2020
Gottes Liebe bedeutet, sich um uns zu kümmern
Dezember 2020


Bekehrungsgeschichte

Gottes Liebe bedeutet, sich um uns zu kümmern

Klagenfurt (RHS): Ich wurde 1968 in Mailand in eine Familie überzeugter Atheisten hineingeboren. Meine Kindheit – das waren Jahre, in denen der Glaube an den Fortschritt boomte, man dachte, die Menschheit wäre wirklich in der Lage, nach Belieben Wohlstand für alle zu schaffen, unabhängig von Ressourcen und Naturgesetzen.

Meine Jugend war geprägt von einem tiefen Gefühl der Frustration. Die meisten Italiener waren eingeschworene Katholiken, und ich fühlte mich anders und nicht akzeptiert. Ich war schon immer ein Träumer – sensibel, nervös, ängstlich, unsicher und introvertiert. Doch vor allem quälte mich die Frage, was mit mir nach dem Tod geschehen würde. Mit der Pubertät verschlechterte sich die Situation, und ich hatte keine Freunde mehr, isolierte mich und wurde depressiv, bis zum Gedanken an Selbstmord, den ich aber aus Mangel an Mut nie durchgeführt habe.

In dieser Situation hätte ich gerne um Hilfe gebeten, aber an wen konnte ich mich wenden? An die Lehrer und die Kirche mit ihrem schrecklichen Gott – oder an meine atheistischen Eltern, die mich dazu bringen könnten, die Idee des Verschwindens für immer zu verdauen? Doch es gab auch meine Großmutter. Obwohl sie eine Atheistin und überzeugte Kommunistin war, verfügte sie über einen starken Sinn für Gerechtigkeit und Moral. Sie behauptete, dass Jesus Christus der erste Sozialist in der Geschichte gewesen sei: Er war immer auf der Seite der Armen, Schwachen und Ausgebeuteten, er stellte sich gegen Ausbeuter, Reiche und Mächtige. Meine Großmutter wäre gestorben für ihre Ideale und war bereit, auf jeden materiellen Vorteil zu verzichten, um ihre ethischen Grundsätze zu verteidigen, so wie Christus es tat!

So begann ich, mich mit Philosophie und religiösen Kulturen zu befassen und gelangte durch logische Überlegung zu der Erkenntnis, dass die Existenz Gottes nicht auszuschließen war. Parallel dazu suchte ich nach Antworten auf Fragen über das Universum, den Ursprung des Lebens, warum wir existieren und so weiter. Ich sagte mir: Wenn Gott existierte, konnte er uns gegenüber nicht bösartig oder gleichgültig sein oder aber er wäre nicht Gott. Zu diesem Zeitpunkt brauchte ich „nur“ eine Bestätigung für diesen Glauben, konnte aber keine Hilfe von meinen Mitmenschen bekommen. Ich beschloss, Gott zu fragen. Wenn es stimmte, dass wir zu ihm beten können, warum konnte man ihn nicht direkt fragen und die kirchlichen Vermittler überspringen? Sie hatten mich in der Schule unterrichtet: „Frag, und es wird dir gegeben.“ Mein erstes Gebet klang wie folgt: „Gott, ich wende mich an dich, um herauszufinden, ob du existierst. Es heißt, du bist ein gütiger Vater, und ich möchte dich unbedingt kennenlernen. Wie ein Waisenkind, das nach seinem Ursprung sucht, bin ich verzweifelt. Bitte, hilf mir! Von jetzt an werde ich dich nicht mehr lästern, das verspreche ich dir.“ Die Antwort für mich war ein tiefer Frieden.

Während der folgenden 25 Jahre ohne Kirche und ohne Taufe betete und meditierte ich viel. Mittlerweile hatte ich keine Angst mehr vor dem Tod, tatsächlich wartete ich darauf und wünschte, Gott zu treffen. So befasste ich mich mit der Bibel, und dies bewirkte, dass meine Angst immer mehr von der Liebe zu Gott besiegt wurde. Und Liebe wird früher oder später gegenseitig! Denn wenn Gott alles hat und alles haben kann, warum hätte er den Menschen erschaffen sollen, wenn nicht, um jemandem seine Liebe zu geben, bedingungslos und ohne etwas dafür zu erwarten?

Ich war bereits verheiratet und zweifacher Familienvater, als ich mich dazu entschloss, einen Somasca-Pater aufzusuchen, da mir der Lebensstil von Mönchen Jesus näher schien als der von Priestern. Ich fragte diesen weisen Mann, wie ich wissen könne, ob meine Glaubensgefühle richtig seien. Daraufhin sprach er zu mir vom Heiligen Geist, der mir Gefühle von Frieden, Wärme und Freude vermitteln könne, die mir die Richtigkeit meiner Wahl bestätigen würden. In all den Jahren meines Lebens in einem christlichen Land hatte ich noch nie von den Wirkungen des Heiligen Geistes reden gehört!

Dann begann eine kurze Lebensphase, in der mich Gesundheitsprobleme plagten. Ich stand vor einer Operation. Bis zu diesem Moment hatte ich immer geglaubt, dass ich Gott nicht mit meinen eigenen Problemen stören sollte, denn andere hätten sicher mehr Recht, dies zu tun. Ich lag falsch. Gott ist allgegenwärtig, er hat keine Zeitprobleme und außerdem: Liebe bedeutet, einander nicht zu ignorieren, sondern sich umeinander zu kümmern. Verzweifelt infolge der akuten Gesundheitskrise beschloss ich eines Abends, als ich zu Bett ging, zu beten. Am Morgen hatte ich keinerlei Beschwerden mehr, und dies blieb auch so. Die Ärzte wollten es nicht glauben.

Nach weiteren besonderen spirituellen Erlebnissen gab es für mich nurmehr eine Frage: Was konnte ich für Gott tun? Ich fühlte tiefe Liebe zu ihm. Ich verstand, dass selbst er ohne Liebe nicht vollkommen sein konnte, er könnte seine eigenen Kräfte ohne sie nicht unter Kontrolle halten. Er hatte sich dafür entschieden, uns Menschen zu erschaffen, in der Hoffnung, dass wir ihn lieben, und wartete besorgt auf unsere Antwort. Wir haben also eine große Verantwortung, und unser Leben ist heilig, weil es ein Stück von Gott enthält – diesen Samen der hoffnungsvollen Liebe, die auf einen Input von unserer Seite wartet. Und so schränkt Gott sich bewusst selbst ein, in der Hoffnung, dass wir zusammen glücklich sein werden.

Auch mein Temperament änderte sich: Ich wurde toleranter, friedlicher, fröhlicher, geduldiger und extrovertierter. Trotzdem vermisste ich auch eine Gemeinschaft von Gläubigen.

Ende März 2011 entdeckte ich ein unerwartetes Projekt der Europäschen Union, durch das ich die Möglichkeit hatte, in Klagenfurt zu arbeiten. Der Heilige Geist gab mir das Gefühl, ich solle dorthin übersiedeln. Meiner Familie und mir blieben nur zwei Monate, um eine möblierte Wohnung zu finden, doch als wir die Reise organisieren konnten, waren die besten Wohnungen nicht mehr verfügbar. Es war nur noch eine übrig. Bei unserer Ankunft kamen unsere Nachbarn, um uns willkommen zu heißen und uns ihre Hilfe anzubieten, falls wir etwas brauchten. Was für nette Leute! Es war die Familie von Benjamin Kaiser, dem Bischof der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage in Klagenfurt.

Wir freundeten uns sofort an, und eines Tages fragte ihn meine Frau nach der Adresse der nächsten Pfarre. Die Antwort war etwas verlegen: „Wir wissen es nicht.“ Später sagte die Familie Kaiser uns, sie seien gläubige Mitglieder der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage.

Im Dezember 2011 wurden zwei Missionare zu mir geschickt. „Warum sollte eure Religion besser sein als eine andere?“, war meine Frage an sie. Und sie erwiderten: „Frag nicht uns, sondern frag Gott im Gebet. Frag ihn auch, ob das Buch Mormon wahr ist, und er wird dir antworten.“ – Frag, und es wird dir gegeben werden, ich hatte es schon ausprobiert, es war einfach! Ich tat es, und der Heilige Geist war nicht langsam, mir zu antworten. Ich fand in dieser Kirche auch Dinge niedergeschrieben, von denen ich glaubte, dass sie meine ganz persönlichen Ideen wären, das Ergebnis von 25 Jahren Meditation. So wurde ich mit 44 Jahren getauft, am 21. April 2012. Am 30. Mai wurde ich zum Priester geweiht – selbst dieser Wunsch von mir, den ich für unrealistisch gehalten hatte, hat sich erfüllt!