sie mit aller Macht von ihrem neuen Glauben abzubringen. Er und seine Frau tadelten sie scharf dafür, sich der Kirche angeschlossen zu haben, und sie verlangten von ihr, ihrer neuen Religion abzuschwören und sich von ihr abzuwenden.
Doch trotz der Wut, der Bitterkeit und der Beschimpfungen blieb ihr Glaube stark. Sie ertrug die verbalen und emotionalen Entgleisungen, weil sie wusste, dass sie den Ruf des Erretters vernommen hatte und ihm bedingungslos folgen würde.
Schließlich fand diese junge Frau bei einer netten Mitgliederfamilie Unterschlupf – einen Zufluchtsort, an dem die Drohungen und die Unfreundlichkeit ihres Vaters sie nicht erreichen konnten.
Sie lernte einen glaubenstreuen jungen Mann kennen, heiratete ihn im Tempel und empfing die besonderen Segnungen, die mit der Tempelehe einhergehen.
Sie ist eine unter vielen, die unglaublich viel aufgegeben haben, um dem Ruf des Erretters zu folgen.
Ich will gerne einräumen, dass der Weg nicht leicht ist. Aber ich bezeuge Ihnen, dass jeder, der seine Netze glaubensvoll zurücklässt und dem Erretter folgt, mehr Glück empfangen wird, als er sich vorzustellen vermag.
Wenn ich den wunderbaren Mitgliedern dieser Kirche begegne – ob alt oder jung –, dann freue ich mich über die Glaubenstreue jener, die den Ruf des Erretters vernommen haben und ihm gefolgt sind, und ich bin dankbar dafür.
Da wäre beispielsweise der Stahlarbeiter, der dem Erretter Tag für Tag mehr als drei Jahrzehnte lang gefolgt ist, indem er in der Mittagspause seine heiligen Schriften herausholte und sie las, während seine Kollegen sich über ihn lustig machten. Da wäre die siebzigjährige, an den Rollstuhl gefesselte Witwe, die jeden Besucher aufheitert und nie versäumt zu erzählen, wie glücklich sie ist – sie folgt dem Erretter. Das Kind, das sich im Gebet dem Beherrscher des Weltalls zu nähern versucht, folgt dem Erretter. Das wohlhabende Mitglied der Kirche, das große Summen für die Kirche und seine Mitmenschen spendet, folgt dem Erretter.
So wie Jesus, der Messias, vor 2,000 Jahren am Ufer des Sees von Galiläa stand, so ruft er auch heute allen, die seine Stimme hören wollen, so wie einst den treuen Fischern zu: „Folgt mir nach!“
Um manche Netze müssen wir uns kümmern, manche müssen wir flicken. Wenn aber der Herrscher der Meere, der Welten und des Himmels uns aufruft „folgt mir nach!“, dann müssen wir die weltlichen Netze, die uns binden, zurücklassen und ihm nachfolgen.
Brüder und Schwestern, ich verkünde mit freudiger Stimme, dass das Evangelium wiederhergestellt worden ist! Die Himmel haben sich dem Propheten Joseph Smith aufgetan. Er sah Gott Vater und seinen Sohn, Jesus Christus, und sprach mit ihnen. Auf Weisung und unter Anleitung celestialer Wesen wurden der Menschheit ewige Wahrheiten wiederhergestellt.
Heute lebt ein weiterer großartiger Prophet, der diesen heiligen Wahrheiten täglich sein Zeugnis hinzufügt. Präsident Gordon B. Hinckleys heiliges Amt ist das eines Sprechers für unseren Herrn und Erretter, Jesus Christus. Ihm zur Seite stehen würdige Ratgeber, und er hat die Unterstützung des Kollegium der Zwölf Apostel, der Siebzigerkollegien und der Millionen von Mitgliedern auf der ganzen Welt, die ihm zur Seite stehen und allesamt die herrliche Wiederherstellung des Evangeliums verkünden, das den Menschen wieder gebracht worden ist!
Jesus, der Messias, ist „der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch [ihn]“.9 Als sein besonderer Zeuge bestätige ich Ihnen nun, dass eine Zeit anbrechen wird, da jeder Mann, jede Frau und jedes Kind dem liebevollen Erretter ins Auge wird blicken können. An diesem Tag werden wir mit Sicherheit wissen, was unsere Entscheidung, ihm sofort zu folgen, wert war.
Möge jeder von uns den Ruf des Meisters hören, sofort die Netze zurücklassen, die uns binden, und ihm freudig folgen. Darum bete ich aufrichtig im Namen Jesu Christi. Amen.