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Durch lebenslanges Lernen Gott näherkommen
Bildung ist deswegen ein ewiges Ziel, weil ja auch unser Bestreben, wie Gott zu werden, immerwährend ist
Der College-Abschluss war für mich nicht leicht. Nicht wegen allem, was ich um des Studiums willen aufzugeben hatte, sondern weil ich bei meinem Abschluss auch einen Teil von mir selbst zurückließ. Jede spannende Vorlesung, durch die die Woche schneller verging, jeder erfolgreiche Abschluss eines monatelangen Forschungsprojekts trugen dazu bei, dass sich jede Sekunde meiner Ausbildung letztlich lohnte. Ich merkte jedoch, dass meine Ausbildung – und das gilt für uns alle – nicht mit dem Abschluss zu Ende sein muss.
Selbst wenn man vor Jahrzehnten bereits einen Abschluss gemacht hat und nun eine Anstellung hat, in der man hervorragende Leistungen erzielt, kann und soll man weiterlernen, denn Bildung umfasst ja so viel mehr, als man vielleicht meint. Als Präsident Henry B. Eyring, Zweiter Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, Physik und Mathematik studierte, fühlte er sich überfordert. In seiner Entmutigung fand er den Gedanken naheliegend, das Studium abzubrechen.
Doch eines Abends, so berichtete er, erging „Hilfe in Form einer Stimme, einer tatsächlichen Stimme an meinen Sinn. Es war nicht meine Stimme. Es war eine sanfte und liebevolle, aber dennoch feste Stimme. Die Worte lauteten: ‚Wenn du erkennst, wer du wirklich bist, wird es dir leidtun, dass du dich nicht mehr bemüht hast.‘“1
Diese Erkenntnis führte dazu, dass Präsident Eyring das Studium abschloss, ein Aufbaustudium absolvierte und später Professor wurde. Wir selbst geben uns vielleicht mit unserer Ausbildung oder unserem Beruf zufrieden, doch Gott sieht in uns ein Potenzial, das wir nicht immer sehen können. Wir verlieren nichts und gewinnen alles, wenn wir unser Leben lang dazulernen.
Unsere Pflicht, dazuzulernen
Lebenslanges Lernen ist nicht bloß etwas, was wir tun könnten. Präsident Russell M. Nelson hat gesagt: „Weil wir den menschlichen Verstand so sehr in Ehren halten, sehen wir es als religiöse Pflicht an, uns Bildung anzueignen.“2
Warum ist Weiterbildung also eine religiöse Pflicht? In Lehre und Bündnisse 88:79,80 erfahren wir, dass wir uns über so vieles informieren sollen, dass „ihr in allem bereit seiet, wenn ich euch abermals aussende, um die Berufung, zu der ich euch berufen habe, und die Mission, mit der ich euch beauftragt habe, groß zu machen“. Wir können und sollen unser Wissen einsetzen, um unseren Mitmenschen ein Segen zu sein und zum Aufbau des Gottesreiches beizutragen.
Außerdem liebt Gott uns so sehr, dass er möchte, dass wir Fortschritt machen. Als Geistkind des himmlischen Vaters besitzen wir eine Fähigkeit, die uns von jedem anderen Geschöpf auf Erden unterscheidet – wir können werden wie er. Aus den heiligen Schriften erfahren wir, dass Gott der Allwissende ist (siehe Ijob 37:16). Deshalb muss unser Ziel – Vollkommenheit – auch darin bestehen, dass wir uns um vollkommenere Erkenntnis bemühen.
Im Wegweiser Für eine starke Jugend steht: „Für dich gibt es zeitliche und geistige Gründe, dich um Bildung zu bemühen und gern dazuzulernen. Beim Aneignen von Bildung geht es nicht nur darum, dass du später Geld verdienen kannst. Es geht auch um dein ewiges Ziel, mehr wie der Vater im Himmel zu werden.“3 Bildung ist deswegen ein ewiges Ziel, weil ja auch unser Bestreben, wie Gott zu werden, immerwährend ist.
Der Grundsatz lebenslangen Lernens ist nicht nur für diejenigen gedacht, die einen Universitätsabschluss anstreben. Elder Dieter F. Uchtdorf vom Kollegium der Zwölf Apostel hat dazu aufgerufen: „Wenn eine herkömmliche Ausbildung nicht möglich ist, dann lassen Sie sich dennoch nicht davon abhalten, sich so viel Wissen wie nur möglich anzueignen. In diesem Fall können die besten Bücher gewissermaßen zu Ihrer ‚Hochschule‘ werden – zu einem Klassenzimmer, das immer offensteht und jeden Interessierten aufnimmt.“6
In Lehre und Bündnisse 88:118 werden wir angewiesen: „Sucht Worte der Weisheit aus den besten Büchern; trachtet nach Wissen, ja, durch Studium und auch durch Glauben.“ Zu den „besten Büchern“ gehören die heiligen Schriften und die Aussagen lebender Propheten. Um weitere Fertigkeiten und weiteres Wissen zu erlangen, brauchen wir oft auch Erkenntnisse aus zusätzlichen Quellen, beispielsweise aus Bibliotheksbüchern von vertrauenswürdigen Fachleuten, aus Lernmaterial von Volkshochschulen, von Bildungsinternetseiten oder aus den Nachrichten, von regionalen Kulturveranstaltungen und so weiter. Natürlich enthalten nicht alle Quellen Wahrheit. Das tägliche Studium des Gotteswortes kann uns daher helfen, Wahrheit auch in anderen Wissensgebieten zu erkennen. Wir können uns um den Heiligen Geist bemühen und bedacht herausfinden, aus welchen Quellen wir lernen sollen und was davon wahr ist.
Werden Sie neugierig, was die Welt angeht, und stellen Sie Fragen. Achten Sie auf komplexe Zusammenhänge und die Schönheit des Alltags. Präsident Dallin H. Oaks, Erster Ratgeber in der Ersten Präsidentschaft, und seine Frau Kristen haben gesagt: „Lebenslanges Lernen … schließt Bestrebungen auf künstlerischem Gebiet mit ein. Ebenso schließt [es] Erfahrungen mit anderen Menschen und an unterschiedlichen Orten ein: Unterhaltungen mit Freunden, Museums- und Konzertbesuche sowie Gelegenheiten zu dienen. Erweitern wir unseren Horizont und genießen wir die Reise.“7
Bei jedem Lernen und bei jedem Studium müssen wir uns um Weisung vom Vater im Himmel bemühen, denn seine Führung macht unser Lernen ertragreicher. Präsident Eyring hat gesagt: „Das bedeutet, dass es keine Wahrheit gibt, die ihr nicht auch erlernen könntet, denn Gott kennt alle Wahrheit.“8 Glauben Sie daran, dass Gott 1.) alles weiß und 2.) uns an diesem Wissen teilhaben lassen möchte.
Wie Elder Jeffrey R. Holland vom Kollegium der Zwölf Apostel gesagt hat, wartet der Vater im Himmel „sehnsüchtig auf die Gelegenheit, Ihre Gebete zu beantworten und Ihre Träume zu erfüllen“9, und dazu gehören auch unsere Träume im Bereich Aus- und Weiterbildung. Vertrauen Sie darauf, dass Gott uns zum Erfolg verhelfen kann und dass er uns zur rechten Zeit zu den gewünschten Menschen und Angeboten führt, wenn wir uns um Offenbarung bemühen und entsprechend handeln.
Es gibt kein Alter, ab dem wir nicht mehr dazulernen könnten. Es gibt immer noch mehr, was Gott uns beibringen möchte. Wir müssen demütig einsehen, dass es immer noch vieles gibt, was wir nicht wissen. Und wir müssen auch dankbar dafür sein, dass wir seine Schüler sein dürfen.
Unsere Aufgabe, mit unserem Wissen anderen zu dienen
Eine Möglichkeit, wie wir uns Gott für unsere Lernfähigkeit dankbar erweisen, besteht darin, dass wir das erworbene Wissen zum Nutzen unserer Mitmenschen einsetzen. Es gibt immer jemanden, der von unserem Wissen und unserer Erfahrung profitieren kann – sei es ein weltweites Publikum über soziale Netzwerke, eine Nachbarsfamilie, die Hilfe braucht, oder ein Familienmitglied zuhause.
„Gott erwartet von uns, dass wir uns verstandesmäßig weiterbilden, unsere Fertigkeiten vergrößern und unsere Fähigkeiten vervollkommnen, damit wir in der Welt ein besserer Einfluss zum Guten sein, für uns, unsere Angehörigen und die Bedürftigen sorgen und das Gottesreich aufbauen können.“10 Durch Gott gereicht alles, was Sie gelernt haben und weiterhin lernen, jemandem zum Segen.
Der Erretter erzählte das Gleichnis von einem Mann, der vor seiner Abreise seinen drei Dienern Talente gab. Der Diener mit den fünf Talenten und der mit den zwei Talenten hatten ihre Talente verdoppelt, ehe ihr Herr zurückkehrte. Doch der dritte Diener „ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn“ (Matthäus 25:18).
Als der Herr zurückkehrte, lobte er die beiden treuen Diener und wies den faulen Diener zurecht: „Denn wer hat, dem wird gegeben werden und er wird im Überfluss haben; wer aber nicht hat, dem wird auch noch weggenommen, was er hat.“ (Matthäus 25:29.)
Ganz gleich, wie viel Wissen wir uns im Laufe unseres Lebens angeeignet haben – es steckt immer ein höherer Zweck dahinter, dass wir nämlich unseren Mitmenschen dadurch ein Segen sein sollen. Präsident Nelson hat gesagt: „Die Ausbildung macht den Unterschied aus zwischen dem Wunsch, anderen von Nutzen zu sein, und der Befähigung, ihnen zu helfen.“11 Wenn wir das, was wir gelernt haben, einsetzen, um unsere Brüder und Schwestern zu stärken, und offen dafür sind, mehr Erkenntnis zu erlangen, erweitert sich unser Wissenshorizont und unsere Lebenserfahrung. Wenn wir unser Wissen jedoch verbergen und für uns behalten, kann es nicht dazu beitragen, dass wir mehr wie der Vater im Himmel und Jesus Christus werden.
Es gibt viele Möglichkeiten, wie wir unser Leben lang dazuzulernen können. Wir können uns mit aktuellen Ereignissen in unserer Umgebung oder unserem Land befassen und gegebenenfalls zweckdienliche Maßnahmen ergreifen. Wenn wir jemanden betreuen, der an einer Krankheit leidet, über die wir nur wenig Bescheid wissen, können wir uns informieren und den Betreffenden dann einfühlsamer unterstützen. Wir können auf unsere Kenntnis vom Evangelium und unser Zeugnis von Christus zurückgreifen und einem Freund mit einer Textnachricht den Tag erhellen. Wenn sich jüngere Familienmitglieder in einem Schulfach schwertun, können wir uns die Zeit nehmen, mit ihnen zu lernen.
Wir bemühen uns nicht nur, unser Leben lang selbst dazuzulernen, sondern wir können auch anderen dabei zur Seite stehen. Um andere bei ihrem lebenslangen Lernen zu unterstützen, muss man kein Lehrer werden. Wir können etwa auch durch die eigene Begeisterung jemanden dazu motivieren, weiterhin dazuzulernen. Oder wir erlernen gemeinsam mit einem Familienmitglied eine neue Fertigkeit, die uns selbst zwar nicht wirklich interessiert, die ihm aber am Herzen liegt.
Oder wir erkennen in unserem Umfeld ein Problem und tun uns mit anderen zusammen, um dem abzuhelfen. Und wir lernen so, wie es der Erretter getan hat, und sind bemüht, unser Leben lang weiterzulernen, denn „was von Gott ist, das ist Licht; und wer Licht empfängt und in Gott verbleibt, empfängt mehr Licht“ (Lehre und Bündnisse 50:24).
Präsident Nelson hat uns aufgefordert: „Bilden Sie sich weiter, … wie auch immer Sie Ihrer Meinung nach Ihrer Familie und Ihrer Gesellschaft am besten dienen können.“12 Kein Lebensweg, kein Bildungsweg auf Erden gleicht genau dem eines anderen. Wenn wir jedoch unser Leben lang dazulernen und uns weiterentwickeln, können wir einen Einfluss ausüben, wie ihn sonst niemand hat.