2021
„Selbstbestimmung“ als wichtige Ressource für ein erfülltes Leben
April 2021


„Selbstbestimmung“ als wichtige Ressource für ein erfülltes Leben

St.Gallen (MN): An den 16. Zürcher Filmfestspielen feierte der Film That Girl Premiere. Darin porträtiert die Regisseurin Cornelia Gantner Gladys, eine junge Frau aus dem afrikanischen Sambia.

Gladys lebt nach dem klaren Grundsatz: „Steh für das ein, was du für richtig hältst.“ Aus dieser Lebenseinstellung heraus entstand in Chewe, einem Dorf in Sambia, das ambitionierte Projekt, eine Schule und eine Farm aufzubauen. Gladys, in diesem Landstrich geboren und aufgewachsen, kennt die wenig verheissungsvollen Zukunftsperspektiven der Kinder hier, vorwiegend der Mädchen. Cornelia Gantner hat Gladys mehrere Jahre hindurch bei ihrem unermüdlichen Kampf für Veränderungen und Fortschritt begleitet. Sie skizzierte eine Frau, die nicht davor zurückschreckte, die Stille zu durchbrechen, um für ihre Überzeugungen einzutreten.

Oliver Bassler wollte von Cornelia Gantner – Leiterin der Ostschweizer Frauenhilfsvereinigung der Kirche – mehr über den Film wissen, der im kommenden Frühling in den Schweizer Kinos startet.

Cornelia, was bedeutet dir Selbstbestimmung in deinem Leben?

Für mich steht Entscheidungsfreiheit, also Selbstbestimmung, im Zentrum des Evangeliums. Gott liebt uns so sehr, dass er sie uns von Anfang an, schon im vorirdischen Dasein, zugestanden hat. Leider führen soziale, gesellschaftliche und persönliche Umstände oft dazu, dass wir unsere Entscheidungsfreiheit nicht voll nutzen können oder wollen. Ich ermutige Jugendliche, Frauen und Männer, in sich zu gehen und zu fragen: Nutze ich den Spielraum aus, den ich habe, um mein göttliches Potenzial zu entfalten? Kann ich diesen Spielraum allenfalls ausdehnen? Zudem unterstütze ich Organisationen, welche in Dritte-Welt-Ländern insbesondere Frauen dabei helfen, durch Aus- und Berufsbildung ihre Chance auf Selbstbestimmung zu verbessern.

Wie siehst du die Rolle der Frauen in der Kirche Jesu Christi?

Das ist eine Frage, deren Antwort den Rahmen dieses Gesprächs wohl sprengt. Kurz gesagt: Dies ist eine grossartige Zeit für Frauen in der Kirche Jesu Christi! Dank der Erläuterungen unserer Propheten und Apostel, insbesondere Präsident Nelson, hat sich mein Verständnis der Frau im Werk des Herrn vertieft. Während manche von uns als Mütter eine wichtige Aufgabe erfüllen, sind wir alle durch Tempelbündnisse und Berufungen in der Kirche zusätzlich mit Vollmacht ausgestattet, die Mächte des Himmels herabzurufen. Ich liebe die Aussage von Präsident Oaks, der sagt: „Wir sind es nicht gewohnt, davon zu sprechen, dass Frauen in ihren Berufungen die Vollmacht des Priestertums haben, aber welche Vollmacht sollte es sonst sein?“ (Dallin H. Oaks, „Die Schlüssel und die Vollmacht des Priestertums“, Frühjahrs-Generalkonferenz 2014).

Auch werden wir dazu angehalten, als FHV und Ältestenkollegium bei der Betreuung der Mitglieder eng zusammenzuarbeiten und somit zur Entlastung der Bischöfe zugunsten ihrer Arbeit mit der Jugend beizutragen. Ich bin beeindruckt von Priestertumsführern, welche Frauen einladen, diesen Raum einzunehmen, und sie auf Augenhöhe mitarbeiten und mitführen lassen. Es liegt nun an uns Frauen, diesen Raum auch einzunehmen, uns aktiv einzubringen und in der Kirche mehr Verantwortung zu übernehmen.

Gladys hat ihr Potenzial als Frau in Afrika genutzt. Wie können Frauen (und auch Männer) in der Schweiz oder in Europa ihre Selbstbestimmung sinnvoll nutzen?

Dafür gibt es wohl kein einheitliches Rezept. Die Lebensgeschichte eines jeden Menschen ist individuell. Umstände, Möglichkeiten, Begabungen, Interessen – das alles beeinflusst ja Entscheidungen, die wir in unserem Leben treffen. In manchen Regionen der Welt sind Frauen vor allem durch externe Faktoren eingeschränkt. Wir hier in Europa leben in einer Gesellschaft und in einem politischen Umfeld, welches uns viele Freiheiten lässt. Nutzen wir sie? Nehmen wir uns die Freiheit, Prioritäten im Leben so zu setzen, wie wir sie für richtig und wichtig halten? Für Nachfolgerinnen Jesu Christi können diese Prioritäten von denjenigen abweichen, welche „die Welt“ für richtig hält. Haben wir den Mut – wenn nötig – gegen den Strom zu schwimmen?

Wie stehst du für das ein, was du für richtig hältst?

Ich bin einfach, wie ich bin, und stehe offen zu meinem Glauben, meiner Aktivität in der Kirche und meinem Lebensweg – in meiner Familie, im Freundeskreis, im geschäftlichen Umfeld oder im Gespräch mit der Presse. Allein diese Offenheit führt oft zu interessanten Gesprächen und der Möglichkeit, eine Lanze zu brechen für das, was ich richtig und wichtig finde. Dabei gilt es, gegenüber dem Vis-à-vis immer respektvoll zu sein, nicht urteilend und schon gar nicht verurteilend. Zudem habe ich den Anspruch, möglichst viel meiner Zeit in Bereiche zu investieren, die mir wichtig sind. Dazu gehört meine Berufung in der Kirche.

Werden wir von dir noch weitere Filme sehen können? Was sind deine Zukunftspläne?

Das ist gut möglich. Mit einem Film kann man Emotionen auslösen, Menschen für ein Thema sensibilisieren. Einen zweiten Film zu produzieren über ein Thema, das mir am Herzen liegt, kann ich mir gut vorstellen. Vorerst bin ich aber vor allem damit beschäftigt, That Girl an Festivals und ins Kino zu bringen – und mich im Rahmen einer Stiftung für mehr Selbstbestimmung der Frauen zu engagieren.