2020
O bleibe, Herr
Oktober 2020


Stimmen von Heiligen der Letzten Tage

O bleibe, Herr

Darmstadt (AM): Am Karfreitag sahen wir im Fernsehen die Übertragung einer Andacht aus der Unterkirche der Frauenkirche in Dresden. Wie auch andernorts wurde der Gottesdienst von nur wenigen Personen gestaltet. Als das vorletzte Lied gesungen wurde, ging es uns sehr zu Herzen. Es war „O bleibe, Herr, der Abend bricht herein“ – ein Lied, welches auch in unserem Gesangbuch enthalten ist und uns immer sehr berührt. Es interessierte uns, wer der Verfasser dieser glaubensvollen, tröstlichen und zuversichtlichen Worte, ja, dieses Gebets war, das 1847 geschrieben wurde.

Henry F. Lyte war ein englischer Geistlicher, der viele Kirchenlieder verfasst hat. Er lebte zuletzt mit seiner Familie in einem Fischerdorf in der Grafschaft Devon. Zeit seines Lebens war er von schwacher Gesundheit und reiste oft in das südliche Europa, um Erholung im milderen Klima zu finden. 1847, im Alter von 54 Jahren, wurde bei ihm Tuberkulose diagnostiziert. Bevor er in diesem Jahr seine Reise begann, hatte er den Wunsch, noch einmal seiner Gemeinde zu predigen. Seine Familie wollte ihn wegen seiner gesundheitlichen Schwäche davon abhalten, aber es war vergeblich. Er hatte das Gefühl, dass er dies tun sollte, ungeachtet möglicher Folgen. So hielt er am 4. September 1847 seine Abschiedsansprache. An diesem Sonntagnachmittag machte er einen Strandspaziergang und schrieb sein bekanntestes Kirchenlied, „Abide with me“ – „O bleibe, Herr“.

„O bleibe, Herr, der Abend bricht herein.

Bald ist es Nacht, o lass mich nicht allein.

Wenn alles flieht, wenn jede Stütze bricht:

Du, der Verlassnen Hort, verlass mich nicht!“

Bald danach brach er zu einer Kur nach Italien auf. Während seines Aufenthaltes in Südfrankreich verließen ihn seine Kräfte. Er starb am 20. November 1847 und wurde auf dem Friedhof von Nizza beigesetzt. Bei seiner Beerdigung wurde dieses Lied zum ersten Mal gesungen.

Im Lukas-Evangelium, Kapitel 24, finden wir folgende Geschichte: Als am Tag der Auferstehung des Herrn die beiden Jünger auf dem Weg nach Emmaus waren, kam Jesus hinzu, aber sie erkannten ihn nicht. „So erreichten sie das Dorf, zu dem sie unterwegs waren. Jesus tat, als wolle er weitergehen, aber sie drängten ihn und sagten: Bleib doch bei uns, denn es wird Abend, der Tag hat sich schon geneigt! Da ging er mit hinein, um bei ihnen zu bleiben.“ (Vers 28,29.)

In dem alten Gesangbuch meiner Tante von 1937 ist zu diesem Lied eine Fußnote abgedruckt: „Henry F. Lyte, ein englischer Prediger, verfasste dieses Lied kurz vor seinem Tode (1847) an einem Sonntagabend, als er zum letzten Male gepredigt und das heilige Abendmahl ausgeteilt hatte.“

Die Geschichte dieses Liedes und sein Inhalt berühren uns sehr. Es hat sicher seinen Ursprung in der Begebenheit in der Heiligen Schrift. Zusammen mit den Jüngern und dem Verfasser des Liedes ist es auch unser Wunsch und Gebet für uns alle, dass der Herr, wie wir es auch in unseren Abendmahlsgebeten erflehen, mit seinem Geist stets bei uns bleiben möge.