2020
Inklusive aller Menschen
Dezember 2020


Inklusive aller Menschen

Wien (RHS): In Johannes 13:34 lesen wir, wie Jesus Christus zu uns spricht: „Liebt einander! Wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben.“ Ich glaube, wir sind alle einverstanden, dass dies eines der wichtigsten Gebote ist und dass sich das ganze Evangelium und der Plan der Erlösung auf Liebe gründen. Weil die Liebe so essenziell ist, finde ich es wichtig, darüber zu reden – vor allem dann, wenn wir in unserem Umfeld Verhaltensweisen sehen, die dieser Liebe widersprechen. Viele, die die Medienberichte über Black Lives Matter verfolgt haben, werden mir zustimmen, dass es Zeit ist, dieses Thema anzusprechen. Grundloser Hass auf Menschen, Rassismus und Vorurteile sind nicht nur verletzend, sie können auch Leben kosten.

Alle Menschen sind „als Abbild Gottes“ erschaffen. Unsere Propheten haben mehrfach betont, dass jegliche Form von Herabsetzung einer Menschengruppe oder eines Menschen zu missbilligen ist, seien sie „schwarz oder weiß, geknechtet oder frei, männlich oder weiblich“, und das gilt für Menschen mit Behinderung oder ohne, Menschen aller Ethnien, Religionen und sexueller Orientierungen. Alle Menschen haben Würde und Respekt verdient, und Präsident Nelson ruft dazu auf, die Rechte aller Menschen zu schützen. Jesus hat sich während seines irdischen Wirkens aller Menschen angenommen, die missachtet wurden. Wir können bei uns selbst anfangen, vielleicht unbewusstes, aber dennoch diskriminierendes Verhalten abzulegen, um so unserem Erlöser ähnlicher zu werden.

Wie können wir Vorurteile überwinden? Bevor mein Bruder Benjamin nach Russland auf Mission berufen wurde, hatte ich Vorurteile gegenüber diesem Land. Dort ist es kalt und grau, und ich hörte, dass es dort nur Männer gäbe, die grimmig seien. So hat Russland in meiner Vorstellung ausgesehen. Seit aber mein Bruder dort ist, habe ich Zuneigung zu diesem Land entwickelt. Gut, es ist kalt, aber nicht immer und überall – im Mai gab es Tage, da war es bei ihm in Nowosibirsk um 10° C wärmer als bei uns in Wien. Die Farbe Grau gibt es in Russland, aber mein Bruder hat uns Bilder geschickt, auf denen die Sonne orangefarben glitzernd in einem azurblauen Meer versinkt. Ganze 54 Prozent der Bevölkerung in Russland sind Frauen, also gibt es eindeutig nicht nur Männer in Russland. Es sind zwar nicht alle Menschen nett zu meinem Bruder und seinen Mitarbeitern, aber sie haben schon viele freundliche, treue und hilfsbereite Leute getroffen.

Mit den spärlichen Informationen, die wir oft haben, versuchen wir, etwas zu beurteilen. Das ist wichtig, wenn es einmal schnell gehen muss. Mit mehr Informationen können wir allerdings bessere Entscheidungen treffen. Machen wir uns also, wie wir in Lehre und Bündnisse 88:77-79 aufgefordert werden, über alles Mögliche schlau, indem wir „einander die Lehre des Reiches … lehren“, „damit [wir] noch vollkommener unterwiesen [sind] in Theorie, in Grundsätzlichem“ und in „dem, was daheim ist, dem, was in der Fremde ist“. Reden wir miteinander und probieren möglichst selbst etwas aus. Dadurch lernen wir die schönen Seiten des Lebens, ein Geschenk des Vaters im Himmel an uns, kennen und lieben.

Mit dem Ausdruck „Sprache schafft Realität“ wird beschrieben, dass unsere Wortwahl und Redeweise unsere eigene und die Wirklichkeit anderer beeinflussen. Erinnern wir uns an 3 Nephi 12:22: Wir sollen weder „Hohlkopf“ noch „Narr“ zu unseren Mitmenschen sagen und, wie ich glaube, überhaupt keine Schimpfwörter oder abwertenden Ausdrücke für sie gebrauchen. Wenn ich ein Wort verwende, das negativ behaftet ist, um etwas Neutrales zu beschreiben, werde ich irgendwann das Neutrale auch mit negativen Gefühlen betrachten.

Wir sollten immer zuerst den Menschen sehen und zuerst von der Person sprechen. Dieses Prinzip demonstriert der Herr in 1 Samuel 16 sehr gut. Samuel der Prophet denkt, er müsse den König aufgrund körperlicher Merkmale auswählen. Hören wir doch auf die Zurechtweisung des Herrn: „Sieh nicht auf sein Aussehen und seine stattliche Gestalt, denn ich habe ihn verworfen; Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz.“

Die Broschüre Für eine starke Jugend beschreibt dieses Prinzip ebenfalls sehr treffend: „Sprecht freundlich und gut über andere. Beleidigt niemanden, würdigt niemanden herab, auch nicht im Scherz.“ Wir sollen also achthaben auf unsere Gedanken, Worte und Taten (vgl. Mosia 4:30) und dem Beispiel Jesu Christi und der lebenden Propheten folgen.

Präsident Nelson hat kürzlich gemeinsam mit einer Organisation, die sich für schwarze Menschen einsetzt, eine Deklaration verfasst. Diese besagt, dass die Antworten auf Rassismus, Vorurteile, Diskriminierung und Hass nicht nur von der Regierung und der Exekutive kommen werden. Lösungen werden kommen, wenn wir unser Herz denen öffnen, die ein anderes Leben haben als wir, wenn wir Freundschaften knüpfen und uns als Brüder und Schwestern und Kinder eines liebenden himmlischen Vaters betrachten.

Ich möchte uns alle noch einmal darum bitten, uns um Liebe und Nächstenliebe zu bemühen. Nur durch sie können Konflikte gelöst werden. Ich weiß, dass der Vater im Himmel und sein Sohn Jesus Christus uns sehr lieben. Wir alle haben göttliches Potenzial, weil wir Kinder Gottes sind und in seinen Augen großen Wert haben. Ich glaube, wenn wir versuchen, Gott immer mehr zu lieben, und dann unsere Nächsten und uns selbst, dann können wir diese Schwierigkeiten überwinden. Ich weiß, dass alle Menschen einzigartig und besonders sind, und ich habe die Hoffnung, dass wir das Misstrauen und die Vorurteile ablegen und unsere Liebe ALLEN Menschen zugänglich machen können.