2019
Aber mir fehlte etwas
Oktober 2019


Aber mir fehlte etwas

(RHS) Ich wollte zu dem am 9. Juni in unserer Priestertumsklasse besprochenen Thema „Der Dienst der Versöhnung“ etwas schreiben.

Man kann verzeihen und vergeben, auch wenn es nicht leicht ist.

Am Mittwoch, dem 17. März 1999, wollten Bruder Johann Piermayr und ich zum Heimlehren fahren. Auf dem Weg dorthin kam ein Kastenwagen auf uns zu. Der Fahrer rammte unser Auto und schob uns direkt in einen haltenden Bus.

Das Auto meines Heimlehrpartners hatte Totalschaden. Ich rutschte nach vorn und verletzte mir den rechten Oberschenkel schwer. Glas, Metall und Lacksplitter waren in meinem Oberschenkel. Ich stieg selber noch aus und sagte, dass der Fahrer komplett betrunken sei, aber ich war ihm nicht böse.

Ich kam ins Krankenhaus und war von Mittwoch bis Montag im künstlichen Tiefschlaf. Über vier Wochen musste ich im Krankenhaus bleiben und wurde siebzehn Mal operiert, dabei hätte ich fast mein Bein verloren. Ich war diesem Autofahrer nie böse. Auch das ist möglich.

Vor der Gerichtsverhandlung kam der Mann auf mich zu, weinte und fragte mich, ob ich ihm verzeihen könne. Ich sagte, dass ich ihm von Anfang an nicht böse gewesen sei. Wir gaben uns dann die Hände und er war erleichtert.

Natürlich hätte ich einen Grund gehabt, böse auf ihn zu sein, denn dieser Unfall wäre vermeidbar gewesen. Er hatte 1,6 Promille im Blut, als der Unfall passierte. Doch anstatt ihm böse zu sein, tat er mir einfach leid. Er war Witwer in Frühpension und bekam nur eine Mindestpension. Er musste 6500 Schilling Strafe, den Schaden vom Auto und die Gerichtskosten zahlen.

Er hat damals in der Nähe von mir gewohnt. Ich suchte bei der Haustür nach seinem Namen, weil ich ihm die Missionare hinschicken wollte. Aber leider konnte ich ihn nicht finden.

So möchte ich einfach sagen: Es geht nicht um mich, es geht um Liebe. Man kann verzeihen, auch wenn es nicht leicht ist, und es kann einem jemand Leid zufügen, ohne dass man Zorn empfindet. Ich musste diesem Mann gar nicht verzeihen, weil ich ihm niemals böse war.