Mir kann so etwas nicht geschehen
Eure Zukunft birgt vielleicht weder Ruhm noch Reichtum in sich, aber sie kann euch etwas viel Dauerhafteres und Erfüllenderes bringen. Denkt daran: Was wir in diesem Leben tun, findet ein Echo in der Ewigkeit.
Liebe Brüder im Priestertum Gottes, es ist eine große Verantwortung, heute Abend zu Ihnen zu sprechen. Ich habe um Inspiration und Führung gebetet und hoffe, dass wir einander gut verstehen.
Es ist ein großes Märchen, wenn man sich für unbesiegbar hält. Zu viele glauben, sie seien Männer aus Stahl – stark genug, jeder Versuchung zu widerstehen. Sie geben sich der Illusion hin: „Mir kann so etwas nicht geschehen.“ Bertrand Russell hat uns Menschen einmal sinngemäß mit einer Weihnachtsgans verglichen, die am Morgen des Heiligen Abends aufwacht und glaubt, sie werde wie üblich zu Mittag ihr Futter bekommen. Russell warnt uns: „Jederzeit kann etwas schief gehen.“1 Brüder, jedem von uns kann jederzeit etwas zustoßen. Vieles im Leben wird durch Kräfte beeinflusst, die wir nur teilweise wahrnehmen.
Präsident Charles W. Penrose erzählte oft die Geschichte von einem Offizier der Titanic, der sagte, man fürchte an Bord weder „Gott, noch Menschen, noch Teufel“, denn die Titanic sei so stabil, dass sie sogar die Kollision mit einem anderen Schiff oder das Einwirken irgendwelcher Naturgewalten überstehen könne, Eisberge eingeschlossen.2 Die Titanic war nämlich rund 300 Meter lang, 12 Stockwerke hoch und aus bestem Stahl gebaut. In der schicksalhaften Nacht des 14. April 1912 warnten andere Schiffe vor Eis auf der Route. Trotzdem erhöhte die Titanic auf ihrer Fahrt durch den eiskalten Atlantik noch ihre Geschwindigkeit. Als der Eisberg in Sicht kam, war es zu spät. Die Titanic konnte nicht rechtzeitig ausweichen, und der Eisberg schrammte die Steuerbordseite des Schiffes entlang und riss Löcher in den Rumpf. Zwei Stunden und 40 Minuten später sank die nagelneue Titanic auf den Meeresgrund. Mehr als 1,500 Menschen ertranken.
Rund ein Achtel eines Eisbergs befindet sich normalerweise über Wasser. Das Eis im kalten Kern ist sehr kompakt und hält dadurch sieben Achtel des Eisbergs unter Wasser. Genau so, wie es damals der Titanic ergangen ist, als sie auf den Eisberg auffuhr, kann es auch uns ergehen. Wir sehen oft nur einen Teil der Gefahr, die vor uns liegt.
In der Geschichte gibt es genügend Beispiele, wie Menschen – begabte, fähige Leute – in einem Augenblick der Schwäche ihre viel versprechende Zukunft wegwarfen. König David ist solch ein tragisches Beispiel. Er war ein hübscher, tapferer und gläubiger junger Mann gewesen. Er hatte den Furcht erregenden Riesen Goliat besiegt. Er war König geworden und hatte alles, was sich ein Mensch nur wünschen kann. Doch als er Batseba sah, begehrte er sie, obwohl sie doch die Frau eines anderen war. Er schickte ihren Ehemann, den Hetiter Urija, im Krieg in die vorderste Schlachtreihe, wo der Kampf am heftigsten war, damit er dort umkomme. Urija starb, und David heiratete Batseba. Als Folge dieser schlechten Tat verlor David sein geistiges Erbteil.3 Obwohl David vieles geleistet hatte, wurde so manches wieder zunichte gemacht, weil er eines schweren Fehlers schuldig geworden war.
Ich habe einmal gehört, wie ein Mann zu seinen Söhnen sagte: „Ich kann näher an den Abgrund fahren als ihr, weil ich mehr Erfahrung habe.“ Er meinte, er habe alles unter Kontrolle, doch in Wirklichkeit verkannte er die Gefahr. Wer sich von seiner Erfahrung leiten lassen will, steht oft vor dem Problem, dass die Abschlussprüfung noch vor der Lektion kommt!4 Einige Menschen glauben, sie könnten aufgrund ihres Alters und ihrer Erfahrung Versuchungen leichter widerstehen. Das stimmt nicht!
Ich weiß noch, was Präsident J. Reuben Clark jun. einmal einem seiner Kinder sagte, als es zu einer Verabredung ging. Er hatte das Kind gebeten, zu einer bestimmten Uhrzeit zurück zu sein. Gereizt durch diese ständige, dringliche Erinnerung rief der Jugendliche aus: „Vati, was ist los, vertraust du mir nicht?“
Die Antwort muss wohl schockierend gewesen sein, denn Präsident Clark sagte: „Nein, [mein Kind], ich vertraue dir nicht. Ich vertraue nicht einmal mir selbst.“5
Wenn wir vermeiden wollen, dass uns das eine oder andere zustößt, schlage ich vor, dass wir von Präsident Spencer W. Kimball lernen: „Entwickeln Sie Selbstdisziplin, so dass sie nach und nach nicht mehr entscheiden beziehungsweise wieder entscheiden müssen, wie Sie handeln sollen, wenn Sie immer wieder mit derselben Versuchung konfrontiert werden. Manches brauchen Sie nur einmal zu entscheiden. Was für ein großer Segen ist es doch, wenn man nicht immer mit derselben Versuchung zu kämpfen hat, was doch zeitraubend und sehr riskant wäre.“6
Einige nehmen vielleicht Zuflucht zu einer Ausrede und meinen: „Ein einziger Drogentrip kann mir nicht schaden.“ So etwas klingt zwar harmlos, aber machen Sie sich bitte klar, was für eine Macht Drogen haben. Ich zitiere einen Süchtigen: „Man hat Drogen nicht in der Hand. Sie haben dich in der Hand. Beim ersten Mal merkst du es meistens nicht. Aber genau da kriegen sie dich.“7
„Nur eine Zigarette – bloß um zu wissen, wie das ist.“ Aber hüten Sie sich vor der Gefahr, die da lauert. Nikotin macht extrem abhängig.8 Ganze vier Zigaretten können ausreichen, jemanden zum gewohnheitsmäßigen Raucher zu machen.9
„Nur eine Dose Bier.“ Wir wissen nicht, inwieweit wir die Veranlagung zum Alkoholiker haben, aber ein Glas führt normalerweise zum nächsten. Es ist besser, niemals dieses erste Glas zu trinken, denn dann weiß man, dass es zu keinem weiteren kommt.
„Der Kauf eines einzigen Lotterieloses.“ Diese Sucht ist schwerer zu durchschauen. Sie meinen vielleicht, dass Spielsucht keine Sucht sei, weil hier keine Substanz in den Körper aufgenommen wird. Doch kürzlich schrieb jemand: „Wer sich dem Glücksspiel hingibt, riskiert mehr als nur Geld. Es geht auch um sein Leben und seine Familie.“10
„Nur ein Blick auf eine pornografische Internetseite oder ein kurzer Blick in ein Männermagazin.“ Das klingt harmlos. Was wir sehen, werden wir jedoch viel schwerer wieder los als das, was unser Körper aufnimmt. Viele abgebrühte Verbrecher geben an, dass ihre kriminelle Laufbahn mit dem Ansehen von obszönen Bildern begonnen hat.
Einige sind der Meinung, unschickliche Vergnügungen seien hin und wieder in Ordnung. Das stumpft uns jedoch ab gegen Gewalt, unangebrachte sexuelle Beziehungen, Vulgäres, den Missbrauch des Namens Gottes und weitere derartige Übel.
Ich habe nun eine ganze Weile über das gesprochen, von dem Sie nicht wollen, dass es Ihnen geschieht. Lassen Sie uns jetzt einiges von dem Guten betrachten, von dem Sie möchten, dass es Ihnen geschieht. Wenn Sie bereit sind, den Preis dafür zu zahlen, dann kann Ihnen Gutes, ja außerordentlich Gutes, geschehen – weit über das hinaus, was Sie zu träumen und hoffen wagen. Oftmals haben wir nicht einmal eine vage Vorstellung davon, was wir in diesem Leben und in der Ewigkeit an Glück und Erfolg erreichen können, denn, wie der Apostel Paulus es sagt: „Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse.“11 Aber durch den Einfluss des Heiligen Geistes kann sich die Sicht erhellen und kristallklar werden. Der Erretter hat uns verheißen, dass der Tröster, nämlich der Heilige Geist, „euch alles lehren und euch an alles erinnern“12 und „euch in die ganze Wahrheit führen“13 wird.
Wir müssen einsehen, dass unsere natürlichen Gaben und Fähigkeiten begrenzt sind, doch wenn sie durch die Inspiration und Führung des Heiligen Geistes vergrößert werden, nimmt unser Potenzial um ein Vielfaches zu. Wenn wir wirklich etwas Nützliches tun wollen, brauchen wir Hilfe von einer Macht, die über die unsere hinausgeht. Euch jungen Männern stehen große Möglichkeiten offen, und ihr könnt Segnungen erlangen, die weit über das hinausgehen, was ihr zu träumen oder zu hoffen wagt. Eure Zukunft birgt vielleicht weder Ruhm noch Reichtum in sich, aber sie kann euch etwas viel Dauerhafteres und Erfüllenderes bringen. Denkt daran: Was wir in diesem Leben tun, findet ein Echo in der Ewigkeit.
Einige von euch jungen Männern haben vielleicht noch kein so festes Zeugnis von der Kirche wie eure Eltern. Ihr wünscht euch vielleicht, sicherer zu sein, dass Joseph Smith wirklich Gott Vater und seinen Sohn, Jesus Christus, gesehen hat und dass das Buch Mormon wirklich von goldenen Platten übersetzt worden ist. Vielleicht verspürt ihr leise Zweifel, was das Gesetz des Zehnten, das Gesetz der Keuschheit oder das Wort der Weisheit betrifft. Dies ist bei jungen Menschen eures Alters nicht ungewöhnlich. Euer Glaube ist möglicherweise noch nicht geprüft worden. Ihr habt vielleicht euren Glauben und eure Lebensweise noch nicht verteidigen müssen. Ich versichere euch, dass euch Großartiges geschehen kann. Ihr könnt ein unerschütterliches Zeugnis erlangen, dass dies die Kirche Jesu Christi ist und dass das Evangelium in seiner Fülle durch Joseph Smith wiederhergestellt worden ist. Aber dieses Zeugnis wird sich vielleicht erst dann einstellen, wenn euer Glauben geprüft worden ist.14
Vor vielen Jahren beriefen zwei Generalautoritäten einen sehr jungen Mann als Pfahlpräsidenten. Der neue Pfahlpräsident sagte darauf, dass er sich voll und ganz seiner Berufung widmen wolle und von keinem Mitglied des Pfahles mehr Hingabe erwarte, als er selbst geben werde. Dann gab er Zeugnis, dass er von ganzem Herzen an das Evangelium glaube, und versprach, danach zu leben.
Später beim Essen fragte eine der Generalautoritäten den neuen Pfahlpräsidenten, ob er wirklich mit absoluter Sicherheit wisse, dass das Evangelium wahr sei. Der Pfahlpräsident entgegnete, dass er es nicht wisse. Der dienstältere Apostel sagte zum anderen: „Er weiß es genauso gut, wie du es weißt. Er weiß nur noch nicht, dass er es weiß. Aber bald wird er es wissen … Mach dir deswegen keine Sorgen.“
Kurze Zeit später bezeugte dieser neue Pfahlpräsident, dass er nach einem geistigen Erlebnis vor Dankbarkeit geweint habe, denn nun hatte er dieses bleibende, vollkommene und unerschütterliche Zeugnis empfangen, dass dieses Werk von Gott ist.15
Vielen von uns ist nicht vollständig bewusst, was wir wirklich wissen. Auch wenn wir im Evangelium unterwiesen worden sind, ist uns oft nicht ganz klar, was der Herr in uns hineingelegt und auf unser Herz geschrieben hat.16 Als junge Männer des Bundes seid ihr Erben großer Verheißungen. Ihr könnt mehr werden als nur „Holzfäller und Wasserträger“.17
Ich behaupte nicht, dass ich alle Grundsätze des Evangeliums zur Gänze begreife, aber ich habe das sichere Wissen erlangt, dass diese Kirche von Gott ist und Vollmacht besitzt. Das habe ich schrittweise erlangt – Zeile um Zeile und Weisung um Weisung. Ich weiß, dass ich es weiß – genau wie ihr wissen könnt, dass ihr es wisst. Das kann euch geschehen.
Wissen folgt auf Glauben. Wir müssen uns heute selbst das Wissen aneignen, dass das, was auf den goldenen Platten stand, wahr ist. Wir können sie nicht sehen. Sie stehen uns nicht wie damals den drei Zeugen und den acht Zeugen zur Ansicht und zum Anfassen zur Verfügung. Einige von denen, die die Platten gesehen und angefasst hatten, blieben der Kirche nicht treu. Es wäre großartig, könnten wir einen Engel sehen, doch es ist viel großartiger, das Wissen von der Göttlichkeit des Erretters durch Glauben und das Zeugnis des Geistes zu erlangen.18
Ihr könnt auch all das wieder wissen, was ihr als tapfere Söhne Gottes im Vorherdasein schon gewusst habt. Das kann euch geschehen. Aber es geschieht nicht einfach so. Ihr müsst Glauben ausüben. Die einzige Möglichkeit, geistiges Wissen zu erlangen und es hell brennen zu lassen, besteht darin, dass man demütig und gebeterfüllt ist und ernsthaft bestrebt ist, alle Gebote zu halten.
Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Winterspiele 2002 in Salt Lake City führten der Tabernakelchor und das Utah Symphony Orchestra ein eindrucksvolles Musikstück auf, das von John Williams eigens als offizielles musikalisches Motto der Winterspiele komponiert worden war. Es hatte den Titel: „Aufruf der Sieger.“ Heute ergeht mein Aufruf an die Sieger. Die bewegenden ersten Worte dieses Stückes sind: citius (schneller), altius (höher) und fortius (stärker). Sie sind seit 1924 das olympische Motto.
Brüder im Priestertum, wir leben in einer wunderbaren Zeit. Zu keiner Zeit in der Geschichte der Kirche haben wir mehr Zeugnisse für die Wahrheit dieses heiligen Werkes gehabt. Wir haben Verleumder und Kritiker, wie wir sie immer hatten. Aber nie hat die Kirche mehr erreicht, sich schneller verbreitet oder kraftvoller ihre Mission erfüllt. Jetzt heißt es für uns: aufwärts blicken und vorwärts gehen! Im Werk Gottes müssen auch wir schneller werden, mit größerer Dringlichkeit arbeiten; nach Höherem, nach erhabenen geistigen Zielen streben und stärker werden, indem wir auf Gottes Stärke vertrauen. Das kann Ihnen geschehen.
Der sichere Weg, um die Freuden und Segnungen des Lebens zu erfahren, besteht darin, dass wir unserem lebenden Propheten, Präsident Gordon B. Hinckley, folgen. Wir haben so viel Gutes durch unsere früheren Propheten erfahren, doch heute müssen wir auf die Stimme Präsident Hinckleys hören, wir müssen seinen Rat befolgen, damit uns das Beste geschehen kann. Dies bezeuge ich im Namen Jesu Christi. Amen.