2021
Cashewnüsse zu Weihnachten
Dezember 2021


Stimmen von Heiligen der Letzten Tage

Cashewnüsse zu Weihnachten

Mein Freund überreichte einem anderen Bewohner der Einrichtung für betreutes Wohnen ein Geschenk. Das rief mir in Erinnerung, dass wahre Freude ihren Ursprung in christlicher Nächstenliebe hat.

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man handing a gift to a man using a walker

Als ich zu Schichtbeginn mit dem Bedienen an den Tischen anfing, betrat einer meiner erklärten Lieblinge den Speisesaal: Stan (Name geändert). Ich arbeite in einer Einrichtung für betreutes Wohnen. Dort hatte ich schon viele Stunden im Gespräch mit diesem wunderbaren Mann verbracht. Er ist erfolgreicher Schriftsteller und ehemaliger Professor. Außerdem war er Missionspräsident, Pfahlpatriarch und Siegler im Tempel.

Ich hoffte, dass etwas von seiner Geistigkeit und Liebenswürdigkeit auf mich abfärben würde, wenn ich in seiner Nähe war. Ein ums andere Mal beeindruckten mich seine Bescheidenheit und sein aufrichtiger Wunsch, seinem Nächsten zu dienen. Seine Frau war erst kürzlich nach 63 Ehejahren verstorben. Bestimmt trauerte er um sie, doch er fand auch Freude darin, herauszufinden, wie er anderen das Gefühl geben konnte, sich geliebt und geborgen zu fühlen.

Aufgrund der Coronakrise war das Jahr 2020 für alle Bewohner unserer Einrichtung sehr schwer. Doch mit der Adventszeit keimte auch neue Hoffnung auf die Zukunft auf.

An jenem Abend saß Stan mit einem Mitbewohner an dem Tisch, an dem ich bediente. Als Stans Tischgenosse fertig gegessen hatte, bat er mich um einen bestimmten Snack, den er mit auf sein Zimmer nehmen wollte. Ich sah nach, doch das, was er wollte, gab es leider nicht mehr. Also ging ich zu seinem Tisch zurück und sagte ihm das. Er war offenkundig enttäuscht. Ich bot ihm etwas anderes an, aber er lehnte höflich ab.

Stan hatte unser Gespräch mitgehört und erhob sich nun. Mit seiner Gehhilfe arbeitete er sich langsam den Flur entlang. Ein paar Minuten später kam er mit einigen Packungen seiner Lieblingsknabbereien zurück – von Schokolade umhüllte Cashewnüsse. Er bot sie seinem Mitbewohner an, dankte ihm für seine Gesellschaft und ging in sein Zimmer zurück.

Als ich daran dachte, was mein Freund derzeit alles verkraften musste – den Verlust seiner Frau und die Quarantäne aller Heimbewohner im Zuge der Corona-Pandemie –, fiel mir spontan ein, was der Erretter einst gelehrt hatte: „Wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten.“ (Markus 8:35.)

Stan fand Freude, indem er weiterhin für andere da war. Ich weiß noch, wie ich dachte: „Das ist wahrlich ein Mann Gottes.“

Dieses Erlebnis wird mir nachhaltig im Gedächtnis bleiben. Es motiviert mich, mir mein Leben lang zum Ziel zu setzen, ein eifriger Jünger Jesu Christi zu werden, genau wie Stan. Er hat mir gezeigt, dass wir wahre Freude finden, wenn wir unentwegt auch Kleines geben – wie etwa Cashewnüsse zu Weihnachten.

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