2020
Heimgottesdienste ersetzen die Kirchenversammlung
Juli 2020


Heimgottesdienste ersetzen die Kirchenversammlung

Innsbruck (RHS): Die Aufforderung, alle Sozialkontakte extrem einzuschränken, trifft auch gläubige Menschen. Nach einer Unterredung von Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Vertretern der staatlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften wurde am 13. März 2020 vereinbart, Gottesdienste auszusetzen. Wenn gläubige Menschen, Christen, Muslime, Juden ihre gemeinschaftlichen Gottesdienste und Gebetsversammlungen nicht mehr abhalten können, was tun sie dann?

Die Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage trifft es zum Glück nicht so hart, denn „Priestermangel“ ist hier kein Thema. Im Rahmen unseres Laienpriestertums wird jedem würdigen männlichen Mitglied Priestertumsvollmacht übertragen, was auch das Leiten von Gottesdiensten und das Segnen des Abendmahls ermöglicht. In Zeiten wie diesen hat auch die österreichische Kirchenleitung allen Familien gestattet, Gottesdienste in kleinem Rahmen bei sich zuhause abzuhalten.

In meiner Familie tragen ich und fünf meiner Söhne das Priestertum, allerdings wohnt von den sieben Kindern nur noch unser Jüngster zu Hause. Und so lief unser erster Sonntag im Rahmen der Ausgangssperre ab: Nach einem gemütlichen gemeinsamen Frühstück erstellten wir ein Programm für den Gottesdienst. Ein würdiger Abendmahlstisch wurde im Wohnzimmer vorbereitet. Auf ihm befanden sich in diesem Fall drei Schalen mit Wasser (wie bei uns üblich) und ein Teller mit einem Stückchen Brot. Das Ganze wurde vor und nach dem Segen mit einem weißen Tuch abgedeckt.

Die Versammlung wurde von mir geleitet. Nach dem Singen des Liedes „Der Herr ist mein Licht“ sprach meine Frau Inge ein Gebet. Das Abendmahl wurde mit dem Lied „Süß ist dein Werk“ eingeleitet. Unser Sohn Jakob segnete das Brot zur Erinnerung an das Leiden, den Tod und die Auferstehung Jesu Christi. Nachdem das Brot allen drei Familienmitgliedern gereicht worden war, segnete ich das Wasser zur Erinnerung an das Sühnopfer Jesu, welches im Garten Getsemani und am Kreuz vollbracht wurde. Wir glauben, dass jeder Mensch durch das sühnende Blut Christi, welches aus jeder Pore seines Leibes drang, als er die Konsequenzen unserer Fehler und Schwächen auf sich nahm, rein gemacht wird. Voraussetzung dafür ist, dass wir an Jesus Christus glauben und von unseren Fehlern umkehren. Diese Voraussetzungen ermöglichen es dem Gläubigen, nach der Auferstehung in die Gegenwart Gottes zu gelangen. Das so gesegnete und geheiligte Wasser reichten wir uns untereinander zum Trinken.

Das Abendmahl war für uns auch an diesem Sonntag der heiligste Teil des Gottesdienstes. Es schließt die Verheißung ein, dass der Geist Gottes die Gläubigen begleiten und ihnen Trost und Erkenntnis zukommen lassen wird. Gerade in Zeiten wie diesen ist dies eine wunderbare Verheißung. Nach dem Abendmahl hielten unser Sohn, meine Frau und ich eine kurze Ansprache zu einem evangeliumsbezogenen Thema. Mit einem gemeinsamen Schlusslied und einem Gebet wurde der Heimgottesdienst beendet.

Corona und Ausgangssperre hin oder her – für uns war dieser Sonntagvormittag nicht nur ein gelungener und freudiger Auftakt an diesem ersten Tag der Ausgangssperre, sondern es war auch eine enorme Bereicherung, die positiven und fördernden Aspekte eines Lebens im Evangelium Jesu Christi genau so zu erfahren, als wären wir in einen regulären Gottesdienst in ein Kirchengebäude gegangen. Ich bin dankbar für diese Möglichkeit, unseren Glauben trotz des Virus aktiv ausüben zu können.