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Vergeben und Vergebung erlangen


Lektion 33

Vergeben und Vergebung erlangen

Mit dieser Lektion sollen wir motiviert werden, anderen zu vergeben und selbst Vergebung zu erlangen.

Einleitung

Im folgenden Gleichnis lehrt uns der Erretter etwas darüber, wie der himmlische Vater uns liebt:

Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere Sohn bat den Vater um sein Erbteil. Dann nahm er das, was der Vater ihm gegeben hatte, und ging in ein anderes Land, wo er recht bald sein ganzes Geld ausgab und die Gebote Gottes übertrat.

Als der eigensinnige Sohn alles ausgeben hatte, was er besaß, kam eine große Hungersnot ins Land. Bald schon litt er Hunger und arbeitete als Schweinehirt. Doch er war noch immer so arm und hungrig, dass er vom Schweinefutter essen wollte.

In seinem Elend erkannte der junge Mann seine Fehler. Er dachte daran, dass selbst die Knechte im Haus seines Vaters genug zu essen hatten. Er beschloss, nach Hause zurückzukehren und darum zu bitten, dass er als Knecht dableiben dürfe. Als er sich seinem Vaterhaus näherte, sah der Vater ihn kommen und rannte ihm entgegen. Als sie sich umarmten, sagte der Sohn: „Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein.“ Aber der Vater war sehr glücklich, dass sein Sohn wieder zu Hause war. Er nahm das beste Gewand und zog es ihm an. Er zog ihm Schuhe an und steckte ihm einen Ring an die Hand. Dann wies er seine Knechte an, ein großes Festmahl vorzubereiten.

Der ältere Bruder, der treu geblieben war, sah, was vor sich ging und war verletzt. Für ihn hatte der Vater noch nie so ein Festmahl gegeben. Der Vater tröstete ihn und sagte, dass alles, was die Familie besäße, einmal ihm gehören würde. Sein Bruder hatte sein Erbteil vergeudet, doch seine Heimkehr sei ein Grund zur Freude. Der Vater sagte: „Dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wiedergefunden worden.“ (Siehe Lukas 15:11–32.)

Jeder von uns hat Sünden begangen, aber das Sühnopfer des Herrn macht es möglich, dass uns unsere Sünden vergeben werden. Über sein Opfer sagte er: „Denn siehe, ich, Gott, habe für alle gelitten, damit sie nicht leiden müssen, sofern sie umkehren.“ (LuB 19:16.)

• Zeigen Sie Bild 33-a, „Christus litt im Garten Getsemani für unsere Sünden“.

In einer anderen Schriftstelle sagt der Herr: „Siehe, wer von seinen Sünden umgekehrt ist, dem wird vergeben, und ich, der Herr, behalte sie nicht mehr im Gedächtnis.“ (LuB 58:42.) Wir alle müssen Umkehr üben, um vom Herrn Vergebung zu erlangen.

• Was musste der jüngere Sohn im Gleichnis tun, um sein Leben zu ändern? (Seine Fehler erkennen, nach Hause zurückkehren, seine Sünden bekennen und davon ablassen.) Mit welchen Gefühlen ist der Sohn wohl nach Hause zurückgekehrt? (Vielleicht befürchtete er, dass er zurückgewiesen wird. Vielleicht hat er sich darauf gefreut, nach Hause zu gehen. Vielleicht hatte er das Gefühl, er tat das Richtige.)

Vergebung bringt Freude

• Was meinen Sie, wie sich der Sohn fühlte, nachdem der Vater ihn begrüßt hatte?

• Was empfinden Sie für den Erretter, da Sie wissen, dass sein Opfer es Ihnen ermöglicht, von Ihren Sünden umzukehren?

Wenn wir umkehren, freut sich der Vater im Himmel und vergibt uns – so wie der Vater im Gleichnis. Überlegen Sie, welche Freude Sie schon in Ihrem Leben verspürt haben, als Sie umkehrten und Ihnen vergeben wurde.

Alma der Jüngere war der Sohn eines Propheten Gottes, aber er hatte einige schwer wiegende Sünden begangen. Eine seiner schwersten Sünden war sein Bemühen, die Kirche Gottes zu zerstören, indem er Menschen von der Wahrheit wegführte. Als Führer der Kirche empfand Almas Vater großen Kummer wegen der Schlechtigkeit seines Sohnes und betete oft zum Herrn, dass sein Sohn die Wahrheit erkennen möge.

Wegen des Glaubens und der Gebete seines Vaters und anderer Diener des Herrn erschien Alma eines Tages ein Engel. Der Engel sprach mit solcher Macht, dass Alma zu Boden fiel. Er war nun von Gottes großer Macht überzeugt. Der Engel gebot Alma, nicht länger zu versuchen, die Kirche zu zerstören. Als der Engel verschwand, war Alma so bestürzt, dass er nicht sprechen konnte. Er fiel wieder zu Boden und zwei Tage lang hatten ihn alle Kräfte verlassen. Als er wieder sprechen konnte, berichtete er den Menschen, er habe eine große Wandlung in seinem Leben erlebt, er sei von seinen Sünden umgekehrt und vom Herrn erlöst worden. Alma beschloss, dass er die Gebote Gottes halten und alles nur Mögliche tun wollte, um seine früheren Sünden wieder gutzumachen. Er bemühte sich so sehr, dass er ein herausragender Missionar und später der Prophet der Kirche wurde. (Siehe Mosia 27; 29:42.)

Über dieses Erlebnis berichtete Alma:

„Und nun, drei Tage und drei Nächte lang wurde ich gepeinigt, nämlich mit den Qualen einer verdammten Seele.

Und es begab sich: Als ich so von Qual gepeinigt war und durch die Erinnerung an meine vielen Sünden zerrissen wurde, da dachte ich auch daran, dass ich gehört hatte, wie mein Vater dem Volk prophezeite, dass ein gewisser Jesus Christus, ein Sohn Gottes, kommen werde, um für die Sünden der Welt zu sühnen.

Als aber mein Sinn diesen Gedanken fasste, rief ich in meinem Herzen aus: O Jesus, du Sohn Gottes, sei barmherzig zu mir, der ich in der Galle der Bitternis bin und von den immerwährenden Ketten des Todes umschlossen bin.

Und nun siehe, als ich dies dachte, konnte ich nicht mehr an meine Qualen denken; ja, ich wurde durch die Erinnerung an meine Sünden nicht mehr zerrissen.

Und o welche Freude, und welch wunderbares Licht sah ich! Ja, meine Seele war von Freude erfüllt, die ebenso übergroß war wie meine Qual.

Ja … Es gab nichts so Außerordentliches und so Bitteres wie meine Qualen. Ja, und weiter … Es kann nichts so Außerordentliches und so Süßes geben wie meine Freude.“ (Alma 36:16–21.)

• Was tat Alma, um Vergebung zu erlangen? (Er übte Umkehr und bat Gott um Vergebung.) Woher wusste Alma, dass ihm vergeben worden war? (Seine Seele war von Freude erfüllt.)

Das Volk von König Benjamin wusste auch, welche Freude es bringt, Vergebung zu erlangen. Als sie König Benjamins letzte große Rede gehört hatten, übten sie Umkehr und beteten um die Vergebung ihrer Sünden. Im Buch Mormon lesen wir, dass „der Geist des Herrn über sie [kam], und sie wurden von Freude erfüllt, weil sie Vergebung für ihre Sünden empfangen hatten und weil sie Frieden im Gewissen hatten wegen des überaus großen Glaubens, den sie an Jesus Christus hatten.“ (Mosia 4:3.)

Von uns wird verlangt, dass wir allen Menschen vergeben

Da der Erretter vollkommene Liebe für uns empfindet, vergibt er uns bereitwillig, wenn wir wahrhaft Umkehr üben. Dafür hat er uns aufgefordert, so wie er zu sein und einander zu vergeben.

• Lassen Sie einen Teilnehmer Lehre und Bündnisse 64:8 lesen. Weshalb hat Christus seine Jünger gezüchtigt? (Sie haben einander nicht vergeben.)

• Lassen Sie die Teilnehmer Lehre und Bündnisse 64:9–11 lesen. Schreiben Sie an die Tafel Von euch wird verlangt, dass ihr allen Menschen vergebt.

• Was meint der Herr, wenn er sagt, dass die größere Sünde auf dem verbleibt, der nicht vergibt?

Jesus veranschaulichte den Grundsatz der Vergebung mit dem Gleichnis vom unbarmherzigen Knecht:

Ein Knecht schuldete seinem Herrn 10 000 Talente – einen großen Betrag. Als es so weit war, dass er die Schulden zurückzahlen sollte, flehte er seinen Herrn an, Geduld zu haben. Er habe das Geld nicht, aber nach und nach würde er es zurückzahlen. Der Herr hatte Mitleid mit dem Diener und erließ ihm die Schuld. Dieser Knecht ging zu einem anderem Diener, der ihm einen kleinen Betrag schuldete, und forderte das Geld von ihm zurück. Der Mann konnte nicht zahlen, und so ließ der Knecht ihn ins Gefängnis werfen. Als der Herr davon erfuhr, war er sehr zornig auf den unbarmherzigen Diener und zwang ihn, seine ganze Schuld zu bezahlen. (Siehe Matthäus 18:21–34.)

Am Ende des Gleichnisses sagte Jesus zu den Leuten: „Ebenso wird mein himmlischer Vater jeden von euch behandeln, der seinem Bruder nicht von ganzem Herzen vergibt.“ (Matthäus 18:35.)

• Inwiefern sind wir wie der Diener, dem seine vielen Schulden erlassen wurden? Wenn wir anderen nicht vergeben – inwiefern sind wir dann wie der unbarmherzige Knecht?

Das größte Beispiel für Vergebungsbereitschaft finden wir im Leben des Erretters. Als er mit Schmerzen am Kreuz hing, betete er, der Vater möge den Soldaten vergeben, die ihn gekreuzigt hatten. „Vater“, sagte er, „vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas 23:34.)

Elder Spencer W. Kimball hat gesagt: „Wenn wir im Recht sein wollen, müssen wir vergeben, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob unser Gegner Umkehr übt und wie aufrichtig seine Wandlung ist und ob er uns um Verzeihung bittet oder nicht. Wir müssen dem Beispiel und der Lehre unseres Meisters folgen.“ (Das Wunder der Vergebung, 1993, Seite 270.)

Anderen vergeben schenkt uns inneren Frieden

Wenn sich jemand an uns versündigt hat, werden wir oft verbittert und zornig. Diese Gefühle können uns sehr unglücklich machen, selbst wenn wir die Sünde gar nicht begangen haben. Wenn wir diese Gefühle hegen, vertreiben wir den Geist des Herrn. Dies ist einer der Gründe, weshalb der Herr uns geboten hat, denen zu vergeben, die uns verletzt haben.

Präsident John Taylor hat gesagt: „Man findet Frieden und Freude, wenn man im Herzen den Geist der Vergebung hat und Hass und Bitterkeit verbannt.“ (Zitiert von Heber J. Grant, Generalkonferenz, Oktober 1920.)

Präsident Spencer W. Kimball hat die folgende Begebenheit erzählt, um zu zeigen, dass man Frieden spürt, wenn man anderen vergibt:

1918 wurden drei Polizeibeamte getötet, als sie versuchten, ein paar Straftäter festzunehmen. Glenn Kamptons Vater war einer dieser Polizisten. Einige Zeit später wurden die Mörder festgenommen, vor Gericht gestellt und zu lebenslanger Haft verurteilt.

• Welche Gefühle hätten Sie für jemanden, der Ihren Vater getötet hat? Warum wäre es schwierig, so jemandem zu vergeben?

Bruder Kempton hat seine Erfahrungen wie folgt beschrieben:

„Als ich dreizehn, vierzehn Jahre alt war, nahm die Verbitterung in mir ständig zu. Ich hasste den Mann, der meinen Vater umgebracht hatte, denn Tom Powers hatte gestanden, meinen Vater erschossen zu haben.

Die Jahre vergingen schnell. Ich wurde erwachsen, aber noch immer lastete diese Bürde auf mir. Ich absolvierte die Oberschule und erhielt dann eine Berufung in die Oststaatenmission. Dort wuchs meine Evangeliumserkenntnis sehr schnell, ebenso mein Zeugnis; denn ich verbrachte meine ganze Zeit damit, in der Schrift zu studieren und zu predigen. Eines Tages las ich im Neuen Testament und kam zu der Stelle in Matthäus, 5. Kapitel, Vers 43 bis 45.“

• Lesen Sie Matthäus 5:43–45.

Bruder Kempton berichtet weiter: „Da stand es also: Der Erretter sagt, dass wir vergeben müssen. Das bezog sich auf mich. Ich las die Stelle wieder und wieder, und es wurde nicht anders. Nicht lange danach fand ich in ‚Lehre und Bündnisse‘, Abschnitt 64, Vers 9 und 10 noch ein weiteres Wort des Erretters. …“

• Lesen Sie noch einmal Lehre und Bündnisse 64:9,10.

„Ich wusste nicht, ob Tom Powers Umkehr geübt hatte, aber eines wusste ich: Nach meiner Rückkehr würde es eine Zusammenkunft geben müssen, und den festen Entschluss fasste ich, ehe ich das Missionsfeld verließ.

Nach meiner Rückkehr lernte ich ein sehr liebes HLT-Mädchen kennen und heiratete es; der Herr schenkte uns fünf gute Kinder. Die Jahre verflogen so rasch, und der Herr war gut zu uns; aber jedes Mal, wenn ich an die Zusammenkunft dachte, zu der es nicht gekommen war, hatte ich ein schlechtes Gewissen.

Vor ein paar Jahren – es war die Zeit vor Weihnachten, die Zeit, wo die Liebe Christi sich stark bemerkbar macht und in uns der Wunsch wach wird, zu geben und zu vergeben – waren meine Frau und ich kurz in Phoenix in Arizona. Am Nachmittag des zweiten Tages hatte ich meine Geschäfte erledigt, und wir machten uns auf den Heimweg. Unterwegs sagte ich, ich würde gern einen Umweg über Florence machen, wo sich das staatliche Zuchthaus befindet. Meine Frau war sogleich einverstanden.

Als wir ankamen, war die Besuchszeit vorbei, aber ich ging in das Gebäude und fragte nach dem Direktor. Man wies mich in sein Büro.

Ich stelle mich vor und trug den Wunsch vor, mit Tom Powers zu sprechen. Das Gesicht des Direktors nahm zuerst einen erstaunten Ausdruck an, aber nach kurzem Zögern sagte er: ‚Das wird sich machen lassen.‘ Er schickte einen Wärter in den Block, wo Tom Powers untergebracht war, und er kam bald mit ihm zurück. Man machte uns miteinander bekannt, und wir wurden ins Sprechzimmer geführt, wo wir lange miteinander redeten. Unser Gespräch führte uns zurück zu dem kalten, grauen Februarmorgen vor dreißig Jahren, und wir durchlebten die ganze Szene noch einmal. So vergingen anderthalb Stunden. Zum Schluss sagte ich: ‚Tom, Sie haben einen Fehler begangen, für den Sie der Gesellschaft gegenüber Schuld auf sich geladen haben, und ich bin der Meinung, dass Sie dafür auch weiterhin büßen müssen, genauso wie ich weiter dafür büßen muss, dass ich ohne einen Vater aufgewachsen bin.‘“

• Zeigen Sie Bild 33-b, „Tom Powers und Glenn Kempton“.

„Dann stand ich auf und streckte ihm die Hand hin. Er stand auf und ergriff sie. Ich sagte: ‚Von ganzem Herzen vergebe ich Ihnen diese furchtbare Sache, die in unser Leben getreten ist.‘

Er senkte den Kopf, und ich verließ ihn. Ich weiß nicht, was für Gefühle er damals hatte, und ich weiß nicht, was für Gefühle er gegenwärtig hat, aber ich will Ihnen bezeugen, dass es ein herrliches Gefühl ist, wenn Verbitterung und Hass sich davonmachen und Vergebung einzieht.

Ich bedankte mich beim Direktor für sein Entgegenkommen, und als ich aus seinem Büro ging und die lange Treppenflucht hinunterschritt, wusste ich, dass Vergebung besser ist als Vergeltung; denn ich hatte nun selbst die Erfahrung gemacht.

Als wir in der zunehmenden Dämmerung nach Hause fuhren, kam eine süße, friedliche Ruhe über mich. Aus reiner Dankbarkeit legte ich meiner Frau den Arm um die Schulter. Sie verstand mich, denn ich weiß, wir hatten nun ein Leben gefunden, das mehr Erfüllung bringt als vorher.“ (Zitiert in Das Wunder der Vergebung, Seite 278ff.)

Zum Abschluss

Der Erretter vergibt uns unsere Sünden, wenn wir Umkehr üben und ihm dann folgen und alles tun, was er uns gebietet. Etwas, was er von uns erwartet, ist, dass wir anderen vergeben. Wenn wir das tun, hat er uns Freude und Frieden versprochen, und er lehrt uns, dass sowohl das Vergeben als auch das Vergebung erlangen für unsere ewige Errettung von Bedeutung sind.

Aufforderung

Kehren Sie von etwaigen Verfehlungen um, die Sie begangen haben. Wenn jemand Sie auf irgendeine Weise verletzt hat, legen Sie die Verbitterung ab, indem Sie dieser Person vergeben.

Zusätzliche Schriftstellen

  • Matthäus 6:14,15 (was geschieht, wenn wir anderen vergeben und wenn nicht)

  • Matthäus 7:1–5 (wir sollen andere nicht richten)

  • Matthäus 18:21,22 (siebenundsiebzig Mal vergeben)

  • Epheser 4:32 (einander vergeben)

  • Lehre und Bündnisse 42:88 (sich mit demjenigen, der uns Unrecht getan hat, aussöhnen)

Vorzubereiten

Tun Sie vor dem Unterricht Folgendes:

  1. Lesen Sie das 19. Kapitel, „Die Umkehr“, in Grundbegriffe des Evangeliums.

  2. Bereiten Sie sich in geistiger Hinsicht auf die Lektion vor. Befassen Sie sich dazu mit allen Problemen in Ihrem Leben, die im Zusammenhang mit Vergebung stehen.

  3. Bitten Sie einige Brüder, Begebenheiten, Schriftstellen oder Zitate aus der Lektion vorzutragen.